'Das hab ich mit Gott gewaget/ zu versuchen/ und zu weisen weitläufftig in meinem ersten Gesang-Ringe/ an und mit 100. Schrifft- und etlichen Catechismus-Liedern/ so alle auff nachfolgenden Schlag und Zweck gerichtet: Zum (1) daß ich nechst und nach der Ehre GOttes unnd unserer Ehren-werthen Mutter-Sprache mich versuchte was Rein-Teutsch zu setzen/ [S] davon in der ersten und andern deroselben Vorrede. Zum (2) und weil die ersten 2. natürlichen Reim-Arten des Jamben und Trochen die bekantesten/ so hab ich deroselben auch allhier unnd sonsten am meisten/ und hier fast allenthalben/ als im Psalter gebrauchen wollen.'
'Ob einem oder dem andern über kurtz oder lang/ zumal auff den Fall der bessern Zeiten/ belieben möchte/ solche Trost- und Frewden-Brosamlein zu sammlen/ bey Mir oder den Meinigen zu suchen/ unnd dem gemeinen Wesen zum besten/ und unserm trewen Erlöser zu Christ-schuldigen Ehren zu befördern. Demselben seyd zu bestendigen und ewigen Hulden und Gnaden befohlen/ und meine so günstige Herren und Freunde/ als ich dero ¶ Dienst-begieriger und inniger Vorbitter bey GOtt ¶ Eilenburg im angehenden Jahre unsers Heils unnd Heilandes 1645. ¶ [aq]M. MARTINUS P. L. Archi-Diaconus[/aq] doselbst.'
'In dem [aq]CLI[/aq]. Gesprächspiele Herrn Harsdorffers wird folgendes vom wolerwehnten Autore vermeldet: Die Edle Poeterey/ spricht er/ ist eine keusche Jungfrau/ welche alle Unreinigkeit hasset/ und anfangs sonderlich zu dem Gottesdienste gewiedmet gewesen/ auch von denen Völckern/ welche sonsten aller Wissenschafften und Künste unwissend gewesen. Nun wird sie zum öfftern/ als eine gemeine Metze/ zur Wollust und uppigkeit gezogen.'
'Ich wil alhie schliessen/ mich mit dem wenigen/ was hie/ wiewol alles in der eile und auf der flucht verrichtet/ rühig deswegen vergnügen/ weil mein Gewissen dieser süssen befriedigung mich versichert/ daß alles/ es sey auch so gering und kleinschätzig wie es wolle/ was alhie/ und sonsten/ nach geringem Vermögen gethan/ nur aus diesem redlichen Vorsatze geschehen/ daß unsere so hochherrliche Teutsche Muttersprache/ so aufnahm der Teutschen Jugend/ beliebung der Tugend/ des guten und der Ehre Gottes/ möchte je mehr recht gründlich bekant/ wegen der unerschöpflichen Kunstquellen geehrt/ dero Süssigkeit mit lust eingetröpflet/ und wohin man die Gedanken und Beliebung wendet/ nach Anweisung rechter Kunst und grundmessiger Gewißheit gefunden und angeschauet werden.'
'Ja/ wann uns Teutsche keine andere Ursache zu unser Poeterey treiben solte/ so wären doch die geistlichen Lieder/ zu Erweckung hertzbrünstiger Andacht darzu gnugsam/ welche/ ohne kunstrichtigen Bericht/ nicht können verfasset werden. ¶ 10. Von alters her ist das Lateinische Singen in unsrer Kirche geblieben/ damit die studirende Jugend zu üben; der gemeine Mann aber hat vielersprießlichern Nutzen von dem Teutschen Singen/ durch welches wir gleichsam den Englen nach ahnen/ und näher zu GOtt tretten. Wie soll der/ sagt der heilige Apostel Paulus/ 1. Corinthern 14. v. 16. so an statt deß Laien stehet/ Amen sagen/ auf deine Dancksagung? sintemal er nit weiß/ was du sagest. Ein andrer wird nicht davon gebessert/ etc. Welche fremde Sprachen reden/ daß sie nicht jederman versteht/ pfleget man für unsinnig zu halten/ wie in fol- [S]gendem 26. Verslein/ besagter Epistel/ folget.'
'Von der Poeterey Ursprung ist bey dem Kunstrichter Scaliger/ [aq]V[/aq]ossi und andern viel zu lesen. Kurtz davon zu reden/ so sind die Poeten vor alters zugleich Naturkündiger/ Sittenlehrer und Säitenspieler/ oder Musici gewesen. Mit Fortsetzung der freyen Künste/ haben sich etlich auf dieses absonderlich/ jene auff ein anders be-[S]geben: doch ist die Poeterey bey dem waaren und falschen Gottesdienst jederzeit verblieben/ und auch von allen barbarischen Völckern hochgehalten worden.* [[aq]Specim. Philolog. Germ. Diquisit. IX.[/aq]]'
'9. Deß Poeten Absehen ist gerichtet auf den Nutzen/ und auf die Belustigung zugleich. Der Nutz sol andre und auch ihn selbst betreffen/ und niemals wider Gott/ noch durch Aergerniß wider den Nechsten gerichtet seyn. Was Ehr und Ruhm kan man doch aus unehrlichen und schändlichen Gedichten haben? Solche Unfläter/ wie sie Herr Lutherus nennet/ wollen sich mit Koht weiß machen/ und verstellen den Satan in einen Engel deß Liechts. Ihnen solte stets in den Ohren gellen der Fluch unsers Seligmachers: Verflucht sey/ der da Aergerniß giebet/ und daß wir auch von einem ieden unnützen Wort müssen Rechenschaft geben. Solcher Mißbrauch der Poeterey ist fast groß/ und wird von frommen Hertzen billich darüber geeifert: Es kan aber der fehler der Person nicht der Kunst zugemessen werden/ noch der Mißbrauch den rechten Gebrauch aufheben.'
'11. Ein löblicher Poet schreibet allezeit solche Gedichte/ die zu GOttes Ehre zielen/ grosse Herren/ und gelehrte Leute belustigen/ die Unverständigen unterweisen/ der Verständigen Nachsinnen üben/ die Einfältigen lehren/ die Betrübten trösten/ und der frölichen Freude vermehren.'
'Der Dichter aber führt eine gantz andere Art/ indem er gleichsam aus etwas nichts [S] bildet/ und eine Sache mit solchen natürlichen Farben ausmahlet/ und alle andere Wissenschaften und Künste zu seinen Diensten anzuwenden weiß.'
'4. II. Haben diese Spiele ins gemein das Absehen/ zu nutzen und zu belustigen. Obwol zu Nachfolge der Ebreischen Poeterey alle Gedichte zu GOTTes Ehre billich gerichtet werden sollen/ so ist doch verantwortlich/ daß man sich des Nechsten Neigung nach bequemen/ und denen/ welche theils nicht lesen wollen/ theils nicht lesen können/ die Liebe zur Tugend/ durch ein lebendiges Ge-[S]mähl auffstellet/ vor- und einbildet.'
'Es kan auch diese Dicht- und Reimkunst niemand verächtlich für kommen/ als verächtlichen und verdächtigen Personen/ welche aus Neid oder Unbedacht hassen/ was sie nicht ergreiffen und gleichständig nachthun können. Ich will nicht sagen von dem Käiser [aq]
Augusto, Nerone, Aurelio[/aq], noch von [aq]Mecaenate, Marone[/aq] und [aq]Ovidio[/aq] in den Ritterstand/ welche alle in der Poererey grosses Belieben gesuchet/ sondern nur von David/* [2. Chr. 23, 18.] Salomone* [[aq]1[/aq]. König 4/32.] Hiskia* [Jesaia 38/20] [S] und den Propheten/* [Ps. 75/1.] die von dem Geist GOTtes getrieben in ihrer Sprache die trefflichsten Lieder verfasset/ die in der Heiligen Schrifft hin und wieder zu lesen.'
'Die ältste Poeterey bey den Heyden/ hat der Götter Lob- und Danklieder zu ihrem Inhalt gehabt/ wie sie auch bey dem Volk GOTTES benebens der Singkunst jederzeit erhalten/ gehandhabt/ und für ein Antheil der in dem verborgnen liegenden Weißheit gehalten worden.'
'DIe edle Poeterey gleichet einer reichlich geschmuckten Königin/ welcher Thron über alle andre Wissenschaften hinauf gesetzet ist/'
'DAß zu der Poeterey absonderliche seltne Gaben der Natur/ und die Erkundigung fast aller Wissenschaften vonnöhten/ kan aus allen wolverfasten und leswürdigen Gedichten beglaubet werden. Die natürliche Fähigkeit solcher Kunst bestehet in einem darzu gleichsam gewidmeten Verstand: Dann gleichwie nicht ein jeder/ der redet und gehet/ singen oder springen kan/ weil seine Stimme/ und seine Füsse darzu nicht schicklich/ also kan auch nicht ein jeder ein Trauer- oder Freudenlied zu Papier setzen/ daraus Feuer und Geist erhelle/ dadurch er den Namen eines Poeten verdienen möchte.'
'massen sie bey denen anjtzo im Reich der Prinzeßin dieser Erden/ (als dem edlen Bodem deutscher Christenschaar/) befindlich-Hochedel wehrten Herren Poeten/ mehr der stete als des Lesens [S] werden würdig erfunden werden.'
'[aq]Finis[/aq] oder der Zwekk/ dieser Kunst ist: daß durch Hülfe der süßklingenden [aq]Harmonia[/aq]: vieler zierlich-eingefügten Wort-Glieder/ mancher art/ von herrlich- und vernünfftigen Red-arten leuchtende/ beides zum högsten Preiß/ des Allgewaltigen/ wie dann auch zu offtmahligen Mänschlichen Ehren-Ruhm und Belustbarkeiten dienende Gedichte/ können außgearbeitet und ans Licht geführet werden. Wiewol aber als der teur-edle [aq]Poëta[/aq] Herr Georg Filip Harsdorfer/ in seinem 151. Gespräch-Spiele redet: Die edle Poeterey/ als eine keusche Jungfrau/ welche alle Unreinigkeit hasset/ [S] anfangs sonderlich zu dem Gottes-dienst gewidmet worden; Demnach aber will kein unseliges Werk/ durch Hülfe deren/ bei zu Hand-kommender Gelegenheit/ besonders deren Ehe- und Ehren-Tagen/ eines wehrtem Hertzen-Freundes einiges Ehr- und Lust-Gedicht/ uffzusetzen: Als hat nachgehents dieselbe/ anderweit/ und zwar vielmehr (Mänschlich verderbter Natur gemäß/) in Welt- als Geistlichen Reim-setzungen sich müssen gebrauchen lassen. Dieses aber ist hertzlich zubetrauren/ daß sie gar offt ihrer Jungfrauschafft beraubet/ vielen leichtfertigen und den Christen nicht geziemenden Gedichten/ muß bedienet sein/ welches dann wie es leider unmüglich in dem Mänschen durch Mänschen zu endern; also vergeblich zu schelten ist.'
'Die Mittele betreffend/ durch Hülfe deren man zeigern Wissenschafft kan habhafft werden/ sein diese: ¶ [aq]I.[/aq] ¶ DAß zu foderst/ die Geister der ebenbildigen Kreatur Gottes/ welche/ sothane durch ein [aq]Singulare bonum intellectuale[/aq], aus gantzem Geist/ (Mänschlicher Vollkommenheit nach/) von erleuchteten Gemüthern/ außgearbeitete Wissenschafft/ zuerlehrnen vorhabens/ durch die Gnaden Weißheit-straalen/ deren von Ewigkeit zu Ewigkeit allerheiligst-gethrönten Mayst. Göttlicher Dreifaltigkeit/ müssen umleuchtet und angezündet sein. ¶ [aq]II.[/aq] ¶ DIesem nach/ daß er gleicheinig [aq]agendi vim in poeticis[/aq], oder die Natuhr/ Gnade und zufliesung habe/ einen sonst durch die Gaben des Verstandes ihm leicht abfassenden Lob- und Macht-spruch oder sonst er-[S]sinnende [aq]materia[/aq], in lieblich fliesende Verse und endreimung zubringen. ¶ [aq]III.[/aq] ¶ DAß ein solcher/ in allen Theilen der Welt-Weißheit/ auch beides in lengst- und erst-jüngst verstrichenen Welt-geschichten/ ja alles uff einmahl außredend/ in vielen/ so wol Himmel; als Erd-beliebigen Wissenschafften erfahren und belesen sein. ¶ […] ¶ [aq]V.[/aq] ¶ WIe auch daß er dieselbste Kunst/ einen Verß einzukleiden/ wol begriffen: Dann wie der Römische Herold und [aq]Mercurius Cicero[/aq] redet: ist [aq]ars dux certior quam natura[/aq], daß also Kunst und Natur müssen verehlichet werden/ soll eine herrliche Frucht der Wissenschafft/ in Himmlischer Verß- und Reim Kunst empfangen und erzeuget werden.'
'DEr wenigen Wenigkeit des Verstandes meiner Jünglingschaft gemäß/ halte mich beredet; es sei die höchste Unnötigkeit/ die tausend wunder-edle Kunst/ der vortrefflichen Dichterei/ als die im Lobe an Mangel keinen Mangel spüret/ weiter zubeloben/ und dem/ durch die mit der teur-edlen Krohn/ deß unsterb-ewigen Nach-ruhms sieg-prangende/ [S] in GOtt- und Welt-beliebten Tugenden/ Frucht-bringende Gesellschaffter/ vorlengst von Ehren-Preiß gebunden und gewundenen Krantz deutscher Verß-Kunst/ neue [aq]fama[/aq] Blumen einzuwinden'
'[aq]Prohibet mea infantia omnia ac singula tangere; Liceat igitur hîc Aegyptios sacrificulos imitari: qui Divos suos parvâ & inarticulatâ voce colere solebant, ut se facultate magis, quàm voluntate destitui, indicarent. Penicillò uti Apelleô, aut cothurno altiore vehi illum oporteret, qui adcuratam VESTRORUM praeconiorum tabulam sistere praesumeret. Meae autem pietatis in VOS, & cultus, quò vestigia in oris Germanicis relinquam, hunc libellum, VESTRO, Fulgentissima Coeli Poëtici sidera, sub umbone ad radiatum insigne diei expono.[/aq]'
'Komm holdes Jungferlein/ du ¶ Wollust hoher Seelen/ ¶Du schöne Führerin/ du Götter- ¶ holde Braut/ ¶ Die du dich ihrem dienst ergeben ¶ und vertraut/ ¶ Komm Himmelsforscherin/ die ¶ gleichsam in Gemählen ¶ Stellt alles lebhaft für/ und weiß ¶ es einzuschliessen ¶ Geschikkter Richtigkeit nach al- ¶ ler bester Art/ ¶ Und leitet ihren Freund von der gemeinen Fahrt. ¶ Komm ädle Poesie/ dich wil mein ¶ Kiel begrüssen.'
"Sie [die Dichtung; J.T.] ist ¶ das Licht der Sinnen/ ¶ Die Schwester der Natur/ des ¶ Himmels Freuden-Lust ¶ Und Tausend-Künstlerin/ der ¶ nichts ist unbewußt/ ¶ Ja/ ja/ sie hat fürwar ein himli- ¶ sches Beginnen! ¶ Und stammt von Göttern her; sag' ¶ O du Unhold/ sage/ ¶ Der du sie gar verwirffst/ von ¶ wannen sie doch kam/ ¶ Als von dem Höchsten selbst/ da ¶ sie den Anfang nahm/ ¶ Sag'/ O du Erden-Last! du neid- ¶ gefüllte Plage! ¶ O seelig ist/ wem sie sich günstig ¶ hat ergeben/"
'Seid insgesamt gegrüst ihr künst- ¶ lichen Poeten/ ¶ Die ihr den Himmel fühlt! Ich ¶ stelle mich zu euch/ ¶ Als einer/ der euch ehrt/'
'[aq]Maximus Tyrius Serm. 16. p. 121. edit. Stephani.[/aq] Nennet die Poeterey eine ältere Philosophy. [aq]conf. Strabonem lib.1. Geograph. & Lipsii Manuduct. ad. Philosophiam Stoic. libr. 1. dissertat. 7. D. Schottel. in Opere de L. Germ. dissert.[/aq] [Original beschädigt, J.T.] [aq]7.[/aq] Giebet ihr viel schöne Ehren-titel/ wenn er sie [aq]p. 104. §. 1.[/aq] rufft: die Schwester der Natur/ die Süssigkeit der Götter/ die Einwohnerin des Himmels und auf dem [aq]105.[/aq] Blat S. [aq]6. Rodorn. Scriek lib. 1. Adversar. c. 17. sagende: Divinam esse Poeticam antiqui & recentiores omnes crediderunt & loquuntur.[/aq]'
'[aq]v. 90[/aq]. Der ein Prophete war/ und gleichfals ein Poet. [aq]Moses Exod. 15. Primum carmen condidisse legitur. Anno Mundi 2453 juxta Alsted. Chronologiam. pag. 485. Ioseph. l. 4. Antiq. Judaic. cap. ult. Vir omnium, quotquot unquam fuêre prudentissimus. Imperator cumprimis bonus, Vates, qualis nemo alius, ut omnia ejus verba oraculorum vim obtinerent. & lib. 1. Divino afflatus numine Carmen Hexametrum invenit, quod in Laudem DEI gratiarumque actionem edidit.[/aq]'
"Was war die alte Welt? Ein gar ¶ verwirrtes Wesen/ ¶ Ein nebel-voller Klumpf/ eh sie ¶ der Weisheit Strahl ¶ Erleuchtet/ und als sie zum al- ¶ lerersten mahl ¶ Die Weisen angehört/ und man- ¶ ches Buch gelesen. ¶ Sie ward erst angeblikkt zu Mo- ¶ ses alten Zeiten/ ¶ Der ein Prophete war/ und ¶ gleichfalls ein Poet/ ¶ (Man weiß ja/ wie er GOtt mit ¶ manchem Lied' erhöht/ ¶ Um bei der Heidenschaft ihn wei- ¶ ter auszubreiten.) ¶ In dieses Alter ist die Poesie zu ¶ zehlen: ¶ Sang Salomon und Job und ¶ David nicht ein Lied/ ¶ In dem die Gottesfurcht und ¶ Andacht feurig glüht? ¶ Nach diesem kunte sie Cecropien ¶ erwehlen/ [S.i.O.] ¶ Wo durch beliebten Schein die ¶ Sonn' ist aufgegangen ¶ Der wahren Wissenschafft/ hie ¶ merket man die Spur/ ¶ Als nunmehr Land und Stadt ¶ gesondert die Natur/ ¶ Bei Griechen/ wie man meint/ ¶ hat Weisheit angefangen."
"[aq]v. 700.[/aq] Ja ja sie hat fürwahr ein himmlisches Beginnen etc. [aq]Cicero p. L[?]archiâ. §. 18. Atque sic à summis hominibus eruditissimisque accepimus, caeterarum rerum studia, & Doctrinâ, & praeceptis, & arte constare: poetam naturâ ipsâ valere, & mentis viribus excitari, & quasi divinô quodam spiritae afflari. Marsil. Ficinus in Plat. Phoed. fol. 443. Tanti est Poesis, ut absque summo favore Dei comparari nequeat. Lege Aeschac. [?] Major. Scrutin. Ingenior. c. 1. p. m. 52. c. XI. p. 286. seqq. ¶ Bartas in der Urania. [S.i.O.] ¶ Tout' art s'apprend par art: la seule Poësie[/aq]"
'Hievon spricht der Edle Spielende Seel. Gedächtniß [S.i.O.] [S] im [aq]151[/aq]. Gesprächspiel: Die Edle Poeterey ist eine keusche Jungfrau/ welche alle Unreinigkeit hasset/ und anfangs sonderlich zu dem Gottesdienste gewiedmet gewesen/ auch von denen Völckern welche sonsten aller Wissenschafft und Künste unwissend waren. [aq]Conf. Aventin. diligentissimus vetustatis indagator, (ut eum nominat Althamer. in Tacit.) G. Joh. Vossius de Arte Poet c 3 n. 12[/aq] [?] [aq]12. 13 fol. 205. Dannerher auch die Poeten Theologi genennt worden: Papias: Theologi Poetae ideò dicebantur, quoniam de Deis carmina faciebant: addit Casp. Barth. in Animadversion ad Britonis[/aq] [?] [aq]Philippid p. 22. Sane vero antiqua Theologia humana in literis Poeticis, & Mysteria numinum introducta ab iisdem, ut exemplo vides Orphei apud Lactant. lib. 1. Cic. lib. 3. De Natura Deor. Clem. Alexandrin. Storm. 5. Plutarch. de Pythae Oracul. p. 342. Carminibus etiam antiqua oracula dicta sunt.[/aq]'
'und also eingerichtet/ daß den Liebhaber der Göttlichen Poesie dieser [[aq]Der Deutsche Poët[/aq], J.T.] an statt aller geschriebenen Prosodien und Poetischen Schrifften zur Nohtdurfft dienen kan/'
'[aq]§. 6[/aq]. Man sehe sich nur ein wenig in der Welt um/ so wird man befinden/ daß rechtschaffene Poeten die fürnehmsten EhrenAemter besitzen/ so wol in dem geistlichen/ als weltlichem Stande: Welche auch/ mit ihrem höchsten Ruhm/ entweder der Seelen ihrer Zuhörer und PfarrKinder treulich und fleissig wahr nehmen/ oder ihren Fürsten und Herren/ mit Verstand und Raht zu hülffe kommen/ oder gantze Länder und Städte wol re-[S]gieren/ oder dem Krancken und Bettlägerigen/ zu voriger Gesundheit/ nechst Göttlicher Hülffe/ glücklich verhelffen/ oder aber die liebe Jugend gantz fruchtbarlich auf die beine bringen.'
'[aq]§. 34[/aq]. Gewißlich ist es zu betrauren/ schreibet der Herr von Harsdorf/ daß die edle Poeterey so verächtlich gehalten wird. Sie ist eine keusche Jungfrau/ wleche alle Unreinigkeit hasset/ und anfangs sonderlich zu dem Gottesdienst gewidmet gewesen/ auch von denen Völckern/ welche sonsten aller andern Wissenschafften und Künste unwissend gewesen. Nun wird sie/ als eine gemeine Metze/ zur Wollust und Uppigkeut gezogen. ¶ [aq]§. 35[/aq]. Doch kan man dieses nicht alsobald von denen sagen/ welche eine oder die andere keusche Liebessachen/ in ihren Schrifften/ mit unter gemenget haben/ weil ihre Liebe in der Warheit nichts anders ist/ als ein eiferiges Gemüht zur Tugend/ Kunst und hohen Wissenschafften/ welches von dem Himmel angereitzet worden.'
'[aq]§. 3[/aq]. Was nun das Wort/ Dicht/ belanget/ so sagen wir/ daß dasselbe vornemlich zweyerley Bedeutung habe: Erstlich wird dadurch verstanden/ alles das jenige/ was fest/ hart und dik ineinander gefüget ist/ wie dorten befohlen wird/ daß man die Mayen von den dichten Bäumen nehmen sol/ zu dem Laubhüttenfest/ im [aq]3[/aq]. Mos. am [aq]23/40[/aq]. Hernach wird dicht gebraucht/ für oft/ als wann man sagt; Dichternannte/ dichterwehnte/ dichtbesagte Nahmen: Drittens wird auch durch das Wort Dicht/ Gedicht/ und dichten verstanden das Nachsinnen/ Ausdencken/ Untersuchen; daher lesen wir/ daß der Menschen Dichten und Trachten böß sey/ von Jugend auf/ [aq]1[/aq]. Mos. [aq]7./5[/aq]. und das Fleisch und Blut Arges dichtet/ Sirach [aq]17/30[/aq] von solchen Laster-Dichten unserer verderbten Natur/ ist dieses Orts die Frage nicht. Sondern wir verstehen es/ wie [S] dort der Königliche Poet/ dessen Parnassus die Burg Sion gewesen/ wann Er sagt: Mein Hertz dichtet ein feines Lied/ Psal. [aq]45./2[/aq]. Besiehe hiervon obenberührten Herren Harsdörffer/ welcher dieses Wort auch [aq]Metaphoricè[/aq] oder vernennungsweise verstehet/ als wann man sagt/ daß in dem Gedicht alles fest und dicht ineinander gefüget/ und durch die Reimen gleichsam mit Riemen verbunden sein sol. ¶ [aq]§. 4[/aq]. Es ist aber dichten/ nicht/ aus einem Nichts/ etwas machen/ welches allein GOtt zustehet/ sondern/ aus einem geringen oder ungestalten Dinge/ etwas herrlich/ ansehnlich/ geist- und lobreich ausarbeiten.'
'[aq]§. 8[/aq]. Ist demnach die Erfindung der Dinge nichts anders/ als eine sinnreiche Fassung aller Sachen/ die wir uns einbilden können/ der Himmlischen und Irrdischen/ die Leben haben und nicht haben/ welche ein Poet ihm zubeschreiben und herfür zubringen vornimmt/ nach dem Herrn Opitz.'
'Das [aq]II[/aq]. Kapit. ¶ Erkläret die Andre Erfindungsart/ so von dem Dinge selbst/ davon man handelt/ absonderlich aber von den überirrdischen und himmlischen Personen/ kan hergenommen werden. ¶ [aq]§. 1[/aq]. Nach dem wir die Erste Erfindungsahrt beschauet/ schreiten wir zu der Anderen/ welche von dem Dinge selbst/ davon man handelt/ mus her-[S]genommen werden. Die Erfindung des Dinges oder der Sache bestehet entweder auf Personen/ oder allem dem/ was ausser denen Personen kan gefunden werden/ nach der Lehre des Göttlichen Scaligers im [aq]3[/aq]. B. seiner Poererey/ am [aq]I[/aq]. Kap. Die Personen sind entweder Himmlisch/ oder Irrdisch oder unterirdisch.'
'Das [aq]IV[/aq] Kapit. ¶ Darinnen erwiesen wird/ daß Deutschland eine Mutter und Seugamme sey der Göttlichen Poesie/ und wie dasselbige sich bereit für so viel hundert Jahren/ mit dieser herrlichen Wissenschafft/ durch ihre Barden oder Druiden/ so trefflich herfür gethan habe/ wobey dann auch zugleich von den Meister-Sängern etwas gedacht wird. ¶ [aq]§ 1[/aq]. So wenig das gelobte Land seines Davids/ Salomons/ Assaphs/ Calchals/ Dardans/ und Ethans;'
'Zum andern werden die Gedichte auch unterschieden/ nach Beschaffenheit der Materien und Sachen/ die daselbst abgehandelt werden/ welche mancherley sind/ als Theologisch/ Philosophisch und mehr dergleichen.'
'WIe zeiget sich nun als auf einem öffentlichen SchauPlatze das keusche und liebseelige Jungfräulein/ die Poeterey/ allen denen/ die zu ihr ein Belieben tragen/ und an Sinnreichen Erfindungen die Augen des Gemüthes belustigen wollen. Der Nahme den sie führet/ stammet nach [aq]Boccatii[/aq] Bericht in [aq]Genealogiâ Deorum[/aq], von dem Griechischen Worte [griech.], welches so viel heißt als machen/ weil der Poet nach den Grund-sätzen seiner Kunst den Vers oder Reim machet/ damit er so wohl was wahrhafftig ist/ zierlich beschreibet/ als auch/ etwas von ihm selbst erfindet/ und solches/ ob es vorhin nichts war/ geschicklich ausbildet und gestaltet. In welchem Stücke die Poesie etwas Göttliches bey sich hat/ nach Außage des unvergleichlichen Heldes der gelehrten [aq]Jul. Caes. Scaligeri[/aq]. Die andere Wissenschafften/ [G: [aq]Lib. I. Pöet. c. 1[/aq].] spricht er/ erzehlen blößlich das Ding oder Wesen/ wie es an ihm selbst etwa gewesen oder sey; Die Poesie aber machet gleichsam eine andere Natur/ zwinget (was sonst ungut) mehr als ein gutes zu haben: und also ist sie Göttlich/ und machet ihre Liebhaber zu Nachfolgern und Vorstellern alles dessen/ was Göttlich/ himmlisch/ herrlich/ hoch/ in der Natur das anmuthigste/ und in der Tugend das [S] lieblichste sein kan. [...] ¶ [aq]§. II[/aq]. Nicht weniger nachdencklich ist bey uns Deutschen der Nahme Tichter/ und Tichtkunst/ vom tichten/ oder dichten/ welches entweder so viel heißt als/ etwas genau zusammen fügen/ daß es an einander bleibet/ oder einem Dinge scharff nachsinnen und genau nachdencken: In welchem Verstande die H. Schrifft saget/ daß das tichten und trachten des Menschen böse sey/ von Jugend auf. [aq]I[/aq]. B. Mos. [aq]VI. 5[/aq]. Syrach [aq]XVII. 30[/aq].'
'[aq]§. III[/aq]. Die Bild-Kunst eignet ihr ein Himmel-blaues Kleid zu/ damit man aus dem eußerlichen Zeichen ihre innerliche Eigenschafft beurtheilen könne. Keine Farbe stehet ihr besser an als diese/ weil sie ihrem ersten Ursprunge nach himmlisch ist/ und anfänglich zu dem Gottesdienst gebrauchet worden. Der gelehrte Holländer [aq]Anton. Rodorn. Scriekkius[/aq] sagt davon also: [aq]Divi-[/aq] [G: [aq]lib. I. adversar. Scal. l d.[/aq]] [aq]nam esse Poeticam antiqui & recentiores omnes crediderunt, & loquuntur. Metri originem suggestam afflatu divino, quod magnum mundum certâ ratione quasi metro dirigat, ipso vero videmus[/aq]. Und der [aq]Phoenix[/aq] unserer Zeit [aq]Casp. Barth[/aq]. meldet über die Worte [aq]Papiae: Theologi Poetae ideò dicebantur, quoniam de Diis carmina faciebant; Sane verò antiqua Theologia humana in[/aq] [G: [aq]V. m. Augustin. l. 6. de C. D. c. 5. p. m. 584[/aq].] [aq]literis Poeticis & mysteria Numinum introducta ab iisdem, ut exemplo Orphei vides apud Lactantium[/aq]. Ja auch nach dem Zeugnisse des allerberedesten unter den Römern/ [aq]Ciceronis[/aq], hat niemals ein Barbarisches und wildes Volck den Nahmen eines Poeten vernachtheiliget/ sondern sie sind allezeit hoch und heilig gehalten worden. Um welcher Ursache willen auch die alten Heyden vor gewiß und unfehlbar gegläubet: Es könte keiner sich mit dieser holdseligen Nymphen befreunden/ wenn ihn nicht die mildreiche Gunst des Himmels vor anderen Leuten [S] beglückseliget/ und seiner Natur eine sondere Fähigkeit eingepräget/ dadurch der Verstand erleuchtet/ und die Sinnen begeistert würden. Welches [aq]Socrates[/aq] andeuten wollen/ wenn er zu dem [aq]Jone[/aq] gesprochen: Wenn er (jo) von dem [aq]Homero[/aq] wohl reden wolte/ so könte ihm hierinn nicht so wohl die Kunst behülfflich seyn/ als eine Göttliche Gewalt/ die ihn bewegen müste; gleich als ein Magnetstein/ welcher nicht allein das Eisen an sich zeucht/ sondern auch demselben eine Ziehungs-Krafft/ mittheilet/ daß ein ander Eisen daran hangen bleibet/ eben als das vorige am Magnet. Als wolt er sagen; man sehe zwar/ daß von dem Magneten das Eisen angezogen würde/ aber die Ursache wäre unbekant: Solche Bewandniß hätte es auch mit der Poeterey/ die sich auf eine unerforschliche Weise in dieses oder jenes Natur befindet. ¶ [aq]§. IV[/aq]. Bey einem ieglichen/ der sich einer Kunst ergeben will/ werden nach Außage der Weltweisen/ dreyerley erfordert: Nemlich die Natur/ die Unterweisung und die Ubung In allen andern Wissenschafften können die zwo letzten Stücke viel verrichten/ In der Poesie aber wird nothwendig die natürliche Neigung vorangesetzet; Wohin des [aq]Ciceronis[/aq] Worte zielen: [aq]Sic à summis ho-[/aq] [G: [aq]Orat. pro Arch[/aq].] [aq]minibus eruditissimisque accepimus, coeterarum rerum studia & doctrinâ, & praeceptis & arte constare; Poetam naturâ ipsâ valere & mentis viribus excitari, & quasi divino Spiritu afflari[/aq]; Welchen [G: [aq]lib. 2[/aq].] nicht ungleich seind die in den [aq]Tusculani[/aq]schen Fragen gelesen werden: [aq]Mihi verò ne haec quidem notiora & illustriora carere vi divinâ videntur, ut ego aut Poetam grave plerumque carmen sine coelesti aliquo mentis instinctu, putem fundere & c[/aq]. Und [aq]Ovidius[/aq] hat frey heraus bekant: ¶ Es ist ein Gott in uns/ so bald sich der nur reget ¶ Brennt unser Geist auch an und wird mit ihm beweget.'
'[aq]§. VI[/aq]. Traun ohne die Kündigkeit vieler Wissenschafft/ kan iemand den Nahmen eines Poeten so unmüglich behaupten/ als ein Vogel ohne Flügel sich in die Lufft erheben; ¶ Es ist hie nicht genug die arme Rede zwingen/ ¶ [...][S][...][G: [aq]part. 2. ad D. Zincgrefium[/aq].][...] ¶ sang weiland der Schlesische [aq]Virgil[/aq]. Hr. Opitz.'
'[aq]§. VIII[/aq]. Ins gemein wird davor gehalten/ daß die Hirten-Lieder die ältesten unter allen Gedichten seyn; Andere hergegen wollen erhärten/ daß von den Wintzern oder Weinhäckern die ersten Gedichte gesungen worden/ dahin sie denn die Sprüche der Propheten ziehen. [aq]Jerem. XXIIX. 33. 45[/aq]. Der Creter wird nicht mehr sein Lied singen/ Und [aq]Esa. V. 1[/aq]. Ich will meinem Lieben ein Lied meines Vetters singen. Damit sie diese Meinung desto scheinbarer machen/ gebrauchen sie das Griechische Wörtlein [griech.], [aq]Carmen[/aq], und wollen es von dem Hebräischen [hebr.] [aq]vinea vel racemus[/aq] herführen. ¶ Dem sey nun wie ihm wolle/ so wird doch keiner leichtlich das undenckliche Alter der Poesie streitig machen können. Aus der H. Schrifft ist offenbahr/ daß schon zu Moses Zeiten die Lieder im Ge- [G: [aq]Alsted. Chronol. p. 485[/aq].] brauch gewesen/ gestaltsam er im zweytausend/ vier hundert und drey und funfzigsten Jahre der Welt/ als Pharao im Rothen Meer umgekommen/ GOtt mit einem schönen Loblied gedancket. [aq]Exod. XV[/aq]. Denckwürdig ist auch/ daß das Triumph-Lied der Israeliter über den erhaltenen Sieg von den Amoritern/ zwischen dem Fluß [aq]Arnon[/aq] und [aq]Jabock[/aq], [aq]Num. XXI. 27[/aq]. Von einem [aq]Chananaei[/aq]schen Poeten verfertiget worden. Der um die Grundsprachen Hochbelobte [aq]Buxtorfius[/aq] hat aus einem Alten [aq]Rabbinen Mosche Schem tobh[/aq] angemerckt/ daß auch zu [aq]Amasiae[/aq] des Jüdischen Königes Zeiten/ dessen [aq]2. Reg. XIV[/aq]. gedacht wird/ auf die Leichsteine in Reimen bestehende Grabschrifften eingehauen worden. Und führet auch etwas weniges zum Beyspiel an. [aq](a[/aq] [[aq]Tractat. de Prosodiâ Metricâ Thes. Grammat. annex. pag. 636[/aq].]) Der [S] Königliche Poet/ dessen Parnassus die Burg Zion gewesen/ hat sein gantzes Leben mit heiligen Liedern und Psalmen bezeichnet. Als er ein Hirtenknabe gewesen/ hat er den [aq]XXIII[/aq]. gedichtet/ vor Erlegung des Riesens [aq]Goliath. 1. Sam. XVII[/aq]. Den [aq]XX[/aq]. in seinem Elende [aq]I. Sam. XXII[/aq]. Wieder [aq]Doeg[/aq] den [aq]LII[/aq]. und CIX. Bey seinem Abschied von [aq]Nobe[/aq] den [aq]XXXIV. 1. Sam. XXV[/aq]. Wieder die Philister den [aq]LVI[/aq]. In der Höle Adullam den [aq]LVII[/aq]. zu [aq]Kegila, I. Sam. XXIII[/aq]. Den [aq]LV[/aq]. wieder die [aq]Siphiter, I. Sam. XXIII[/aq]. und [aq]XXVI[/aq]. Den [aq]XI[/aq]. und [aq]LIV[/aq]. In der Hölen/ den [aq]CXLII[/aq]. in seiner Regierung machet er den [aq]L[/aq]. und [aq]CI[/aq]. Als er die Bundeslade eingeholet/ [aq]2. Sam. VI[/aq]. Den [aq]CXVIII[/aq]. Als ihm Christus verheissen worden/ den [aq]LXXXIX[/aq]. und [aq]CX[/aq]. Seine Sieg-Lieder seind der [aq]XXI. XLVI. LX. LXIIX[/aq]. und [aq]LXXXIII[/aq], Psalm. Seine Buß- und Thränen-Lieder/ der [aq]III. IV. V[/aq]. und [aq]LI[/aq]. Seine Lob- und Danck-Lieder/ der [aq]XCIII[/aq]. und [aq]LXXI[/aq]. Daher der ZuchtLehrer Syrach mit Wahrheit von ihm gesagt: [aq]Cap. XLVII. 9[/aq]. Für ein iegliches Werck danckt er dem Heiligen/ dem Höchsten mit einem schönen Liede. Ich wil hie nicht weitleufftig gedencken/ daß des Davids wohlgerathener Sohn/ König Salomon tausend und fünf Lieder ertichtet: von dem gleichfals in der H. Schrifft [aq]I[/aq]. Kön. [aq]IV[/aq]. 32. zu lesen ist. Daraus gar wohl zu schliessen/ daß die Poeterey schon dazumahl im Flor gewesen/ und lange zuvor den Leuten ist bekant worden. ¶ [aq]§. IX[/aq]. Von den Hebräern und Chaldäern schreiten wir zu ihren Gräntz-Nachbarn/ den Arabern und Persern;'
'[aq]§. XIII[/aq]. Der Gebrauch der Edlen Poeterey bestehet entweder in Geistlichen oder in Weltlichen Sachen. Anfänglich ist der wahre Gott damit geehret worden/ Als aber die Heyden ihnen nach ihrem eigenen Wahn gewisse Götzen erdacht/ welches [G: [aq]vid. supr. §. 3[/aq].] aus Unwissenheit etlicher Sachen/ woher dieses oder jenes seinen Ursprung hätte/ geschehen/ haben sie denen erwehlten Göttern solche ihnen verborgene Kräffte zugeschrieben/ und sie mit Lobgesängen erhoben. In welchem Dienste sie noch mehr bekräftiget worden/ als ihnen der Teuffel durch die Götzenbilder geantwortet/ und auf ihre Fragen Bescheid gegeben. Einem ieden Abgott waren eigene Lieder zugeeignet/ aus welchen etliche der alte Kirchenlehrer [aq]Theodoretus Serm. 4. ad Graecos infideles[/aq] anzeucht: [aq]Ne cantemus Julum Cereri, neque ipsi Rheae Lityersam, ne Bacho Dithyrambum, ne Paeana Pythio Apollini, neve Dianae concinamus Hipoesiam, sed rerum omnium conditori Deo hymnos Davidicos proferamus. Conf. Scalig. lib. 1. Poet. c. 44. Athen. lib. 8. c. 13. Jamblich. de Myster. Aegypt. Sect. 3. cap. 9. Coel. Rhodigin. lib. 9. cap. 8. Antiq. Lect[/aq].'
'Solcher Meinung nennet [aq]Posi-[/aq] [G: [aq]apud Laert. in Zenone.[/aq]] [aq]donius[/aq] die Poeterey/ eine auf etwas deutende Ertichtung/ welche die Nachahmung Göttlicher und Menschlicher Sachen in sich begreifft.'
'[aq]XVI[/aq]. Aber lasset uns ein wenig weiter gehen/ und den vorigen Zustand der Poeterey mit dem heutigen in etwas genauer überlegen: Vorzeiten ward diese keusche Jungfrau in großen Ehren gehalten/ und von allerhand Stands-Personen bedienet. Da schämeten sich nicht die klügsten Leute/ die durch das Orakel zu Delphos vor weise ausgeruffen worden/ mit ihr Gemeinschafft zu halten. Ich will nicht von dem [aq]Orpheus, Linus, Musaeus, Thales, Cleobulus, Pittacus, Periander, Chilo, Bias, Socrates, Plato[/aq], und [aq]Aristoteles[/aq] weitläufftig melden/ wie sie so wohl die Poeterey geliebet/ als auch viel darinnen verrichtet. Von dem letzten wird gelesen/ daß er mehr als fünff undn viertzig tausend Gedichte verfer- [[aq]Vid. Alexand. Donatus, Instit. Poëtic. lib. I. p. 36[/aq].] tiget; worinn ihm der berühmte Sternkündiger [aq]Zoroaster[/aq], der [aq]Bactrianer[/aq] König vorgegangen/ als der nach [aq]Plinii[/aq] Bericht im [aq]30[/aq]. Buch [aq]cap. I[/aq]. zwantzig mahl hundert tausend Vers von der [aq]Philosophie[/aq] soll gemachet haben. [aq]Conf. Augustin. de Civ. D. lib. XXI. p.m. 981. T. 2[/aq]. Was bey den Römern darauf gehalten worden/ ist fast unnöthig zuerzehlen; [aq]Varro[/aq] hat dadurch nicht den geringsten Preiß verdienet. Ja Käyser/ Fürsten und andere vornehme Herren/ haben ihre Würde durch den unverwelcklichen Lorbeer-Krantz viel herrlicher und scheinbarer gemachet. Was [aq]Augustus, Tiberius, Germanicus, Claudius, Nero[/aq] und andere nach ihm/ dieser Kunst zu Ehren gethan/ ist der beständigen Unvergessenheit [S] längst einverleibet. Was soll ich von den alten Kirchenlehrern sagen/ unter denen die niemals genug gelobte Poeterey/ als in einem köstlichen Pallast gewohnet? [aq]Cyprianus, Hilarius, Ambrosius, Fulgentius, Nazianzenus, Juvenculus, Venantius, Licentius, Sedulius, Prudentius, Paulinus[/aq] u.a.m. haben ingesamt allerhand schöne Poetische Schrifften hinterlassen/ und werden mit höchster Beliebung auch auf den heutigen Tag durchgesuchet. Diese aber wird nach Hochverständiger Leute Gutdüncken keiner zur Gnüge verstehen/ wo er nicht von der lieblichen Poeterey eine Wissenschafft und Vorschmack hat. Dannenher es auch keinem [aq]Studioso Theologiae[/aq] zur Schande oder Schaden gereichet/ daß er diese Kunst in einer und andern Sprache verstehet/ wie etliche frühzeitige Klüglinge meinen; sondern es ist vielmehr nöthig/ daß der jenige/ so einmahl der Kirchen Gottes mit Nutzen vorzustehen gedencket/ nebst den Grundsprachen auch auf die Deutsche Muttersprache acht habe/ und darin ein geschickliches Lied aufsetzen lerne. Man bläuet sich viel Jahre/ voran im Griechischen/ ein wenig weiter im Lateinischen/ endlich aber ist es unsere Deutsche Sprache/ davon man sich ernähret/ und die so wohl den Geistlichen/ als Weltlichen/ ihr Brodt verdienen muß/ und gleichwohl ist man so wenig darum bekümmert. Schreibet der Edle Hr. [aq]Schottelius[/aq] in seiner SprachKunst/ in der ersten Lobrede. Ein Hocherleuchteter Lehrer der H. Schrifft zu Straßburg/ hat gar verständog gerathen/ Es soll ein ieglicher/ der zu Kirchen-Diensten befördert werden will/ zu seiner erbaulichen Ergetzlichkeit deutsche Poeten lesen/ und ein Gedicht zu Papier bringen lernen: Weil man dadurch zierlich und beweglich reden/ eine Sache mit dringenden Worten vorbringen/ und zu Erweckung brünstoger Andacht/ nach Begebenheit auch ein Geistliches Lied werde verabfassen können. (Harsdorff im Sendschreiben vor die Welt- Feld- und Garten-Betrachtungen.) Auf gleichen Zweck zielet auch die Vermahnung des [aq]Laurentu à Villa Vincentio[/aq], (welcher sich sonsten nicht gescheuet/ fast sein gantzes Buch aus des [aq]Andreae Hyperu[/aq] zu schreiben/ ohne daß er was weniges geendert/ wie [aq]Enoch[/aq] [S] [aq]Hannman[/aq] über [aq]Opitii Prosodie[/aq] errinert am [aq]125[/aq]. Blat) an die Prediger/ wenn er sie zu Ausübung der reinen Muttersprach reitzet [aq]lib. 3. de Ratione Stud. Theolog. c. 8. p. 429. Nam quò quis sermonis patrii est peritior, & in eodem disertior, eò judicatur ad docendum populum magis idoneus. Ac decet omninò concionatorem aliquid supra vulgus praestare in Sermonis patrii munditie ac puritate: Et non modò verbis quibusdam elegantibus & acquisitis, verùm etiam copiâ eorundem locupletatum prodire. Puritatem sermonis patrii non haurias, nisi vel ex convictu familiari eorum, qui tersissimè & nitidissimè illum sonant, vel ex libris commendatissimâ dialecto editis: qualis multorum judicio censetur in Italiâ dialectus Tuscanica: in Galliâ Turonesis: in Germaniâ Misnensis, in Britanniâ Londinensis[/aq]. Dannenher der Seel. Herr [aq]Lutherus[/aq] sich so sehr um die Reinigkeit der Teutschen Sprache bemühet/ daß er billich von fremden [aq]Nationen[/aq] gelobet wird.'
'WEil die Poeterey so wol weltliche als Göttliche Sachen in sich begreifft/ wie im Anfang des vorhergehenden [aq]3[/aq]. Cap angedeutet/ mag sie mit Recht und Ehren eine Aeltere [aq]Philosophia[/aq] genennet werden: wie sie denn auch der vornehme [aq]Platonist/ Maximus Tyrius sermon. 6. p. m. 57. adde Lipsii Manuduct. ad Philosophiam Stoicam lib. I Dissertat. 7[/aq]. mit diesem Titel beleget. Sintemal sie dem Alter nach/ nicht alleine den Geschichtschreibern/ sondern allen andern Scribenten vorgehet. Und seyn die Poeten/ ehe der Name [aq]Sophia[/aq], oder [aq]Philosophia[/aq] aufkommen/ vor weise Leute geschätzet worden. [aq]Plato[/aq] heisset sie der Weisheit Väter und Erhalter; weil sie zuerst in [G: Sihe den Eingang c. 2. [aq]§. 6[/aq].] dem guten Wandel und löblichen Sitten die Leute unterrichtet: als die [aq]Druides[/aq] bey den alten [aq]Celtis[/aq]; bey den [aq]Thraciern Zamolxis[/aq] und [aq]Orpheus[/aq]; bey den Griechen [aq]Musaeus[/aq] und [aq]Linus[/aq]. Welche alle zu ihren Zeiten berühmte Poeten gewesen. Von dem [aq]Orpheus[/aq] findet man bey den [aq]Autoren[/aq] unterschiedliche Meinungen/ die ich hie mit stillschweigen nicht vorüber gehen kan. Aus dem [aq]Aristotele[/aq] meldet [aq]Cicero lib. I. de naturâ Deorum[/aq], daß er gemeinet/ es hätte niemals derselbe [aq]Orpheus[/aq], von dem bey den Poeten so viel gelesen wird/ gelebet. Andere wollen nicht zugeben/ daß er weise und gelehrt gewesen sey/ wie [aq]AElianus lib. VIII. Histor. Var. cap. VI[/aq]. aus [aq]Androtione[/aq] mit folgenden Worten anführet. [aq]Ajunt, neminem antiquorum Thracum novisse literas. Imò, quotquot barbarorum Europam inhabitant, turpissimum duxerunt literis uti. At qui in Asiâ sunt, magis, ut fama est, iis sunt usi. Unde est, quod dicere audent[/aq], [S][aq]ne Orpheum quidem fuisse sapientem, quia Thrax fuerit, sed alios ejus fabulas ementitos[/aq]. Hingegen hält ihn [aq]Lactantius Instit. Divin. lib. I. cap. V[/aq]. vor den ältesten Poeten. [aq]Teodoretus[/aq] meldet aq[]Serm. 2[/aq]. [griech.]. daß er noch vor dem Trojanischen Kriege gelebet. [aq]Augustin. lib. XVIII. cap. XIV. de civit. Dei[/aq] gedencket so wol seiner/ als des [aq]Lini[/aq] und [aq]Musaei[/aq] mit folgenden Worten: [aq]Per idem temporis intervallum (quô Haebraeis judices praeesse coeperunt, ut praecedenti capite XIII. innuit) exstiterunt Poëtae, qui etiam Theologi dicerentur, quoniam de Diis carmina faciebant, &c. Ex quorum numero fuisse perhibentur Orpheus, Musaeus, Linus. Verùm isti Theologi Deos coluerunt, non pro Diis culti sunt. Idem capite XXIV. ejusdem libri scribit: Eodem Romulo regnante Thales Milesius fuisse perhibetur, unus è septem Sapientibus, qui post Theologos Poëtas, in quibus Orpheus maximè omnium nobilitatus est, Sophi appellati sunt, quod est Latinê Sapientes. Confer. Justin. Martyr. Orat. ad Gentes[/aq].'
'[aq]§. XI[/aq]. Aber wenn wier gleich alle [aq]Fabeln[/aq], so von Natürlichen [G: [aq]Masen. cap. 5[/aq].] Dingen und der SittenLehr handeln/ beyseit setzen und paßiren lassen/ so bleibet dennoch ein nicht geringer Scrupel und Zweiffel übrig/ ob man zulassen soll was von den Göttern gedichtet worden? Es ist unleugbar/ daß die Alten um dem gemeinen Mann ihre Geheimnisse der Lehren zu verbergen/ gleich einem köstlichen Schatz in die Erde/ unter die Fabeln verstecket haben. [aq]Solebant Poetae fabulis quasi nubeculis quibusdam sua & mysteria & praecepta Philosophiae naturalis & moralis operire atque involvere: sicut Medicus acerbiora Pharmaca exhibiturus prius oras pocula circum conspergit mellis dulcis flavoque liquore[/aq]. schreibt mein hoch-geehrter Patron Hr. von Birken [aq]in Monumento Dom. August. Sacr. Teuton. praefix. §. 37[/aq]. Nichts desto weniger ist übel und unrecht gethan/ daß ihrer viel von den Göttern als von groben Säuen geredet/ wie [aq]Scaliger l. 4. c. 1. Poet. p. m. 414[/aq]. klaget. Imgleichen [aq]Tertullian. adversus gentes c. 14[/aq]. Es sey nicht leicht einer unter den alten Poeten gefunden [S] worden/ der nicht die Götter solte beschimpffet haben. [aq]Etsi fabula cantat crimen Numinum falsum, delectari tamen falso crimine, crimen est, urtheilet gar wohl Augustinus lib. IX. de C. D. cap. 12. p. 556[/aq]. Ja selbst der Heyden eigene Zeugnisse seind dawieder/ und bestraffen sie deshalben/ wie bey dem [aq]Isocrate[/aq] in [aq]Busiride[/aq] zuvernehmen. [aq]Pythagoras[/aq] soll gesagt haben/ daß [aq]Homerus[/aq] in der Hölle gemartert würde/ weil er so viel schändliche [aq]Fabeln[/aq] in seine Gedichte gesetzet; [aq]Dionys. Longin[/aq]. [griech.] spricht von ihm. Er hätte aus den Göttern Menschen gemacht/ weil er ihnen so viel Laster und Schand-thaten angedichtet; und die Sternen unter unzüchti- [G: [aq]lib. 10. de Rep. & Dial. a[/aq]. [?] [aq]f. 581[/aq]] ge Bildnisse verhüllet. Dieser Ursache wegen hat [aq]Plato[/aq] weder den [aq]Homerum[/aq] noch andere/ die ebenmäßige Freyheit der Schmachsüchtigen Feder gestattet/ im Stadwesen dulden wollen/ da er doch sonsten den [aq]Poeten[/aq] nicht hat abgeneigt seyn können/ wo er sich selbst nicht hätte zu bestraffen gesuchet/ alldieweil er ein guter [aq]Poet[/aq] mit gewesen/ wie [aq]Jul. Caes. Scaliger apicular. part. I. p. 13[/aq]. andeutet. [aq]Dion. Chrysostom. orat. 53[/aq]. schreibt von des [aq]Platonis[/aq] Gesetz also: [aq]Plato Homerum reprehendit in fabulosis sermonibus de Diis, ut qui nequaquam hominibus conducentia ea dixerit, nempe cupiditates, & mutuas insidias & adulteria & contentiones, litesque de Diis recitans: undè noluit eum participem esse civitatis Reipublicaeque suae sapientis, ut ipse putabat, futurae, ne haec audirent de Diis Juvenes. Conf. Theodoret. lib. 2. de curat. Graec. affect. Euseb. lib. 13. de praeparat. Evang. cap. 1. & 2. Athenaeus lib. 2. Max. Tyrius Serm. 7[/aq]. Das ärgeste ist/ daß sie allerhand Ubelthäter mit unter die Götter gezehlet. Worüber auch [aq]Nazianzenus[/aq] mit diesen Versen geeyfert: ¶ [aq]Nunc Graeci fingunt, quorum vaesania Divos[/aq] ¶ [...] ¶ [G: Verthäd. der Kunstliebenden 2. Theil [aq]p. 200[/aq].] [aq]Jupiter[/aq]-Jungfrau-Raub hatte nicht gnugsam an des Tages Licht kommen können/ da man solchen nicht unter die Sterne gesetzt hät- [S] te. Es wäre nicht genug gewest/ daß man sie in Marmel ausgehauen/ in Metall gegossen/ in die Gemähle gesetzet/ und in offentlichen Freuden-Spielen dargestellet hätte/ wenn man ihnen nicht noch dazu den Himmel zu einem Schauplatz einräumete/ die Sternen durch sie abbildete/ und die gantze Welt zum Beschau einladete. Deßwegen hat die Königin [aq]Dido[/aq] von ihrer eigenen Person bey [aq]Ausonio[/aq] den Leser gewarnet/ daß er nicht alles/ was bey Poeten von ihr gemeldet wäre/ gläuben solte/ wenn sie also heraus gebrachen: ¶ [aq]Vos magis Historicis lectores credite de me[/aq] [G: [aq]Epigramm. III[/aq].] ¶ [...] ¶ Was von mier Geschichte melden könnt ihr Leser besser gläuben/ ¶ [...] ¶ [aq]§. XII[/aq]. Etliche wollen zwar die Poeten hierin entschuldigen/ vorgebend/ sie hätten die Götter nicht nach ihrem Wesen beschrieben/ sondern nur nach dem gemeinen Wahn des Pöfels/ den er von ihnen geschöpffet. Daß sie aber so viel Götter ertichtet/ davon giebt [aq]Cicer. lib. 2. de Natur. Deor[/aq]. den Bescheid: [aq]Suscepit vita hominum consuetudoque communis, ut beneficiis excellentes viros in Coelum famâ, ac voluntate tollerent. Hinc Hercules, hinc Castor & Pollux, hinc Aesculapius[/aq]. Wenn von dem [aq]Jupiter[/aq] geredet wird/ [G: [aq]Voss. lib. I. de Idololatr. cap. 14. p. 110[/aq].] so ist zu wissen/ daß die Alten ihre Fürsten und Könige mit diesem Nahmen beehret/ weil sie über alle eine Gewalt/ und also gleichsam was Göttliches an sich hatten. [...] Andere meinen/ man müß einen Unterscheid halten/ unter denen Sachen die sich in Wahrheit begeben/ und de-[S]nen die Poeten/ also zu reden/ ein Färbchen angestrichen/ welches [G: [aq]Lib. de Fals. Religion. cap. XI. p. m. 27[/aq].] auch [aq]Lactantius[/aq] erinnert/ wenn er von dem [aq]Jupiter[/aq] und der [aq]Danae[/aq] schreibet: [aq]Danaen violaturus Jupiter aureos nummos largiter in ejus sinum infudit. Haec stupri merces fuit. At Poetae, qui quasi de Deo loquebantur, ne auctoritatem creditae majestatis infringerent, finxerunt ipsum in aureo imbre delapsum, câdem figurâ, quâ imbres ferreos dicunt, cum multitudinem telorum sagittarumque describunt. Rapuisse in aquila dicitur Catamitum. Poeticus color est. Sed aut per legionem rapuit, cujus insigne aquila est; aut navis, in quâ est impositus, tutelam habuit in aquila figuratam: sicut taurum, cum rapuit & transvexit Europam. Eodem modò convertisse in bovem traditur Io, Inachi filiam, quae ut iram Junonis effugeret, ut erat jam setis obsita, jambos tranâsse dicitur mare, in Aegyptumque venisse at´que ibi receptâ pristina formâ Dea facta, quae nunc Isis vocatur, &c. Non res ipsas gestas finxerunt Poetae, sed rebus gestis addiderunt quendam colorem: cum Poetae officium sit in eo, ut ea, quae gesta sunt verè, in aliquas species obliquis figurationibus cum decore aliquo conversa traducat[/aq]. ¶ [aq]§. XIII[/aq]. Dem sey nun wie ihm wolle/ und ob gleich etliche Außlegungen zu den nachtheiligen Fabeln gemacht würden/ so ist doch gewiß/ daß dadurch die guten und erbaren Sitten untertretten/ und die züchtigen Gemüther geärgert werden/ deßwegen man sie gantz nicht billigen kan. Zu dem Ende ermahnen auch verständige Leute/ daß Christliche Poeten so viel als müglich dieselbe Getichte/ darinnen schandbare Possen enthalten/ mit Fleiße fliehen/ und in ihren Schrifften sich der Heidnischen Abgötterey nicht gebrauchen sollen. Denn es ist fast unverantwortlich/ daß ein Christ/ der den wahren Gott aus seinem Wort und mannichfaltigen Wunderwercken erkennet/ die ärgerliche Götzen in seinem Munde oder Feder führet/ und unter geistliche Sachen vermänget/ nicht anders als wenn ein Heyde in seinem blinden Wahn von den Göttern und Göttinnen schwärmete. Pfui des Teufflischen Wesens/ saget mein HöstchgeEhrter Hr. Rist im Vorbericht seines Schauplatzes/ und der mehr als Heydnischen Blindheit/ daß [S] ihr/ die ihr euch der wahren Erkäntniß Christi rühmet/ so gar nicht schämet der elenden Heyden-Götter/ welche ihrer Alten Lehrer und Mährlein-schreiber selbst-eigenem Bekäntniß nach/ Hurer/ Ehebrecher/ Diebe und Räuber/ ja gar leibhaffte Teuffel gewesen/ so andächtig anzuruffen/ und so meisterlich heraus zu streichen. Träget aber iemand sonderlich Belieben zu den Alten Poeten/ und begehret etwas daraus zu nehmen/ der sehe wohl zu/ daß er nicht gleichsam mit heißhungerigem Magen alles was ihm vorkommt/ zu sich nehme/ sondern mit Bedachtsamkeit auslese was ihm dienet/ und nicht gar zu schwer verdauen fällt/ damit er keinen Schaden davon tragen dörffe. Er soll es nach [aq]Augustini[/aq] [G: [aq]de Doctrin. Christian[/aq].] Ermahnung anfangen/ wie die Israeliter mit den Egyptern thaten/ da sie die güldene Geschirre aber nicht die Götzen/ ob sie schon gülden waren/ mit sich genommen haben. Er kan die Sichel seines Verstandes auf der Alten Poeten Wetzstein schleiffen/ doch darff er nicht eine Aerndte von diesen Feldern ohne einiges Bedencken anstellen/ damit er nicht statt des Getreides lauter Unkraut/ und vor die Mühe Verdrüßlichkeit einsamle.'
'Liebhold. Meine höchstgeehrte Jungfrau saget wohl recht/ daß die göttliche Dichtkunst die höchste zier eines gelehrten Jünglinges sei.'
'[M., J.T.] Dan wil ein Dichtmeister von Geist-und Göttlichen sachen schreiben; so mus er ein Gottsgelehrter sein. Wil oder sol er/ durch seine feder/ etwan die Rechte/ und derselben an-[S]hang / die Stahtsgeschäfte/ nur ein wenig berühren/ wie oft fürfället/ wan eine Rechts- oder Stahtssache sol erörtert werden; so mus ihm des zweifachen Rechtes heiligtuhm samt der Stahtskunde/ wohl bekant sein.'
'M. Ich wil auch ihnen ihre freiheit nicht misgönnen/ viel weniger entwenden: aber wan sie solcher [S] misbrauchen/ und ihre untugenden damit guht machen wollen; so seind sie fürwahr unwürdig/ daß ihnen der Himmel das hohe heilige recht gleichsam ausgeantwortet/ von allen sterblichen/ ja von den Göttern der Erde selbst/ guhtes und böses/ tugend und untugend der nachwelt zu vermelden'
'UM GOtt/ Kunst und die Tugendhafften nach Vermögen zu ehren/ und meine andere Studien zu ver-fassen habe ich die Feder zu diesen Sachen angesezzet; und weil ihrer viel andere Ergözzungen suchen und ihre Zeit dadurch verkürzen wollen / auch solche nicht selten mit Gefahr grosser Beschimpfung verüben/ habe ich gedacht/ stat eines solchen Nebenwerks mich der göttlichen Dichtkunst zubedienen. Und ob gleich etliche sagen/ daß solche sich mit denen / so der Gottes Lehre obliegen/ nicht befreunden könte/ massen es gleiche Fügniß hätte/ als wenn man Greiffe zu denen Pferden spannen wolte/ wie H. D. Dannhawer mit solchen Worten derer obgedachten Irrtuhm erzehlet; So weis doch iedweder/ so Verstand hat/ daß solches weit vom Ziel der Warheit abgehe. Denn ich wil hier nicht anführen / daß GOTT selbsten die Dichtkunst geehret / in dem er (nach etlicher Ausleger Meinung/ wie der Ehrw. [aq]Beda[/aq] in der Erkl. [S] des 45. Ps. des schönen Gedichts/ auf die Vermählung des HErrn JEsu mit seiner Kirchen/ [aq]p.m.[/aq] 528. schreibet) also singet: [aq]Ebullit cor meum (rem) verbum bonum[/aq]; alwo zwar durch das [aq]ebullire[/aq], von etlichen verstanden wird die [aq]ineffabilis generatio[/aq], und durch das [aq]Cor meum[/aq], die [aq]intima substantia DEI, quâ occultus est quicquid est[/aq]; so hat doch solche Worte H. Lutherus gegeben/ mein Herz dichtet ein feines Lied; Dieses sag ich/ wil ich aniezt übergehen/ und nur das erwehnen/ wenn der obgenennten irrenden Sazz auf festem Grunde bestehen solte/ so hätte Moses nicht singen dürffen/ der sinnreicheste Orfeus auf Sion/ David hätte auch seine Lauten und Dicht-Kunst hinlegen müssen/ Salomo hätte das herrlichste und vortrefflichste Lied/ wie es [aq]Münsterus[/aq], das geistliche Gedicht/ wie es [aq]Glasius[/aq], das [aq]Carmen Spirituale Bucolicum[/aq], wie es der S. Gerhard nennet/ das hohe Lied/ von der Liebe des Himmelischen Bräutgams und seiner Braut der Kirchen/ in den Weingärten Engaddi unter den schönsten Palmen und wolriechenden Balsambaumen nicht dichten/ und über die 1005. Lieder/ (1. König 4.) nicht 500. Bücher voll Gesange/ wie Josephus 8. B. 2. Cap. bezeuget/ schreiben/ und der rechtgläubigen Kirchen hellflammende Liechter/ Lutherus/ Selnekker/ Bekker und andere hätten ihre Lieder-Schreib-Feder nicht ansezzen dürffen. Und zu dem/ wer wolte sagen/ daß es Gott mißfiele/ wenn man ihn lobte/ wer lobet aber GOtt mehr/ als ein Dichter / wie Herr Rist singt: ¶ Wenn lobet GOtt ein reiner Mund? ¶ Wer ehret ihn aus Herzen-Grund? ¶ Ich mein/ es thuns Poeten. ¶ Wer singet GOtt ein Liedelein? ¶ Ich sage/ daß es Dichter seyn. ¶ Wer wolte doch sagen/ daß die übel thäten/ welche mit Dichten die teutsche Mutter Sprache wo nicht vermehren/ doch auch nicht vermindern/ und durch dz Lobgetöne der aufrichtigen Zungen/ und mit warhafftiger Feder die [S] Tugendhafften also bebalsamiren/ daß sie in undenklich Jahre hinaus/ auch ob gleich entseelet/ einen lieblichen Geruch behalten können?'
'Aber das Außhöhnen/ welches alle Künste leiden müssen/ achtet ein Liebhaber der Tugend so wenig/ als jener [aq]Philosophus[/aq], welcher/ als man sagte/ es lachten ihn die Leute wegen seiner Gelehrsamkeit aus/ sprach; [aq]rident me illi, & illos rident asini[/aq], nach Aussagen des [aq]Hugonis d. S. Victore l. 3. erudit. Didasc. c. 15. p. 15[/aq]. Ein Tugendhaffter/ sage ich/ achtet solches wenig/ in dem ihm über dieß wol bewust/ daß die Poesis, wie [aq]Cherus[/aq] im Ersten Teil der zusammen gedrukten Holländischen Poeten sagt/ [aq]rerum divinarum humanarumqve quinta essentia[/aq], oder/ wie [aq]A. S. Minturnus[/aq] in seinem Buch vom Poeten p. 18 spricht/ daß sie sey [aq]Oceanus omnium disciplinarum[/aq], [S] [aq]qvò illæ, ut inde ortum habuerunt, ita confluunt[/aq]; Er giebt auf die Verhönung nichts/ weil er weis/ daß ihr Ursprung Göttlich sey; Dann [aq]Poëtica elocutio à Scripturis sumsit exordium[/aq]/ nach dem Zeugniß des [aq]Cassiodori[/aq] über die Psalmen; Wie dieses Herr [aq]D. Bakius n Prolegomenis[/aq] seines erklärten Psalters weitläuftiger ausführet. Und ob gleich die Heiden was darzu gethan/ hat sie uns doch nebst der beweglichen Beredsamkeit wieder werden müssen: Dann wie die Israeliten das Gold denen Egyptier abnahmen; also haben wir Christen auch diese zwey edle Künste denen Heyden wieder entwendet/ und zu unserm Christlichen Gebrauch angewendet wie diese Redens-Art nachdenklich gelesen wird in [aq]I. Canon. can. 7. distinct. 37[/aq]. Dannenhero schleust ein Verständiger/ ie höher Ursprung der Tichtkunst/ ie wol anständiger sie auch allen Zierlich-gelährten sey.'
'Wie zierlich und nützlich ist sie [die Tichtkunst, J.T.] einem Gottesgelehrten? Was kan der durch ein Geistliches Lied einem betrübten Menschen vor Trost und Freude von GOtt und der Seeligkeit machen? Da man geht in vollen Sprüngen/ wenn man GOTTES Wort hört singen/ wie hierinnen der Seel. [aq]Luthierus[/aq] und der wolgeprüfete [aq]Paul Gerhardi, D. Müller[/aq] und [aq]D. Olerarius[/aq] bewehrte Meister seyn. Kein schlechtes Gebet beweget so sehr/ als dasjenige/ so in Reimen gefasset ist/ welches auch der Heyde gewust / wann er gesagt. [aq]Carmine dii superi placantur, carmine Manes[/aq].'
'so geht doch solches nur dahin/ daß man sich nicht einzig und allein drauflegen und eine Profeßion daraus machen solle/ und leßt es zu/ daß ein verständiger David/ ein kluger Salomo ein gelährter [aq]Carolus Magnus[/aq] (a. [[aq]Gryphiand[/aq]. Weichbild [aq]c. 5. p. 10[/aq]]) ein verständiger [aq]Alphonsus[/aq], (b. [[aq]Buchanan. l. 10. rer. Scot. p.m. 372.[/aq]]) ein erfahrner [aq]Jacobus[/aq] in Engeland/ einen Vers mache/ und nicht aus Dürfftigkeit/ sondern zur Lust und Gemühts Ergözzlichkeit sich des Tichtens bediene/ und etwann ein geistlich Lied wie vor diesem [aq]Wilhel. IV. D. Sax[/aq]. Das Lied GOTT der du hast Friede gegeben/ dem Himmel zu Ehren aufsezze/ oder sonst was Zierliches zur Ergezzung verfertige.'
'[Frontispiz]'
'Daß Jacob der Patriarch/ Moses der Fürst und David der König in Israel/ zugleich Hirten und HimmelsDichtere [S] gewesen/ ligt von diesen beiden am tag/ und ist von jenem zu mutmaßen. Sie sangen anfangs/ (schreibt der Edle Scaliger (a [[aq]de re Poët[/aq].])/ der dieser meinung zustimmet) gekrönt mit Blumen und Grün zweigen/ unter schattichten Bäumen stehend/ lehnend oder sitzend/ oder mit der Heerde fortspazirend/ den Schäferstab in der Hand/ und die Hirtentasche/ darinn Brod und Wein/ am Leib tragend. Arcadien und Sicilien/ sind bei den Griecheu/ von solchen gelehrten Hirten berühmte Landschaften. ¶ Es scheinet/ die Zeit/ die nun bald in die Ewigkeit sol verwandlet werden/ kehre mit ihrem Ende/ wie eine in Zirkel [S] geschlungene Schlange/ in ihren Ursprung zurücke. Sie höret auf mit diesem Thun/ wie sie angefangen/ und macht ihre jetzige Poeten zu Schäfern.'
'Aber der Erfolg zeiget bisher/ in vielen herrlichen Geistgeburten/ daß aus diesen Blumen viel Früchte/ zur Ehre des Himmels/ zur Tugend-Lehre/ und zu Mehrung Teutscher Sprache und DichtKunst Aufnahme/ hervor-erwachsen.'
'Und daher/ glaubt man nicht ohne Warheit-schein/ hat Jubal anlaß genommen/ wie das Buch der Schöpfung von ihm berichtet/ Geigen zu erfinden/ und aus Rohren/ darein der Wind gepfiffen/ ihme Pfeifen zu schneiden. ¶ 2 Plutarchus nennet die Musik/ eine Göttliche Erfindung: (a [griech.]) gleich als wäre sie/ durch die himmlische Heerschaaren/ die Gott ohn unterlaß lobsingen/ als ein Vorschmack des Himmels/ auf Erden herab gebracht worden/ damit die Menschen etwas hätten/ womit sie ihr [S] Elend trösten mögen. Indem nun/ des Jubals und Jabals Schüler und Schäferei-genoßen/ also aufspielten und sangen/ ward ihre Schwester/ die schöne Naema/ samit ihren Gespielinen damit herzu gelocket: die dann einen Reihen schlossen/ und nach dem Thon ihrer Seiten- und Pfeifenspiele gedanzet. Als nun selbige Feld-Musikanten in diese Dänzerinnen sich verliebet/ wurden sie veranlaßet/ Liebesklagen zu verfassen und in das Seitenspiel zu singen. Und solcher gestalt hat/ die Liebe/ zu erfindung der Poesy/ den ersten anlaß gegeben. So ein Liebgedichte sol vor alters die Erifanis dem Menalcas/ einem berühmten Jäger/ gemacht und gesungen haben. ¶ 3 Dieses thäten die Cainiten. Löblicher aber verfuhren/ die von der Kirche der Erzvätter. Adam/ der Fürst und Vatter unter denselben/ hat ohnezweifel/ mit seiner Eva im Paradeis unter dem Baum des Lebens/ GOtt ihrem Schöp-[S]fer Lob-gesungen. Nachmals/ wann diese heil. Vätter im Grünen lagen/ hatten sie ihre Gedanken zu Gott/ schwebten damit im Himmel/ den sie über und vor sich sahen/ betrachteten in den Geschöpfen den Schöpfer/ auch an der Sternenburg den Ursprung ihrer Seelen/ und/ an stat der eitlen irdischen Liebe raum zu geben/ dichteten sie Lieder zur Ehre GOttes/ und sungen solche bei Verrichtung des Gottesdienstes/ oder ließen sonst Gesänger voll Tugendlehren erklingen. Diß geschahe/ wie zu vermuhten ist/ in der ersten Welt vor der Sündflut: da man ja nicht in der Beehrung GOttes wird gefeiret haben/ sonderlich in des Henochs Schule/ der ein Göttliches Leben geführet. ¶ 4 Nach der Sündflut/ ist/ vor Mose Zeiten/ keiner Poesy oder einiges Lieds gedacht worden: außer daß sich vermuten lässet/ Noah werde/ nach der Sündflut/ beim Opfer/ ein Lob- und Danklied GOtt zu Ehren gesungen/ und [S] der Schäfer Jacob/ zu Haran in Mesopotamien/ auf der Weide bei den Heerden/ seiner schönen Rahel/ die er innigst geliebet und 14 Jahre um sie gedienet/ manches HirtenLied gedichtet haben. Er wohnte nachmals bei den Thurn Eder/ ([aq]a[/aq] [Gen. 23. V. 21]) nahe bei Betlehem/ welcher Ort ohnezweifel von ihm und seiner SchafeTrift/ diesen Namen (Heerde) bekommen: und wird er daselbst seinem GOtte/ der ihn beschirmet und gesegnet/ manches DankLied gesungen haben. Daß aber die Hebreer/ und andre Völker in den Morgenlanden/ Poeten gewesen/ erscheinet aus den vielen in Heil. Schrift aufgeschriebenen Liedern und Psalmen/ wie auch aus des Lügen-Profetens Mahumed Alcoran/ welcher in lauter/ wiewol übel-abgemessenen/ Reimzeilen bestehet: aus welchem letzern abzunehmen ist/ daß die Poeterey bei den Arabern/ der Ebreer Nachbaren/ sehr üblich müße gewesen seyn. [S] ¶ 5 Im Jahr der Welt 2415 ungefähr 800 Jahre nach der Sündflut/ lebte mit 40 Jahren der Poet und Profet Mose/ und wohnte ebensoviel Jahre im Land Midian/ bei einem Brunnen/ dahin er aus Egypten geflohen ware: und daselbst hütetete er der Schafe Jethro/ des Priesters in Midian/ der ihm eine von seeinen sieben Töchtern zum Weibe gegeben. Mit diesen sieben Schäferinnen/ insonderheit mit seiner lieben Zipora/ wird Moses sich oft im Singen auf dem Feld ergetzet haben ([aq]b[/aq] [Ex. 2. V. 15/16/24. C. 2. V. 1]). Dann/ daß er ein Poet gewesen/ ist zu ersehen aus dem schönen DankLied/ damit er Gottes Hülfe gepriesen/ da der Feind seines Volks mit allen seinen in rohten Meer ertrunken: worbei seine Schwester Miriam auch das ihre gethan/ und den andern Frauen/ als Sängerinnen/ vorgesungen ([aq]c[/aq] [Ex. 15. V. 21]). Er sange auch/ kurz vor seinem Tod/ ein langes [S] Lied ([aq]d[/aq] [Deut. 32.)/ darinn er aus Profetischem Geist vorgesaget/ wie das erwehlte Volk von GOtt abfallen würde. Es wird auch der Neunzigste Psalm ihme/ durch die Obschrift/ zugeschrieben/ womit er die in der Wüsten sterbende 600000 Israeliten getröstet. Welchergestalt das Volk an der Gränze von Moab/ über einen Brunn/ ein Liedlein wechselweis gesungen/ hat eben dieser ihr Fürst und Capellmeister nicht unerwehnt lassen können. ([aq]e[/aq] [Num. 21. V 17/18.]) ¶ 6 Ein huntert Jahre nach der Zeit Mose/ thäte sich auch in Griechenland die Poesy herfür/ und zwar erstlich in Bäotien zu Dodona und Delfi: da die Götzen oder vielmehr Teufel/ Jupiter/ und nachmals Apollo/ so in seiner Jugend auch/ wie Mose/ ein Schäfer gewesen/ aus Hölen (aus der Hölle) und zwar allemal in Versen/ geredet/ und den Leuten/ die um künftige Dinge gefragt/ Antwort gegeben/ daher sie Oracula genennt [S] worden: und soll zu Delphi das erste Weib/ durch welche der Geist geredet/ namens Phemonoe/ die Verse-art/ so bei den Griechen und Lateinern [aq]Hexametri[/aq] heißen/ erfunden haben. Es ist aber ohnezweifel Fabelwerk/ wie alle der Griechen erste Geschichten/ und hat der Höllen Fürst/ als jederzeit Gottes Affe solches von dem Profeten Mose und der Miriam abgesehen/ und nachgedichtet. ¶ 7 Im Jahr der Welt 2620 trate im Volke GOttes hervor/ die Heldin/ Richterin/ Profetin und Poetin Debora: welche mit dem Barak/ nachdem sie die Canaaniter geschlagen/ dem Herrn mit einem schönen Lied dafür gedanket ([aq]f[/aq] [B. Richt. 5.]). Von dieser glaubet man/ daß sie eine von den Sibyllen gewesen: welche auch Poetinen gewesen/ und ihre Weissagungen in Versen geschrieben.'
'Auf die Debora folgte/ nach 200 Jahren/ im heiligen Volk/ die fromme Hanna/ des Profeten Samuels Mutter: welche diesen ihren Sohn von GOtt erbetten/ und dafür ein schönes DankLied gesungen. ¶ 8 Endlich um das Jahr der Welt [S] 2680 sezte die Poesy sich erstlich auf den Königsthron/ und zwar im Volke Gottes. David der Sohn Isai/ weidete damals bei vor-erwehntem Bethlehem und Thur[?] Eder/ wo Jacob seine Hütten gehabt/ seines Vatters Schafe/ war ein künstlicher Harffenspieler/ fienge an Psalmen zu dichten/ und ward also zugleich ein Schäfer und Poet/ und zwar ein Geistlicher Poet/ ein Himmels-Dichter. Daher haben die Blumgenoßhirten die zugleich Schäfere/ Poeten/ und Gekrönte sind/ und den Spruch Alles zur Ehre des Hummels/ zum Gesellschaft-Wort und zum Absehen ihrer Schriften erwehlet/ diese Hirten und Gold-gekrönten Himmel-Poeten ihren Gesellschafter ([aq]g[/aq] [S. Pegnes. II Theils I Hirtenged. § 3.]) benennet. Seinem Freund Jonathan/ auch seinem Feind und Schweher Saul/ schriebe er/ nachdem sie in der Schlacht umgekommen/ ein klägliches LeichLied/ nennte es den Bogen und ließe es in Is-[S]rael offentlich singen: und hierauf ward er zum König in Israel gekrönet. Seine ewige Ehre ist/ auf Erden und im Himmel/ was Sirach ihm nachrühmet: Für eine jede Wohlthat/ dankte er dem HErrn/ mit einem schönen Lied ([aq]h[/aq] [Sir. 49. V. 9]). Wie er dann derer/ im Psalter oder Ebreischen Liederbuch/ eine große Anzahl hinterlassen: und ersihet man aus selbigem Buch/ und den Obschriften der Psalmen/ das damals und hernach viel Poeten in Israel gewesen. Von seinem Sohn und Reichs-Nachfolger/ dem König Salomo/ schreibt das Biblische Buch der KönigsGeschichten ([aq]i[/aq] [I B. Kön 4. V. 32.])/ daß er über tausend Lieder gedichtet: unter denen aber allein das so-genannte Hohe Lied noch vorhanden ist/ welches ein SchäferGedichte ist/ und unter dem Namen Salomo und Sulamith/ den Sohn Gottes mit seiner Braut/ dem Menschlichen Geschlecht/ verliebt redend einführet. ¶ 9 Nach Davids und seines [S] Sohns zeiten/ wurden in Griechenland berühmt/ der Fürst selbiger Poesy Homerus/ und hernach Hesiodus: deme Tyrtäus/ die Dichterinnen Telesilla und Sappho/ Aleman/ Arion/ und die andern/ nach und nach gefolget. Zwischen denselben waren im Heil. Land berühmt die Profeten und Poeten/ Esaias und Jeremias: deren jener seinem Lieben/ dem König Usia oder Jothan ein Lied seines Vettern/ des Herrn Messias/ gesungen ([aq]k[/aq] [Esa. 5. V. 1]): der andere aber/ seine KlagLieder über die Verstöruug des Jüdischen Landes und der HauptStadt Jerusalem/ angestimmet. Also hat auch die Heldin Judith/ dem HErrn ein DankLied gesungen. Aus bisher-erzehltem erhellet nun/ daß keineswegs die Griechen/ wie zwar von ihnen gerühmet wird/ sondern die Ebreer und Israeliten/ die erste Poeten gewesen/ und zwar nur GOtt zu Ehren Lieder gesungen. Unterdessen hat diese Kunst [S] auch in Italien sich fest gesetzet: maßen/ schon zu [aq]R[/aq]. Numae Zeiten/ die Priester des Kriegs Gottes/ [aq]Salii[/aq] genannt/ gewiße Lieder gesungen. Lang und wol 300 Jahre hernach/ folgten die Poeten Livius/ Ennius/ Lucilius/ Lucretius/ Plaucus/ Terencius/ Virgilius/ Ovidius/ Horatius/ und huntert andere. ¶ 10 Zur Zeit der Hochheiligen Christgeburt sangen im Jüdischen Land/ die hochgelobte Gottes-Mutter Maria/ und ihr Vetter der Priester Zacharias/ zwei schöne Dank- und LobLieder: gleichwie auch die Engel selber/ in der Christ-Nacht/ diese der Welt HeilGeburt feirlich besungen haben. Auf diese folgten/ nach 300 Jahren/ eine große Anzahl Irdischer Engel oder GOtt- und Christliebender Poeten/ als Juvencus/ Hilarius/ Avitus/ Ambrosius/ Augustinus/ Gregorius/ Apollinaris/ Ausonius/ Prudentius/ Nonnus/ Paulinus/ Synesius/ Sedutius/ Sidonius/ Boëtius/ Venantius/ Fortunatus/ Theodulphus/ Bernhardus/ so meistenteils der ersten Kirche Christliche Bischofe gewesen/ und unter denselben auch zwo Weibspersonen/ Proba Falconia und die Käiserin Eudoxia.'
'11 So ist nun klar und wahr/ daß die edle Poesy/ nach der Musik/ die ältste Kunst/ und vor allen andern Künsten am ersten sei erfun-[S]den worden/ da noch keine Gottes-Staats-Verstand-Tugend-oder Natur-Lehre am tag gewesen. Ja es sind/ von dieser/ nach und nach die andere Wissenschaften entsprungen. Es hat ja Orfeus/ der ältsten Griechischen Poeten einer und unter den Heiden der erste [aq]Theologus[/aq], die Götter mit [aq]Hymnis[/aq] und Liedern verehret/ und nach dem Vorspiel Amfons/ mit seinen Poetischen Sitten- und Tugend-Lehren/ die wilde in Wäldern und auf Bergen herum schweiffende verstreute Leute/ in Dörfer/ Märkte und Städte zuhauf gesammlet/ und in das Band Menschlicher Gesellschaft eingefangen: daher von ihm die Fabel entstanden/ er habe mit seinem Sing- und Seitenspiel/ die Thiere/ Steine und Bäume an sich gezogen. Die Poesy ist freilich die Kunst/ so mit den Gottes-Liedern angefangen. Sie ist die rechte Pallas/ von deren die Griechen gedichtet/ daß Jupiter sie aus seinem Gehirne [S] gebohren habe: wie dann alle Weißheit von GOtt kommet. ¶ 12 Die Heiden wusten dieses: darum haben sie/ nicht nur eine Pallas oder KunstGöttin/ sondern auch einen Apollo oder Vorsteher der neun Musen erdichtet/ ihm eine Cyther in die Hand/ und die Berge Parnassus und Helikon zur Wohnung gegeben/ einen Brunn daraus herabfließen gemacht/ und vorgegeben/ man trinke Geist-Feuer mit selbigem Wasser in sich/ und man erwache ein guter Poet/ wann man auf dieser Berge einem eingeschlaffen. Dieses hat/ der Feind und Affe Gottes/ von David dem König und Poeten abgesehen: welcher viel Sänger und Poeten/ als Musen/ um und unter sich gehabt/ auf dem Berg Sion gewohnt/ daraus der Brunn Siloha gefloßen/ auf der Harffen gespielet/ und in deren Thon viel Psalmen gesungen. Im I SchäferGedichte des II Theils der Pegnesis/ der Norische Parnaß [S] genannt/ wird dieses umständlicher ausgeführet. ¶ 13 Von den Brunnen insonderheit/ ist bei den Heiden viel Aberglaube gewesen/ und haben sie dieselben/ weil sie also unabläßig rinnen und ihren Lauf behalten/ für Göttlich gehalten/ auch ihneu Nymfen und Najaden zu Vorsteherinnen zugeeignet. Daß aber ein Brunn den Geist der Poesy eingießen soll/ scheinet daher entsprungen zu seyn. In der ersten Welt/ wann die Weibspersonen bei den Brunnen/ um Badens willen/ zusammen kamen/ haben sie die Mannspersonen nach sich gezogen/ welche/ ihre Leibsschönheit zu beschauen/ begierig gewesen: dergleichen mit der Diana und ihren Nymfen/ und mit dem Actäon/ sich zugetragen. Weil nun/ durch solche Anschauung/ in den Herzen der Mannspersonen die Liebe angezündet worden/ haben sie mit Gesang-Rede derselben Weibsbilder Schönheit gepriesen/ und [S] um deren Holdschaft angesuchet. Daher entstunde die Sage und Fabel/ man lerne bei den Brunnen ein Poet seyn/ schöpfe und trinke diese Kunst (mit den Augen/ aber nicht mit dem Munde) aus denselben. Also haben die heilige Hirten Jacob und Mose/ bei Brunnen/ ihre Schönen gefunden die sie hernach geliebet und mit Liedern beehret: wie dann auch sonst gemeinlich junge Poeten/ mit Liebssachen/ zu poetisiren anfangen. Sidonius verlachet solche Brunn-Poeten/ und saget/ Ein Gedichte müße/ nicht aus dem Strom/ sondern aus der Stirn hervorschwitzen. ([aq]l[/aq] [[aq]Carmen non tàm fonte, quàm fronte Sudari[/aq]. I. 8. Cp. 3.]) ¶ 14 Es ist aber ein anderes Wasser/ mit welchem die Dicht-fähigkeit einfließet/ nämlich die Feuer-Flut des himlischen Geistes/ von welchem Plato also redet: Das Gemüte kan keine Brut empfangen oder gebähren/ es werde dann durch einen Strom von Himmel herab über-[S]gossen und beschwämmet. Der Himmel/ oder die Wohnung der Herrlichkeit Gottes/ wo nicht nur Neune/ sondern viel 1000000 Musen wohnen und ein LobLied nach dem andern anstimmen/ ist der rechte Parnassus/ daraus diese Geistes-Flut erqwillet und herabschießet. Gleichwie aber das von oben abfallende Wasser/ wann es durch Röhren in ein Brunngefäß geleitet wird/ in demselben wieder empor und hervorspringet: also soll die DichtKunst/ weil sie vom Himmel einfließet/ wieder gen Himmel steigen und Gott zu Ehren verwendet werden. Sind also die Poeten himlische Spring Brunnen/ oder sie sollen solche seyn/ und das Himmels-Flut Feuer nicht Irdisch verwenden: worauf mit dem Titel-Sinnbild gezielet worden/ da die Poesy und Andacht/ als die wahre Uranie in zweyen Personen/ vor einem solchen Brunnen sitzet. Solcher gestalt wird/ die Erde/ zum Echo und Gegenhall des Him-[S]mels/ und GOtt/ wie billig/ droben und hierunten beehret. ¶ 15 Es haben jederzeit Welt-Hohe sich gefunden/ die nicht allein die Poesy geliebt/ sondern auch selber Poeten gewesen. Waren nicht/ wie erwehnt/ David und Salomon große Könige?'
'Wie die Poetische Fabeln eine Tugend- ja wol gar eine Gottes-Lehre hinter sich haben/ davon kan mein zu Ende angehängtes [aq]Programma Poeticum[/aq], die Verwandlung der Dafne in den Lorbeerbraum behandlend/ ein Beispiel geben.'
'18 Es möchte endlich noch vergönnt seyn/ daß ein Poete/ seinem hohen Patron/ von dem er befördert oder bewolthätigt worden/ weil er seine Dankbarkeit sonst mit nichts bezeigen kan/ mit einer Lob-[S]Schrift/ doch daß damit dessen Verdienst nicht überschritten werde/ aufdiene: weil dadurch GOtt/ als die Urqwelle solcher Wolthaten/ mit beehret wird.'
'20 Es gereichet auch der Poesy zur Schmach/ wann man/ sonderlich zu Hochzeiten/ unschambare Sau-Verse machet/ Ehrliebende Ohren damit beleidigt und die Allgegenwart Gottes erzürnet'
'Zu wünschen wäre solchen Versesudlern/ daß sie die Kunst der Poesy recht erlernten/ und alsdan Lieder GOtt zu Ehren widmeten? Sie würden erfahren/ daß GOtt/ dem sie auch allein gebühret/ die Ehre erkentlicher von ihnen annehmen/ auch mit Wolthaten/ die sie oft bei Menschen mit Versen vergeblich suchen/ sie reichlich überschütten würde. Rechtschaffene Poeten/ die sich erinnern/ daß ihre Kunst vom Himmel einfließe/ daß diese Kunst-Ergebenen vor alters für [S] die allein-Weißen gehalten/ und von dem Weltweißen-Vatter Plato Vätter und Fürsten der Weißheit/ größer als Menschen und kleiner als Götter/ ja Söhne der Götter und Göttlich genennt worden: werden diese HimmelsTropfen und Perlen viel zu edel achten/ als daß sie solche auf die Erde verschütten sollten. ¶ 25 Gegenwärtige Poesy-Anweisung/ zielet auf der frommen Zweck/ daß diese Edle Kunst zur Ehre dessen/ von dem sie einfliesset/ möchte verwendet werden. Ich schriebe/ fast vor 30 Jahren/ auf gnädiges Ansinnen eines hohen Cavalliers/ ein halb-huntert LehrSätze von dieser Wissenschaft: welche/ als nur in einem paar Bögen bestehend/ ohne mein Wissen/ vielfältig abgeschrieben/ und endlich gar in die Schulen einzuführen mir abgeheischet worden.'
'Es sind zwar/ viel Teutsche [aq]Prosodi[/aq]en/ nach und nach hervor gekommen. Ich aber/ habe in dieser mich beflissen/ nach dem Lehrspruch unserer Blum-SchäferGesellschaft/ alles zu Ehre Gottes einzurichten/ und den Lehrsätzen Exempel oder Beispiele Geistlichen inhalts zu zu ordnen. Solcher gestalt verlange ich/ mit einer Arbeit/ zween Nutzen zu schaffen: daß nicht allein die Jugend zugleich zur Poesy und Gottesfurcht angewiesen/ sondern auch jeder Leser/ durch die Geistliche Lieder/ zur Andacht angefeuret werde.'
'139 Wann man fragen wolte/ was für ein Ort zum Poetisiren schicklich sei? so ist die Antwort leicht: massen ein ein-[S]sames stilles Zimmer bäßer hierzu dienet/ als der offentliche Markt/ und wo viel Leute sind. Sonderlich ist dieses wahr/ wann man Geistlich dichtet: dann JEsus ist gern bei einer Seele/ die er drausen/ nämlich nicht in der Welt/ findet.'
'141 Das Absehen oder der Zweck/ wornach ein Poet zielet/ ware bei den Heiden/ Nutzen und Belusten/ [aq]prodesse & delectare[/aq], wie [aq]Horatius[/aq] redet/ oder [aq]simul jucunda & utilia, vel utilia jucundè dicere[/aq], nützliche Sachen lieblich ausreden/ lieblich nutzen und nützlich belustigen. Es haben aber die Heiden/ auch zur Ehre ihrer Götter/ die Poesy mit Lobgesängen verwendet/ daher [aq]Horatius[/aq] saget: [S] ¶ [aq]Disceret unde preces, Vatem nisi Musa dedisset?[/aq] ¶ Woher könt man lernen beten/ ¶ wan nicht wären die Poeten? ¶ So nennen dann wir Christen den dritten Zweck der Poesy/ vielmehr den ersten/ die Ehre Gottes. Die Poetische Dichtfähigkeit/ wie zuvor erwehnt/ und der Geist/ komt von Himmel: so ist ja billig/ daß dessen Wirkung in seinen Ursprung wiederkehre. Aller Thon/ alle Rede und Schrift/ sol Gott loben: weil Gott allein/ das Leben/ die Redfähigkeit/ den Geist und die Kraft/ gibet. Der Heidenlehrer befihlet: Alles/ was ihr thut/ mit Worten oder Werken/ das thut im Namen und zur Ehre GOttes. ([aq]a[/aq] [I Cor. 10 V. 31]) Und wann schon das Absehen nicht eigentlich auf Gott zielet/ soll doch iedes Gedicht also abgehandelt werden/ daß es anmutig zur Gottes-Ehre und Tugend-Lehre gereiche. ¶ 142 Zu einem wahren rechten Poeten/ der da fähig seyn soll/ von allen Dingen zu poetisiren/ gehört notwendig die Wissenschaft aller/ sonderlich [S] himlisch- und natürlicher Dinge.'
'Alsdann kan man den Reimweiser vor sich nehmen/ das Gedichte dapfer anheben/ kurz und nachdrücklich verfassen/ richtig binden/ Lehrsame Sprüche von GOtt und Tugend einmängen/ in frölichen Materien auf Belustigung/ und in allem auf GOttes Ehre zielen/ von hohen Sachen hoch/ von nidrigen nidrig reden/ viel mit wenig sagen/ und dem Gedichte einen nachdenksamen Schluß geben.'
'Der unvergleichliche Roterdamer Erasmus/ schreibet an einem Ort: Es wäre gut/ wann man alle Biblische Historien zu Schauspielen machte/und die Jugend sich darinn offentlich üben ließe; maßen solches oftmals mehr/ als eine übereilte Predigt/ verfangen und Nutzen schaffen würde. ¶ 233 Also wird nun hiermit diese Poesy-Anweisung mit GOTT beschlossen/ in dessen Namen sie auch angefangen/ und zu dessen Ehre geschrieben worden: unter Absehen/ daß die Poesy-begierige Jugend/ und etwan auch sonst ein anderer Leser/ durch die GOtt-ehrende ange-[S]zogene Beispiele/ zur Gottes-Liebe aufgemuntert werden/ und solche zugleich mit dieser Kunst Lehr-Sätzen gleichsam in sich trinken möge. […] Unterdessen ¶ GOtt ich Ehr’ und Dank zusende: ¶ der mir halfe/ daß ich ¶ ENDE.'
'Der fürtreffliche Poet [aq]Horatius[/aq], hat hierüber diesen ausspruch hinterlassen: ¶ [aq]Neque enim concludere versum * [Horat. ad. Pison.][/aq] ¶ [aq]dixeris esse satis, neque, si quis scribat, uti mos,[/aq] ¶ [aq]sermoni propiora, putes hunc esse Poëtam.[/aq] ¶ [aq]Ingenium cui fit, cui mens divinior atque os[/aq] ¶ [aq]magna sonaturum, do nominis hujus honorem[/aq]. ¶ Nicht gnug ist/ Zeil und Zeil wol binden/ und wol reimen: ¶ Nicht ist Poetisirn/ all Tages-Reden leimen. ¶ Der Geist und Feuer hat/ der höher denkt und redt ¶ als sonst ein PöbelKopf der heist mir ein Poet. ¶ 127 So folget dann hieraus/ daß ein SylbenKlecker und Reimträumer kein Poet sei/ und daß dieser Name viel ein mehres hinter sich habe/ als die Unwissenden ihnen traumen lassen. Bei [S] den Römern/ gienga das Sprüchwort: [aq]Orator fit, Poëta nascitur[/aq]; Rednere werden gemacht/ nämlich durch die Redkunst-Lehre/ aber Poeten werden gebohren. Solches erkläret [aq]Cicero[/aq], da er saget: ([aq]a[/aq] [[aq]Or. pro. Arch.[/aq]]) [aq]Poëtam naturâ valere, & quasi divino spiritu afflari[/aq]; ein Poet werde von der Natur zum dichten gefähigt/ und gleichsam von einer Göttlichen Begeisterung angeflammet. Und anderswo ([aq]b[/aq] [I [aq]Tuscul. quaest.[/aq]]) schreibet er: [aq]Poëtas gravia carmina coelesti instinctu fundere[/aq]; Die Poeten dichten aus Antrieb einer himmlischen Regung. Vielleicht hat er von dem Plato also reden gelernet/ welcher schreibet: ([aq]c[/aq] [[aq]Pl. in Ion[/aq]. [griech.]]) Sie/ die Poeten/ reden nicht aus eignem Kunstvermögen/ sondern durch Kraft eines Göttlichen Triebs. Sie sinds nicht/ die da reden/ dann ihr Geist ist entzückt/ sondern Gott ist es/ der durch sie redet. ¶ 128 Diese Kunst/ ist freilich etwas [S] Göttliches oder Englisches: wie dann zu vermuten ist/ daß die Engel im Himmel/ die Gott immer mit Lobgesang ehren/ fürtreffliche Poeten seyn müßen. Man sihet/ daß mancher Gelehrter/ der das ganze Buch der Weißheit hinein geschlucket/ mit aller seiner Wissenschaft keinen guten Vers zu wege bringen kan: da hingegen mancher geistiger Kopf oftmals ein Gedicht hervor gibet/ das so angenehm redet/ als wann es von Himmel herab geflogen wäre. [aq]Ovidius[/aq]/ der wol ein gebohrner Poet heißen mag/ weil sein Reden in der Kindheit lauter Verse gewesen/ ([aq]d[/aq] [l. 4.[aq]Trist.[/aq]]) hat dieses wol gewust/ und daher also hiervon geschrieben: ¶ [aq]Est Deus in nobis, agitante calescimus illo:[/aq] ¶ [aq]impetus hic sanae femina mentis habet (e[/aq] [l. 6. Fast.] ¶ [aq]Est Deus in nobis, sunt & commercia coeli:[/aq] ¶ [aq]Sedibus atheriis spiritus ille venit. (f[/aq] [l. 3 de A. A.] ¶ D.i. ¶ [aq]Gott weht und webt in uns/ von dem wir brennend werden:[/aq] ¶ [aq]sein Odem ist die Flamm/ die unsre Sinne speist[/aq][S] ¶ [aq]Gott wohnt in uns/ vermählt den Himmel mit der Erden:[/aq] ¶ [aq]von seiner Sternenburg steigt dieser Dichter-Geist.[/aq] ¶ Und um deß willen ist je billig/ daß dieser Göttliche Trieb nicht zu ungöttlichen Sachen verwendet/ und eine so heilige Regung nicht mit den Koht der Eitelkeit bemailigt werde. ¶ 129 Es wird aber/ solcher Göttlichen Begeisterung/ gleichsam durch die Natur der Weg gebahnet/ mit einpflanzung/ sowol eines hurtigen Geistes/ als einer redfärtigen Zunge oder Feder: welches die Griechen die Wolangeborenheit ([griech.]) nennen. Vor allem muß ein Poet seyn Scharfsinnig/ ([griech]) und ihme von einem Dinge mancherlei Bildungen vorstellen können. Dann seine Kunst und das Dichten/ hat den Namen vom Denken/ und fließet aus den Gedanken in die Worte. Die Scharfsinnigkeit/ muß mit der Wolredenheit vereinigt seyn/ welche wol hervorzugeben wisse/ was jene ersonnen: Daher haben die Alten Römer/ aus ihrer Pallas und dem Mercurius/ aus bei-[S]den eine/ Seule gebildet/ und sie auch mit dem Zwidter-Namen [aq]Hermathena[/aq] ([aq]g[/aq] [[griech].] benennet. Die Erfindung aber ist die Seele des Gedichtes/ und dessen Hauptstuck/ daher jener gesagt: mein Gedicht ist färtig/ bis auf die Worte. ¶ 130 Es folget aber hieraus nicht/ daß ein Poet von Natur ein Poet sey/ und ganz keine Belehrung vonnöten habe.'
'131 So muß dann einer/ der ein guter Poet werden will/ sich erstlich prüfen/ ob ihn Gott und die Natur dazu fähig gemacht habe. Diese Gabe [S] aber ligt bisweilen tief verborgen/ und muß der Funke aus der Asche hervor gesucht werden. Man muß nicht gleich ablassen/ wann man im Anfang wenig Fähigkeit spüret.'
'50 Es waltet auch hier die Frage/ ob ein Christlicher Poet/ in seinen Gedichten/ der Heidnischen Götter Namen gebrauchen dörfe? Die/ so es be-[S]haupten wollen/ halten dafür / daß der Poesy gröste Zierde in einführung solcher Namen bestehe. Sie wenden auch vor/ man verstehe darunter/ nicht die Heidnische Götter/ sondern die Tugenden/ Laster und andere Eigenschaften Gottes und der Menschen. Ferner spötteln sie/ es seyen nur Worte/ und keine Gefahr dabei/ daß jemand dadurch zum Heiden gemacht werde: weil man sie nur nenne/ aber nicht anbete. ¶ 51 Es ist aber hiergegen zu sagen/ daß GOtt/ nicht allein in dem Ersten von seinen Donner-Geboten verboten/ keine andere Götter neben ihm zu haben/ sondern auch sonst ausdrücklich befihlet: Anderer Götter Namen solt ihr nicht gedenken/ und aus eurem Mund (Feder) sollen sie nicht gehört werden. ([aq]a[/aq] [2. Buch Mos. 23. V. 13.]) Diese Götter oder Götzen/ sind entweder Menschen/ die den wahren GOtt nicht erkennet/ oder gar Teufel gewesen/ die auch nun in der Hölle beisammen wohnen. Es haben ihnen auch die Heidnsiche Poe-[S]ten allerhand Laster und Bosheiten zugeschrieben/ als daß sie Ehbrecher und Huren/ Diebe/ Mörder/ Säuffer gewesen/ einander geneidet und angefeindet: welches ja die höchste Unvernunft ist/ weil der Gottheit kein Laster eignet/ sondern vielmehr die höchste Unschuld und Tugendvollkommenheit. Deswegen hat auch Plato/ die Poeten/ von seinem Regir-Staat ausgeschlossen. Da nun ein Heide nicht dulten können/ daß man Göttern Bosheit zugeschrieben: wie solte es dan GOtt an seinen Christen nicht misfallen/ wann sie den Dagon neben die Bundslade stellen/ und mit der Hand/ da sie in der H. Taufe ihm gehuldigt und dem Satan abgesaget/ von Teufeln reden und schreiben. ¶ 52 Man wil zwar sagen/ [aq]Homerus[/aq], unter den Poeten (soviel man weiß) der ältste/ habe nur eine Fabel geschrieben/ wie heutigs tags die Romanzen oder Geschicht-Gedichte sind/ und unter den Namen der Götter/ das Verhängnis/ den Krieg/ die Liebe und anders dergleichen verstanden. Es ist [S] aber solches nicht erweislich/ weil der Götzendienst schon vor ihme üblich gewesen: und hat er damit [aq]Virgilio, Ovidio[/aq] und andren folgenden Poeten/ von Götzen zu reden/ Ordnung und Anlaß gegeben. ¶ 53 Es ist wol die gröste Gottslästerung/ wan man GOtt mit einem Namen nennet/ den vordessen ein Götz oder Teufel geführet. Wie sol GOtt gut heißen/ da man ihn Jupiter nennet: ob es schon [aq]juvans pater[/aq], ein Helfe-Vatter/ zu Teutsch heißet. So kan er auch nicht vertragen/ da er die Liebe selber ist/ daß man diese Tugend oder Eigenschaft mit den Namen der geilen Venus bekleide. Die Israeliten/ verstunden/ unter den güldnen Kälbern/ und unter dem Namen Baal/ den wahren GOtt: aber GOtt ergrimmte über das Kalb-Fest/ und wolte darum das ganze Volk verderben. Er sagte auch/ durch den Profeten: Du solst mich nimmer Baal nennen/ und ich wil den Namen der Baalim von ihrem Munde weg thun/ daß man deren nicht mehr gedenken soll. ([aq]b[/aq] [Hos. 2. V. 17.]) [S] ¶ 54 Daß Gefahr hierbei sei/ erhellet gnugsam: da manche sich dermaßen in die Heidnische Altertum-Sachen verlieben/ daß sie darüber/ wo nicht zu Heiden/ jedoch zu Atheisten werden. [aq]Hubertus Golzius[/aq] hat sich nicht gescheuet/ nach verrichteter LänderReise/ dem Wander Götzen [aq]Mercurio[/aq] einen [aq]Hymnum[/aq] zu schreiben. Dergleichen GötzenGedichte/ findet man hin und wieder in den Schriften unserer Poeten/ und werden insonderheit die Venus und ihr Cupido fast von allen/ als Götter/ angeruffen. [aq]Justus Lipsius[/aq] hat/ für seinen Garten/ eine Fürbitte an sie geschrieben. ([aq]c[/aq] [[aq]Epist. Cent. I 27.[/aq]]) Also haben [aq]Dan. Heinsius[/aq] und unser Opitz/ den Kriegs- und Wein-Götzen [aq]Marti[/aq] und [aq]Baccho[/aq], Lobgesänge verfasset. Von solchen Poeten/ kan man mit eines vornehmen GottesLehrer Worten ([aq]d[/aq] [[aq]J. V. Andreae Mythol. man. II 35.[/aq]]) sagen: Es ist zu zweiflen/ ob GOtt deme beiwohne/ der an höllischen Götzen gefallen hat? und ob der an den Himmel recht gedenke/ der öf-[S]ter die Venus als die GottesMutter Maria/ den Cupido als das HimmelKind Immanuel/ den [aq]Phoebum[/aq], als den H. Geist/ den Berg Parnaß als den Oelberg/ die Elysische Felder als das Paradeis/ und Fabeln als das himlische Wort der Warheit/ in dem Mund seiner Feder führet? ¶ 55 Daß aber nicht eben alle Zier der Gedichte an diesen Heidnischen Götzengewäsche gelegen sei/ zeigen die erste Christliche Poeten [aq]Juvencus, Prudentius, Venantius Fortunatus[/aq] und mehr andere/ die viel schöne [aq]Carmina[/aq] ohne solchen Götzen-kleck hinterlassen. Die H. Schrift hat viel warhafte schöne Geschichten/ die man/ an stat dieser Lügen/ einführen kan. Es ist auch ohnedas/ der Heidnische Götzen-Krempel/ lauter Affenwerk des Satans/ aus H. Schrift genommen. Was sind Jupiter und Juno anders/ als Adam und Eva/ das erste paar Menschen? Jubal, Tubalkain und Naema/ ([aq]e[/aq] [[aq]à rad.[/aq][hebr.], [aq]amoenus, venustus.[/aq]]) sind Orfeus/ Vulcanus [S] und Venus. Noah/ ist Janus/ Bacchus und Deucaleon. Was sind die Himmelstürmende Riesen anders/ als die Babylonische Thurn-bauer? Was ist gleicher/ als Jacob oder Mose und Apollo/ beiderseits Exulanten und Hirten? Miriam und Diana? Joseph/ und Phryxus mit der Phädra? ¶ 56 Will man das Gedichte mit Historien zieren/ was ist schöner/ als die Welt-Erschaffung/ welche [aq]Ovidius[/aq] fast ganz aus dem Ersten Buch Mose genommen? Was ist trübseliger/ als der Menschen-Fall/ die Sündflut/ der Sodomer-Gegend SchwefelSee? Was ist himlischer/ als die Erscheinung Gottes/ dem Abraham geschehen/ da er warhafter/ als Baucis und Filemon/ den Gott Elohim bewirtet? Was ist annemlicher/ als das Opfer Isaac/ der Traum und Schäferstand Jacobs/ die Verfolg- und Erhöhung Josefs/ die Hinwerfung und Erhebung des Kinds Mose/ die zehen Plagen von Egypten/ der Gang durch Meer und Jordan/ des Josua Sonnestillstellen/ das Manna oder Himmel-[S]Brod/ die Eroberung des Gelobten Landes? Will man von Tyrannen und Riesen reden: hier sind Nimrod/ Og und Goliath. ¶ 57 Und wil man einen Parnaß und Apollo/ einen Delfis-Tempel/ die Musen und ihren Künste-brunn haben: Hier sind/ die Berge Sion/ Hermon/ Carmel/ Thabor und Libanon; der König David/ mit der Harffe und dem Lieder-Psalter/ mit dem Goliaths-Sieg; der Tempel Salomons mit seiner BundsLade; die gelehrte andächtige Weibspersonen Miriam/ Debora/ zwo Hannen/ die Tochter Jephtha/ die Arabische Königin Maqueda/ die Hulda und Judith/ die H. Gottes Mutter Maria/ und mehr andere; der Jordan/ der Bach Kidron/ und der Brunn Siloha/ so aus dem Berg Sion entqwollen. Und hat nicht JEsus Christus/ der rechte Föbus und Sonne der Gerechtigkeit/ den höllischen Python erwürget/ die Menschheit angenommen/ die Gemeine/ wie Salomon seine Sulamith/ geliebet/ und sie/ wie Perseus die [S] Andromeda/ von dem höllischen Drachen erledigt? Da haben wir/ an stat des Hercules/ den Löwenzwinger Simson und viel andere Helden; an stat der Venus/ die keusche Gottesgebärerin/ da ein Christlicher Poet wol sagen und dichten kan: ¶ Weg mit eurer Huren-Göttin/ Heide/ Mahler und Poet! […] ¶ 58 Aus besagtem wil nun erhellen/ daß auf unsere Frage mit Nein zu antworten sei. Dieses ist zwar erlaubt/ daß man eine Tugend/ oder ein Laster in der person eines Engels oder Knabens/ einer Jungfrauen oder Matron/ oder einen Baum/ wie Jothan in H. Schrift/ einen Fluß/ Stadt oder Land/ und dergleichen/ unter erdichteten Namen/ mit einführet: nur daß es nicht [S] solche seyen/ die von den Heiden angebetet worden. Also kan man dichten/ wie den Paulus ein Engel aus dem Schiffbruch gezogen/ dem Judas Maccabeus ein Schwerd in der Schlacht zugestellt/ und den Tobias in Menschengestalt begleitet; wie ein Gottloser die böse Geister zu Hülfe beruffen. Und hierinn hat man zum Vorgänger den Italischen Poeten [aq]Torquato Tasso[/aq], welcher solches in seinem Erlösten Jerusalem meisterlich zu werk gerichtet. ¶ 59 Es erscheinet auch hieraus/ was von Schau- und Danz-Spielen zu halten sei/ da Heidnische Götter redend oder sigend eingeführet werden: wovon hier/ um kürze willen/ nur noch diese ehmals hierüber verfasste Verse reden. ¶ Sind sie es dann alleine/ die Walonen/'
'Es ist aber damit nicht ausgemacht/ daß man allein suche die Menschen zu belustigen oder zu schrecken. Die blinde Heiden/ die vom wahren Gott nichts wusten/ haben hierinn gröblich und verdammlich geirret/ und sich nicht gescheuet/ allerhand Bosheiten offentlich vorzustellen/ wann sie nur besagten Zweck erreichen mochten: da dann Schauspieler und Spielschauer miteinander dahin gefahren/ wo sie nun/ auf dem feurigen Schauplatz ihres Götzen Plutons ein ewiges Traurspiel spielen. ¶ 231 Wir Christen sollen/ gleichwie in allen unsren Verrichtungen/ also auch im Schauspiel-schreiben und Schau-spielen das einige Absehen haben/ daß Gott damit geehret/ und der Neben-Mensch zum Guten möge belehrt werden: da dann das Belusten/ [S] in seiner Maße mit folgen kan. Dieser Zweck wird aber nicht beobachtet/ wann man nicht allein solche Schauspiele vorschreibet/ die Gott verunehren/ und den Leser ärgern/ sondern auch dieselben offentlich vorstellet: da manche Matron oder Jungfrau/ die schamhaftig und züchtig in das Spielhaus gegangen/geil und frech wieder nach Haus gehet. Und solches geschihet/ wo nicht durch die HauptSpiele/ doch durch die schändliche Nachspiele: zu welchen man ja/ an stat der Buhlereyen und losen Händel/ andere lustige Materien/ deren ganze Bücher voll im Druck sind/ erwehlen könte. Wann man bedächte/ wie Gott und seine Engel überall zugegen seyen/ alles mit ansehen und anhören/ und wie die Teufel alle unnütze Gebärden und Reden aufzeichnen/ derentwegen dort ewig (wie unser Heiland vorsaget) von ihnen Rechenschaft zu fordern: ich weiß/ die Furcht vor dem Allherheiligsten All-Aug und All-Ohr/ und der Höllen-Schrecken/ würden uns bald den Lust vergehen machen/ solche Up-[S]pigkeit zu üben und anzuschauen. Es ist auch zu bewundern/ daß man in Schulen die Jugend aus dem [aq]Terentio[/aq], der ja alle Laster vorträget/ und nicht vielmehr aus dem [aq]Terentio Christiano Schonaei[/aq]/ und andern guten Büchern/ das Latein lernen lässt: da doch Gott einmal nicht fragen wird/ hast du gut Latein geredet? sondern/ bist du ein guter Christ gewesen?'
'146 Wir wollen nun die Gedichtarten nach einander beschauen/ und wie solche zu erfinden seyen/ in betrachtung ziehen. Die erste unter denselben sind/ die so-genannte [aq]Hymni[/aq] oder GOtt und den Himmel zu Ehren verfasste Geistliche Lieder: dergleichen zwar billig alle Lieder seyn solten. Droben ist erinnert worden/ wie übel es stehe/ wann ein Christlicher Poet/ die Namen der Heidnischen Götzen/ in seinen Gedichten anführet. Was ist dann erst dieses für ein Ubelstand/ wann man solches thut/ in Geistlichen Liedern und Gedichten/ und also die Lade des [S] Bunds neben den Dagon/ den Belial neben Christum/ setztet? Dergleichen Unform/ erscheinet in diesen Reimen: ¶ Wann soll doch mein Leid sich enden/ ¶ […] ¶ Weil Geistliche Lieder für jederman/ auch für Ungelehrte/ gesetzet werden/ so hat man auch darum diesen Unform zu vermeiden. ¶ 147 Es folget aber hieraus nicht/ daß man/ zum gegenspiel/ in dergleichen Gedichten/ alle Poetische und Figürliche Redzierden hinweg lassen/ und nur schlechthin leblose Reimen leimen und daher lirlen müße. GOtt/ der uns den Verstand und die Rede verliehen/ hat uns ja nicht verboten/ zierlich von und vor ihm zu reden. Er hat auch befohlen/ daß man ihm ja nichts gebrechlichs/ dürres oder dergleichen/ sondern etwas gutes und unmangelhaftes/ opfern solle/ ([aq]a[/aq] [3 B. Mos. 22 V. 22]) sonst [S] werde es nicht angenehm seyn. Und wie solte es können GOtt gefallen/ wann ein fauler Gesell/ der das Gehirne nicht anstrengen mag/ ein rechtschaffenes Gedicht zu verfärtigen/ oder verfärtigen zu lernen/ ein leeres Gewörtel ohne Geist und Andacht/ wie es ihm ungefähr und in der Eile zwischen die Backen und Finger kommet/ auf das Papier sudelt/ und solche Schalen ohne Kern/ wie jener/ ihm aufopfert? ¶ 148 Da auch Geistliche Lieder zu des Nächsten Gebrauch/ und daß auch andere GOtt damit verehren/ geschrieben werden: wie kan/ durch ein solches HülfenLied/ die Andacht bei jemand erwecket und dessen Geist angefeuret werden/ da es ohne Geist und Andacht geschrieben worden? Ich setze/ zum Beispiel/ dieses Geschmiere. ¶ Was sagt König Salomon/ ¶ […]'
'Sein [Torquato Tasso, J. T.] herrlicher Verstand leuchtet hierauß hervor/ daß er in dem siebenzehenden Jahr seines Alters [aq]Theologiae, Jurisprudentiae[/aq] und [aq]Philosophiae Doctor[/aq] geworden/ welche Dinge er aber alle hernach verlassen hat/ und sich auff die Poeterey allein begeben.'
'§. [aq]16[/aq]. Was muß dann dieser Poetischen Kunst Liebhaber mehr fassen und verstehen lernen? ¶ [aq]Resp[/aq]. Alles/ was die Natur und Künste in sich fassen und halten/ Alle irdische und himmlische Sachen; Alle alte und neue Poetische Fabulen/ Gedichte und Erfindunge.'
'§. 7. Was gebrauchen dann die Dichter in der [aq]Composition[/aq]? ¶ [aq]Resp[/aq]. Sie gebrauchen durch grossen Verstand/ und mit Sinnreicher Wissenschafft/ alte und neue [aq]Historische[/aq]/ [aq]Physische[/aq]/ Geistliche/ Weltliche/ [aq]Fabu[/aq]löse/ nachdenckliche und gemeine Sachen.'
'§ 3. Wie kan man [aq](1)[/aq] von der Zeit [aq]Materien[/aq] der Gedichter nehmen? ¶ [aq]Resp[/aq]. […] [aq](3)[/aq] Von den Zeiten der Fest-Tagen/ als: Wynachten/ Neuen-Jahr/ Oster-Pfingst- und Michaels-Fest/ &c.'
'Die Fabeln und Gedichte waren nichts anders als der Mantel der Alten/ worein sie ihre Sachen wickelten/ und wer etwas verborgenes wolte vorstellen/ der that es in Versen/ in welchen die Warheit verborgen lag. Denn gleich wie eine vergoldete Pille/ die Bitterkeit verdeckt/ also verdeckte man den Nachdruck seiner Rede mit dieser Art zu schreiben/ wie <aq>Georgius Sabinus<aq> redet/ weilen keine andere Wissenschafft die Freyheit hat/ die diese Kunst ihr nimmet. Sie war der Spiegel/ so den Menschen in geist- und weltlichem Leben alles vorstellete/ was ihnen zur Sitten und Tugend lehre/ ja selbst zur Gottesfurcht vonnöthen solte seyn. ¶ §. 4. <aq>Marcellinus Lib. 5.<aq> und <aq>Strabo Lib. 5. Geograph.<aq> schreiben: Es waren dreyerley Leute/ die man in höchsten Ehren hielt: <aq>Bardi, Vates<aq>, und <aq>Druiden<aq>. Die <aq>Bardi<aq>, welche Sachsen und die <aq>Lombardeu<aq> bewohneten/ so hernach von <aq>Carolo M<aq>.sind bekehret worden/ die sungen ihre Lob-Gedichte/ und waren Poeten/ welche <aq>Nonius, Nobilitatis Cantores<aq>, und <aq>Diodorus Siculus, Poetas Melodiarum<aq> nennen <aq>Lib. 16.<aq> Von diesen kamen hernach die Meister-Sänger. Die Vates opfferten und betrachteten die Natur aller Dinge. Die Druiden pflegten über die natürliche Wissenschafft auch von guten Sitten zu unterrichten. Besiehe hievon <aq>Lucanum L. 1.<aq> von bürgerlichem Kriege. <aq>Polydorum Virgilium<aq>. Herr <aq>D. Scharffens<aq>, meines hochgeehrten <aq>Patro-<aq> [S] <aq>nis<aq>, welchen Gott mit Segen kröne/ seine <aq>Disputation, de Gallorum Druidis<aq>. ¶ §. 5. <aq>Zoroaster, Eumulphus, Museus, Orpheus, Homerus, Plato, Johannes Grammaticus<aq> und andere vornemlich Grichen/ die sind die ersten Anherren dieser Kunst gewesen/ daß man also wohl sagen kan: die Dichter waren eher als die Redner und Geschicht-Schreiber: welchem <aq>Lactantius<aq> selbst und <aq>Strabo Lib. I. Geograph.<aq> Beyfall giebet: Die Poeterey sey nach der Alten Sprichwort/ die erste <aq>Philosophi<aq>, daher sie in den grichischen Städten zu erst die Knaben in der Dichterey unterweisen ließen/ daß sie theils Sittsamkeit lehreten/ theils auch desto grössere Lust zum Studiren schöpfften; und hielten die Heyden die Poeten vor Propheten wie die Schrifft weiset <aq>Act. 17. 28. Tit. I. 12. I. Cor. 15. 33<aq>. besiehe Sr. <aq>Excellentz<aq> Herr <aq>D. Scharffens Problemata Poetica<aq>. ¶ §. 6. <aq>Aristoteles, Cicero<aq>, die gaben zu erst ihre Meinungen in gebundener Rede heraus; Ja wie <aq>Livius<aq> und <aq>Cicero<aq> selbst gedencket/ so habe man alles damahls abgesungen. Und so wir das Zeit-Maß von Adam anziehen/ so will <aq>Polydorus Virgilius Lib. I. c. 14. de rerum invent<aq>. daß die Reim-Kunst dem Adam wäre von GOtt nebst andern Wissenschafften mitseinem Leben eingeblasen worden/ welcher sie den dem Seth, und der folgends seinen Nachkommen beygebracht hätte. Daher hernach Moses/ als er durch das rothe [S] Meer glücklich gegangen wäre/ Gott zu Ehren/ in Versen sein Danck-Opffer gebracht; nach <aq>Josephi<aq> Bericht <aq>Lib. 2. Antiquit. Judaic<aq>. welchem David hernach mit seinen Psalmen/ Assaph mit seinen Liedern/ Salomon mit seinem Hohenliede/ und andere mehr gefolget. Besiehe Herr <aq>M. Küpffenders Disput<aq>. vom Lob der Poesie/ desgleichen <aq>Meisnerum de Leg. p. 8<aq>. ¶ §. 7. Was <aq>Homerus<aq>, der zur Zeit des Königes Assä lebte/ und also noch vor Elia/ vor Erfindungen gehabt/ davon will noch nicht der Ruhm schweigen. Von den Griechen worde solche Kunst in dem ersten <aq>Seculo<aq> durch <aq>Livium Andronicum<aq>, und <aq>Paccuvium<aq> zu den Römern gebracht& biß sie nach und nach solche <aq>Maecenates<aq>, und Augustos erweckte/ die sie beföderten/ und es hernach <aq>Seculo X. XII. & :III<aq>. so hoch darinnen kam/ daß man es die goldene Zeit der Poeten nennete.'
'Alle Künste so nicht einen Nutzen sollen nach sich ziehen/ die verdienen mehr geflohen als geliebt zu werden; Allein unsre edle Poesie erzeiget einen dreyfachen Nutzen; Da ist sie (1) nützlich wegen GOttes/ (2) wegen unsers Nechsten (3) wegen unser selbsten. ¶ §. 2. Nützlich ist diese annehmliche Wissenschafft wegen Gottes/ denn da kan ein verpflichteter Mensch die Ehre seines Schöpffers ausbreiten/ wie Rist/ Opitz und andere gethan. Kayser Ludwig der Gottselige genannt/ wolte diesen Nutzen im Wercke weisen/ in dem er aus Liebe zu der Poesie die Biebel in Reime bringen ließ/ wie das Register <aq>Testium Veritatis pag. 1035<aq>. berichtet / und <aq>Otfridus Wissemburgensis<aq>, wie eben daselbst <aq>pag. 934<aq>. zu finden ist/ ließ ein Theil des Evangelien-Buches in deutsches Verse bringen/ um seine <aq>Devotion<aq> gegen GOtt zu bezeugen.'
'und hat keine Kunst die Freyheit/ welche die Dicht-Kunst erlanget/ daß sie Todte lebendig und redend kan vorstellen/ Steinen und Bäumen/ Lippen und Augen anbilden etc. daß sie bald aus der Lufft ins Meer/ aus der Höllen in Himmel steiget etc.'
'Ein dichter soll vornehmlich seine Arbeit dahin anstellen/ daß er GOtt zu Ehren dichte/ wie solches absonderlich die Oden erfodern.'
"Doch tret' ich hoffend an ¶ die Kunst der Dichterey, des Himmels Bürgerinne, ¶ der Erden Wunderglanz, die Tochter der Liebinne, ¶ den Straal der Ewigkeit, das Mahlwerk der Natur, ¶ der Rede schönstes Feur und aller Weysheit Spur, ¶ in ein gekürztes Lied der Reimen einzuschlingen,"
"So mahlt sie [die Dichtkunst, J.T.] wunderlich mit Farben ab ein Werk, ¶ erhebt und steuret ihm Zier, Anmuht, Höh und Stärk' ¶ und macht ein Freudenfeur halb göttlich aus den Funcken ¶ Verklärter Geistigkeit, so bald sie ist gesunken ¶ auf ein unsterblich Blat."
'[Die Dichtkunst, J.T.] Giebt iedem sein Geschicke: ¶ fährt aus den Schranken aus der Menschlichkeit und pflanzt ¶ bey Göttern ihren Sitz.'
'Weil hier ein Dichter muß vor andern himmlisch seyn.'
"Es sey die dichter Red' ¶ Orakels sprüchen gleich, ein Dichter ein Profet, ¶ deß Geist vom himmel rührt und himmlisch wesen treibet, ¶ von irdnen losgezehlt, wenn er mit federn schreibet ¶ die unvergänglich sind."
"Gott hat Poeten lieb. Ihr Geist wird aufgelüftet ¶ durch mehr als Menschenwitz. Wenn Moses dicht und stiftet ¶ ein hohes Heldenlied, Debora sieghaft singt, ¶ und Davin einen Reim in seine harfe zwingt ¶ hört ihnen merksam zu das himmelheer und schallet ¶ ein schönstes Echo nach. Also, wenn nachtigallet ¶ das Ständlein Salomos üms Bett der Sulamit, ¶ brennt ihres Freundes herz, erwallet, hitzt und glüht, ¶ mit Flammen, die mehr stark sind, als der Tod und helle. ¶ Wer stürzt ein Trähnen Meer nicht aus der Augenquelle ¶ wenn er das winseln hört, das Jeremias treibt, ¶ in dem er Salems Sturz und Mauerfall beschreibt ¶ mit einem kiel, den ihm recht in Parnaßen Mitten, ¶ (Ich meine Sions Burg) Melpomene geschnitten? [S.i.O.] ¶ kein Redner, möcht er auch Demostenen bestehn, ¶ und deme von Arpin an Nachdruck übergehn, ¶ gleicht ie dem donnermund' aus dem ein hiob wittert ¶ und Gottes Recht verficht, daß Unschuld drob auch zittert. ¶ Fällt schon ein Zweyfel vor, wie der und jener denkt, ¶ die Schriften wären nicht in Versen eingeschrenkt! ¶ macht doch der große Geist, wär' auch die Red' unbündig, ¶ den Himmelstrieb verklärt und den Poeten kündig, ¶ der sich nicht bergen kan, wie tief er gleich sich deckt:"
"Alleine die Poeten ¶ sind Väter erster Lahr. Ohn sie müst' ietzt noch röten ¶ vor Schaam der Gottesmann, der Redner und Jurist, ¶ weil die Poeterey allstets gewesen ist ¶ der Sprachen Meisterin, Vermehrerin und Schule, ¶ Norm, Form und Prüfestein, und auf der Weysheit Stuhle ¶ mit recht sitzt oben an,"
'Nachdem ich dadurch bekannt worden/ habe ich hernach/ auf Ersuchen/ bey allerhand Fällen/ mit Gedichten gedienet/ und vieler Mund und Feder seyn müssen/ wie der Fort- und Aufgang besaget/ und bezeuget/ daß ich das [S] wenigste unter meinem Namen gemachet/ was geistlichen Einhalts ist/ ausgenommen/ darzu mich mein Christentuhm verbunden.'
'Was geistlichen Innhalts ist/ dem hat man allezeit/ wie billich/ den Vortritt gelassen.'
'Der Gekrönte in seinem B. von der Deutschen Poeterey/ im V. Capitel beschreibet solche also: Die Erfindung der Dinge ist nichts anders als eine sinnreiche Fassung aller Sachen/ die wir uns einbilden können/ der himmelischen und irdischen/ die Leben haben/ und nicht haben/ welche ein Poete ihm zu beschreiben und herfür zu bringen vornimmet.'
'3. Wenn die Erfindung da ist/ so hat man eine hierzu sich wol schikkende Redgebänd=Art aus zu wehlen / wol an zu fangen/ zierlich fort zu gehen/ (wie denn die Poetische Rede dem Tanzen/ und die Gemeine dem Gehen verglichen wird) schöne Lehren von Gotte und der Tugend mit einzusprengen/ in frölichen Fällen auf Belustigung/ in traurigen auf Ernst/ des Verstorbenen Lob und Bedauerung/ ingleichen auf den Trost für die Hinterbliebene/ und in allem auf die Ehre Gottes zu sehen/ Heydnische Red=Arten zu vermeiden/ von hohen Sachen hoch/ von niedrigen niedrig zu reden/ viel mit wenigen zu begreiffen/ und nachdenklich zu beschliessen.'
'Die Sachen bestehen in Poetischen Erfindungen. Deßwegen ein der ReimKunst Ergebener sich die Poetischen Gedichte/ Geist- und Weltliche Geschichte bekant machen muß.'
'[aq]IV[/aq]. Ein Poët/ welcher den Nahmen in der That führen soll/ ist ein solcher Mann/ der in artigen und annehmlichen Gedichten die Göttliche und Menschliche Weißheit vorstellen kan/ wie etwan der alte [aq]Plato[/aq] die Poëterey [griech.], das ist/ alles mit einander/ und den gantzen Begriff der Weißheit zunennen pflegt. Und eben deswegen ist [aq]Homerus[/aq] auch hernach [aq]Virgilius[/aq] in allen Schulen/ so sehr [aq]aestim[/aq]irt und getrieben worden/ nicht/ daß die jungen Leute solten lernen Verse machen/ sondern/ daß sie von den [aq]arcanis[/aq] der Götter/ der Opfer/ und aller Tugenden etwas ausführliches begriffen solten. Und wie etwan bey unsrer waren und von GOtt erleuchteten Religion die Psalmen und Propheten gelesen werden/ nicht daß wir neue Psalmen und Prophezeyungen solten nachmachen/ sondern/ daß wir uns daraus zu unserer Seeligkeit erbauen sollen: so hatten sich die Heyden in ihrer Blindheit auch gewisse [aq]vates[/aq] ausgelesen/ welche bey der Jugend auch nachgehends bey den Leuten/ die man aus Schulen zu nehmen pflegt/ mehr zur [aq]admiration[/aq] als zur [aq]imitation[/aq] dienen solten. [S] ¶ [aq]V[/aq]. Je mehr aber dieselben Gedichte theils [aq]ad theologiam mythicam[/aq], theils [aq]ad prudentiam hieroglyphicam[/aq] geneigt sind; desto weniger haben wir einen Staat darvon zu machen/ nach dem wir die Erkäntniß Gottes und die Lehre der Politischen Klugheit etwas deutlicher und verständlicher in unsren Büchern enthalten wissen. Also ist es kein Wunder/ daß mancher in den alten Poeten weniger findet/ als die Leute vorzeiten darinnen gesucht haben. Wenn auch jemand bey den Christen auff so ein Gedichte gedencken wolte/ so würde doch solches mehr zum Zeitvertrieb angenommen/ als den Schulen/ unter dem Titul eines hochnöthigen Buches/ [aq]recommendiret[/aq] werden.'
'[aq]ut sic via muniretur, ad discendam porro Latinam Poësin, & illam, quam Gentiles, Deorum sermonem esse crediderunt, Graecanicam. ¶ Quamobrem serio iussi, me imitaretur, & aevi maturus, Poëtas omnium gentium, quarum idiomata callere contingeret, praecipue autem Graecos & Latinos, omnis divinae humanaeque sapientiae magistros illos, diurna nocturnaque manu versaret[/aq]'
'Des Poeten Absehen ist gerichtet/ auf den Nutzen/ und die Belustigung. Und schreibet ein löblicher Poet allezeit solche Gedichte/ die zu GOttes Ehre zielen/ grosse Herren und gelehrte Leute belustigen/ die Unverständigen unterweisen/ der Verständigen nachsinnen üben/ die Einfältigen lehren/ die Betrübten trösten/ und der Frölichen Freude vermehren.'
'LXIII. Endlich müssen es kluge Verse seyn. Das ist/ es muß weder ein [aq]Theologus[/aq], noch ein [aq]Ethicus[/aq], noch ein [aq]Politicus[/aq] was daran zu tadeln haben.'
'7. Was sonst den Ursprung der edlen Poeterey betrifft/ so ist zu wissen/ daß die Poeten vor Alters zugleich Natur Kündiger/ Sitten Lehrer/ und Saiten Spieler gewesen; hernach aber als die freyen Künste mit Zunehmung der Zeit auch fort gewachsen und höher gestiegen sind/ haben sich etzliche auf dieses/ etzliche auf ein anders geleget; Die edle Poeterey aber ist allezeit so wohl bey dem wahren als bey dem falschen GOttes-Dienst geblieben/ und von allen Barbarischen Völckern hoch gehalten worden.'
'5. Wer aber den Namen mit der That haben will/ daß er ein künstlicher Tichter/ Poet oder Verßmacher heissen möge/ der muß ein solcher Mann seyn/ der in artigen und annehmlichen Gedichten die göttliche und menschliche Weißheit vorstellen könne/ wie etwan der weise [aq]Plato[/aq] [griech.], Das ist: alles miteinander/ und den gantzen Begriff der Weißheit zu nennen pfleget/ davon anderstwo ([aq]b[/aq] [= [aq]vid[/aq]. Hrn. Christian Weißen in den Curieusen Gedancken über die Teutsche Verse. [aq]Part. II. cap. 1, §. 4. p. m. 6 Conf. Suad. Delph. Crucii Or. IV. P. 26[/aq].]) ein mehrers zu lesen.'
'7. Ist also wohl war/ was oben angezogener berühmte Mann ([aq]d[/aq] [Herr. Harsdörffer im [aq]CLI[/aq]. Gespräch Spiel.] schreibet/ wann er sagt: Die edle Poeterey ist eine keusche Jungfrau/ welche alle Unreinigkeit hasset/ und Anfangs sonderlich zu dem GOttesdienst gewidmet/ auch von den Völckern/ die sonst aller Wissenschafften und Künsten unwissend gewesen. Nun aber wird sie zum öfftern (welches zu betrauren und zu beklagen ist) als eine gemeine Metze zur Wollust und Uppichkeit mißbraucht!'
'4. Und ist demnach kein Wunder/ daß denen Poeten sonderliche Nahmen beygeleget werden/ welche bedeuten/ daß Sie von den Musen oder Göttinnen der freyen Künste gleichsam angefeuret werden/ und daß Phoebus selbst ihr Gemüth entzünde/ indem sie sagen: ([aq]e[/aq]. [= [aq]Ovidius Lib. VI. Fastorum. vers. 5[/aq].]) ¶ [aq]Est Deus in nobis, agitante calescimus illo[/aq], ¶ [aq]Impetus hic sacrae femina mentis habet[/aq]. ¶ Welches ich dorten ([aq]f[/aq]. [[aq]In Viridario meo Poëtico Parte II. p. m. 35[/aq].]) also teutsch gegeben. ¶ Es ist ein GOtt in uns/ so sagen die Poeten/ ¶ Wann der sich in uns regt/ so wird uns warm gemacht; ¶ Und was durch dessen Trieb von uns wird vorgebracht/ ¶ Ist anders nicht/ als wanns herkäm von den Propheten. ¶ 5. Und ist dieses Orts nicht zu verschwei-[S]gen/ daß etzliche von denen alten Vättern und Lehrern der ersten Christlichen Kirchen die Poeten anders nicht genennt haben als Propheten-Diebe: Weil sie nemlich viel aus der H. Schrifft gestohlen oder genommen haben/ wie fürnemlich in des [aq]Ovidii[/aq] Buch/ [aq]Metamorphosis[/aq] genannt/ oder die Verwandelung/ aus welchem es scheint/ daß er viel mit unter sein Fabelwerck/ und erdichtete Schrifft mit eingemenget habe. ¶ 6. Sonst werden sie auch Brüder der Natur genennt; Weil sie nemlich nicht allein ein Ding klug und sinn-reich erfinden und fürstellig machen/ als wann sichs in der That und Wahrheit also befände; sondern auch/ weil sie der Zeuge-Mutter aller Dinge/ der Natur/ dergestalt nachahmen/ daß sie alles eigentlich u. natürlich vorstellen/ wie es an sich selbst ist'
'Viele der Heiden haben derer Erfindung dem Apollo/ die Aegyptier dem Osiris/ die Thracier dem Orpheus zugeschrieben. Andere haben denen Musen die Pallas vorgesetzet/ und gedichtet/ daß diese aus des Jupiters Gehirne gebohren worden: anzudeuten/ daß alle Weißheit und [S] gute Wissenschafften von GOtt herkommen. Einige Christ-gelehrte stehen in dieser frommen Meinung/ als hätten schon die aller-älteste heilige Väter/ wann sie im grünen/ bei unschuldig-guter Muße sich erlustiret/ oder ihrem Feld- und Welt-Bau obgelegen/ Lob- und Dank-Lieder/ zur Ehre GOttes/ gedichtet und angestimmet. Zumaln aus heiliger Verwunderung und Erforschung der Natur und Welt-Geschöpfe/ die [aq]Hymni[/aq] oder Göttliche Lobgesänge entsproßen; gleichwie aus der Betrachtung des menschlichen Lebens und Wandels/ die Sitten- und Tugend-Lieder/ auch Straff- und Stichel-Gedichte/ in Gebrauch gekommen. Ingleichen seye es warscheinlich/ fügen sie hinzu/ daß noch vor der Sündflut in der Schule Henoch/ der ein göttliches Leben geführet/ der Höchste mit geistlichen Psalmen und Liedern wäre verehret worden. Ob Noah/ bald nach der Sündflut/ bei dem Opfer etwann auch einen Lob- und Dank-Gesang gen Himmel geschicket/ daran ist fast nicht zu zweifeln: gewißer aber dieses/ daß einige hundert Jahre hernach Hiob und Moses/ als geistig- und geistliche Dichter/ sich haben hervor gethan; und dieser absonderlich ein schönes Dank-Lied dem HErrn angestimmet/ nach dem triumfirenden Auszug der Kinder Israel durch das rohte Meer: * [2. B. Mos. XV.] worbei auch seine Schwester Mirjam das ihrige beigetragen/ und den Weibern am Reigen vorgesungen. Welcher Gestalt besagt-Israelisches Volk an der Gränze von Moab/ über einen Brunnen/ ein Lied wechselweiß gesungen/ hat eben deßelben Heer-[S]führer und Capellmeister Moses in seinem IV Buch ** [Cap. XXI. v. 17. 18.] angeführet. Nicht gar anderthalb-hundert Jahr hernach trat im Volke GOttes hervor die Richterin/ Prophetin und Poëtin Debora; welche samt dem Barac/ nachdem sie die Cananiter besieget/ GOtt mit einem herrlichen Triumph-Lied gedanket. ***[B. der Richter Cap. V.] Und glauben etliche/ daß diese Debora eine von den alten Sibyllen gewesen; welche auch Poëtinnen waren/ und ihre Weißagungen in Versen beschrieben. Bald darauf haben die Griechen ihren Amphion aufgestellet/ und von ihm erzehlet/ daß er durch seine liebliche Dicht- und Sing-Kunst die Steine zu den Mauren der Stadt Thebe versammlet; oder vielmehr/ durch seine geschickte Poësie und Wolredenheit/ die hart- und wilden Leute bezähmet habe/ Städte zu erbauen/ und friedlich beisammen zu wohnen. Diesem folgten ihre annoch-berühmte alte Po[aq]ë[/aq]ten/ Linus/ Orpheus/ Musaeus; wie auch in Italien die Carmenta/ Evanders Mutter/ welche aus Arcadien/ einer Griechischen Provinz/ die Poësie solle dahin gebracht haben. ¶ Um das Jahr der Welt 2890 schwange sich die Po[aq]ë[/aq]sie mit dem David auf den Könglichen Thron; von welchem Mann und Dichter nach dem Herzen GOttes/ die Po[aq]ë[/aq]tische Fabel von dem Apollo und seinen Musen auf dem Parnassus-Berg/ nach etlicher fromm-gelehrter Meinung/ soll herstammen. David nemlich hatte um sich viel Hof-Musicanten/ den Assaph/ Ethan/ Heman/ Jedithun/ und andere/ mit denen er heilige Sängereien [S] angeordnet/ und er selbst auf der Harpfe gespielet. Also hat der Satan/ GOttes Affe/ zu Delphis Pythische Gesang-Spiele angestellet/ und dem Apollo die Leyer/ auch seinen Musen verschiedene Instrumenten in die Hand gegeben. David hat den Riesen Goliath/ und der Sohn Davids den höllischen Python erwürget: dergleichen Thaten werden auch dem Apollo angedichtet. Zu Jerusalem waren zween heilige Berge/ Sion und Morijah/ auf derer jenem David residirte; diesen beeden Bergen wurde der zwei-gespitzte Parnaßus nachgebildet. In Jerusalem war das Jüdische Sanhedrim; also auch zu Delphis der hohe Griechen-Raht der Amphictyonen. Aus dem Berg Sion entsprang der Brunn Siloah/ daraus ein blind-gebohrner sich sehend gewaschen/ und anderseits die Brunnen Gihon/ Rogel und mehrere; welche durch die Dichter in die Kunst-Brunnen am Parnaßus und Helicon verwandelt worden/ als daraus man sich Kunstsehend und gelehrt trinken könne. Diese geistliche Erklärung lassen wir in ihrem Wehrt: und wißen freilich/ daß die Heiden/ weil sie vieler Sachen und Künste Ursachen nicht erkennen können noch mögen/ selbige ihren Göttern zugeschrieben; dahero auch die Erfindung der Dicht-Kunst (wie schon gemeldet worden) dem Apollo zugeeignet/ weil er durch das Delphische Orakel/ von uralten Zeiten her/ in gebundener Rede geantwortet/ und andere dergleichen [aq]Oracula[/aq] oder Götzen-Stimmen Versweiße geweissaget. ¶ Nach Davids und seines Sohnes Salomo (welcher über tausend Lieder gedichtet/ * [1 B. der König. IV. 32.] von denen [S] das so genannte Hohe Lied noch vorhanden ist) weisester Regierung/ ließ sich in Griechenland hören Homerus/ der Fürst selbiger Poësie/ und Vater der Mythischen/ das ist/ der allerältesten Philosophie;'
'Wir wollen aber bei der alten Ebreer/ Griechen und Lateiner Po[aq]ëterei[/aq] uns nicht aufhalten; sondern nur noch dieses melden/ daß auch von vielen andern alt-bekannten und barbarischen Völkern/ als den Aegyptiern/ Thraciern/ Celten u.a.m. die Po[aq]ësie[/aq] hochgehalten worden/ und bei ihrem Gottesdienst/ auch andern vornehmen Verrichtungen/ im Gebrauche gewesen: wie nun insonderheit von den alten Teutschen/ unsern Vorfahren/ soll dargethan werden.'
'Sind also unserer uralten Vorfahrer ihre Priester/ Po[aq]ë[/aq]ten und Musicanten gewesen/ welche bei ihren Opfern/ und sonsten/ ihre Stimme hören laßen/ und an statt der Chronologie und Geschichtschreibung/ verschiedene [aq]carmina[/aq] und Gesänge von ihren alten Helden gedichtet und abgesungen.'
'Gleichwie nun bei den Ebreern die Hohenpriester/ bei den Babyloniern und Persen die [aq]Magi[/aq] oder Weisen/ bei den Aegyptiern und Griechen die [aq]Hierophantae[/aq], bei den Indianern die Brachmanen/ und bei den Römern die [aq]Pontifices[/aq], den [aq]fastis[/aq] und Jahr-Büchern vorgesetzet waren: also haben bei den alten Teutschen ihre Priester/ die Barden und Witdoden/ sich der alten Geschichten und Helden-Thaten ihres Volkes fleissig angenommen/ und derer Andenken durch Lieder fortgepflanzet/ auch damit ihren Gott gepriesen. Dann was die Materie dieser ihrer Lieder anlanget/ so schreibet vorbemeldter [aq]Tacitus: Celebrant carminibus antiquis Tuistonem deum terra editum, & filium Mannum, originem[/aq] [S][aq]gentis conditoremque. Tuistonem[/aq], sagt er/ oder wie [aq]Conringius[/aq] und andere lesen/ [aq]Tuisconem sive Teutonem[/aq]; daher auch der Nahme Teutisch oder Teutsch kommet/ und seinen Sohn [aq]Mannum[/aq]; dadurch sie etwann den ersten Menschen Adam verstanden/ und daher noch das Wort Mann und Mensch bei uns verblieben; auch der Lateiner [aq]Mas[/aq], und der Aegyptier [aq]Man[/aq] und [aq]Men[/aq] fast gleiches Lautes sind. Etlichen meynen/ sie hätten durch den alten [aq]Mannum[/aq] den Noah verstanden; indem sie aus Vermischung der Historien von Adam und Noah/ welche vielleicht durch die Fabeln/ als es zu geschehen pfleget/ sehr verdunkelt worden/ [aq]ex traditione majorum[/aq] vernommen/ daß das ganze menschliche Geschlecht ersäufet worden/ und nur ein Mann/ sammt seinen dreien Söhnen/ übergelieben; welche hernach die Erde unter sich ausgetheilet.'
'Ob nun gleich die Poesie eine der edelsten Wissenschafften/ und man sie wegen der angebohrnen Hoheit und Vortreflichkeit des Geistes/ so sie durch denjenigen strahlen läst/ in dem sie rechtschaffen wohnet/ eine Göttliche Kunst nennet/ so wird sie dennoch von unwissenden Verächtern vor närrisch ausgescholten'
'Wenn sie an sich ein Licht eines vortrefflichen Verstandes/ so kan man es zum Ruhm des Höchsten/ zu einer Zufriedenheit des Gemühts/ zur Erbauung des Nächsten und dergleichen/ so wol in einem duncklen Wald/ in einer einsamen Wiesen/ unter schattigten Bäumen auf dem Lande/ als in grossen Pallästen anzünden; Und wenn mir ein übel [aq]moralisir[/aq]ter und nicht Christlich-kluger Fürst/ nebst einem an Wissenschafft reichen/ an Glücks-Gütern aber Bettel-armen Poeten zu freyer Beurtheilung vorgestellet würde/ so könte die Billigkeit selber nichts anders sagen: Als daß jener an menschlicher/ dieser aber an Göttlicher Würde den Vorzug behalte.'
'Allein welchen vernünfftig Gelehrten ist unbekandt/ was der Herr von Lohenstein in seinen Trauer-Spielen/ noch mehr aber in seinen beyden Theilen des [aq]Arminius[/aq] erwiesen? Wir haben kein schöner Muster zur Nachfolge in der [aq]Poesie[/aq] als dieses Buch; und da es das beste/ so will es uns zur Ausübung dieser edlen Wissenschafft mit einer solchen Erinnerung aufmuntern/ daß nichts schwerer/ als ein Poet zu seyn. [aq]Theologi[/aq], grosse Sitten-Lehrer/ Natur-Kündiger und Staats Leute werden über diesen Vorzug desto weniger eyfersüchtig seyn/ weil sie insgesammt ihre [aq]Portraite[/aq] und alles dasjenige darinnen beysammen finden/ womit sich ein jeder besonders bey der Nachwelt Preiß-würdig erweisen kan.'
'[aq]II[/aq]. Das wird mir niemand läugnen können/ daß die Poesie etwas Göttliches in sich begreiffe/ und hierinnen den Rang vor allen andern [aq]Disciplinen[/aq] habe. Ja/ wenn ich so reden darff/ so [aq]concentri[/aq]ret sich die verborgene Krafft und [aq]Quintessenz[/aq] einer Sprache in einem Verse oder [aq]Carmine[/aq].'
'Wenn sich wenige [aq]Philosophi[/aq] zu Poeten/ so schicken sich alle rechtschaffene Poeten hauptsächlich [aq]Philosophi[/aq] zu seyn/ wegen ihres vor andern vor Natur empfangenen durchdringenden und zur Er-[S]kentniß verborgener Warheit fähigen Geistes. Denn diese Göttliche Wissenschafft hat/ ich weiß nicht was geheimes und verborgenes in sich/ welches allen nicht gegeben noch offen stehet/ sondern nur dem ¶ [aq]Ingenium cui fit, cui mens divinior[/aq]. ¶ der einen gleichen Verstand/ und ein erleuchtetes Gemüht hat. Sind nicht meine sondern des [aq]Flacci[/aq] Worte; wie auch [aq]Plato[/aq] an vielen Orten nicht undeutlich lehret/ ob er gleich den Mißbrauch verwirfft. ¶ Will einer vielleicht einwenden/ die Weißheit in der [aq]Poesie[/aq] habe nicht das Absehen/ noch die Wirckung in Erbauung der Menschen/ als die andere eigentlich genannte [aq]Philosophie[/aq]; dem antworte: bey manchen Poeten vielleicht beydes nicht/ und bey manchen auch mehr; oder in Lesung der [aq]Poesie[/aq] hat die darinnen begriffene Weißheit offt mehr heilsame Wirckung bey manchen Leuten/ als die andere [aq]Scholastische Philosophie[/aq]. Des vortrefflichen alten und jungen Herrn Grüphien geistliche Lieder und Gedichte/ wie auch des Hrn. Hofmanns-Waldau seine/ etc. nebst dieser beyden und des Herrn von Lohensteins höchst-schätzbaren Sit-[S]ten-Lehre. Ja des Herrn Ober-Hof-Predigers Neumeisters an dem Reichs-Gräflichen Promnitzischen Hofe/ Geist-reich bewegende geistliche [aq]Cantaten[/aq], anderer itzo nicht zu erwehnen/ könten zu einiger Behauptung meiner Meinung angezogen werden.'
'So bleibt doch bey Redlichgesinnten in Betrachtung deß Nutzens ihr [aq]AEstim[/aq] ungekräncket/ denn dardurch ¶ Die Ehre GOttes außgebreitet/'
'[aq]Ursent[/aq]. […] Haben nicht die heiligste Männer ersterer Zeit ihre GOtt-ergebene Andachten in gewissen Liedern der spaten Nachwelt aufgesetzet hinterlassen. Wer solte demnach so verkleinerende Gedancken von der edlen [aq]Poësie[/aq] bey sich hegen. ¶ [aq]Mel[/aq]. Er erlaube mir/ daß ich mich einer Apologie unterfange: Dieser gelehrte Mann [Heinrich Cornelius Agrippa, J.T.] mag wol auf den Heydnischen Mißbrauch dieser Kunst gesehen haben/ da man ihm billich nicht in Abred seyn kann/ ihre [aq]Poësie[/aq] habe nichts denn schandliche/ ärgerliche und anzügliche Geburten ans Liecht gestellet. ¶ [aq]Urs[/aq]. Seiner angeführten Meynung will ich durch ein deutlich Gleichnuß die Hertz-Wurtzel leicht außstechen. Man siehet/ daß viele den edlen Wein schändlich mißbrauchen/ sich damit vollfüllen/ und der Gesundheit mercklichen Abbruch thun; Gleichwol aber [S] wird niemand so verwegen seyn/ und behaupten wollen/ dieses Gewächs seye zu dergleichen Sünden hervor gekommen/ oder man müsse deßwegen den Wein-Bau stracks verbieten. ¶ [aq]Mel[/aq]. So wird man mir doch nimmermehr läugnen können/ daß die Dicht-Kunst ihre vermeynte Zierlichkeit als eine Bettlerin von andern Wissenschafften entlehne. ¶ [aq]Urs[/aq]. Ich muß zwar frey bekennen/ daß die Poësie nach dem Außspruch des gelehrten [aq]Jesuiters Balbini[/aq] der [aq]Pandoraegleich[/aq] komme/ von deren die Poëten dichten/ daß alle Götter sie mit ichtwas gewisses beschencket. Jedoch aber folgt keines Wegs/ die Dicht-Kunst seye verächtlich. Eben wie jene vielmehr hoher und vollkommener geschätzet worden.'
'[aq]Urf[/aq]. [...][S][...] Jedennoch fliessen unterschiedliche schöne Nutzen auß dieser Kunst her. ¶ [aq]Mel[/aq]. So möchte ich doch wol welche hören. ¶ [aq]Urf[/aq]. Ich bin willig und bereit/ ihm solche zu eröffnen: Er mercke demnach wohl/ daß man GOtt/ seinem Nächsten und sich selbst dienen könne. [S] ¶ [aq]Mel[/aq]. Wie kan aber ein Liebhaber/ der sich darinnen zu üben begehrt/ seinem GOtt damit dienen. ¶ [aq]Urf[/aq]. Bald kan es in einer andächtigen Ode/ bald durch eine anderwärtige geistliche Betrachtung geschehen; Und wohin zielen denn anderst die gewohnliche Kirchen-Lieder/ als/ daß dardurch die Ehre GOttes befördert und gepriesen werde.'
'DIe Hochteutsche Vers-Reim- und Dicht-Kunst erfodert Sachchen und Wôrte. Die Sachchen sind entweder Geistlich oder Weltlich. Unter den Geistlichen bekanten ist das Lîd Mosis und Mirjam wol das älteste/ das sie gesungen/ als GOtt den Pharao mit den Egyptern im roten Mär ersäufet hatte/ das zu sehen im 15. Cap. des andern Buchs Mosis. Sonderlich aber sind die Psalmen/ oder Lider/ des Königs David/ auch sehr alt. Denn man hält dafür das der David gelebet zu der Zeit als Troja von den Grichen verstöret worden. Hundert und 50. Jahr darnach hat [S] [aq]Homerus[/aq] Gelegenheit genommen/ seine [aq]Rhapsodias[/aq] von dieser Verstörung zuschreiben und also sind die Lider des Mosis und Davids vîl älter als des [aq]Homeri[/aq] Schriften/ den man für den ältesten weltlichen Poëten hält.'
'Daher sind inn den alten Zeiten die [aq]Theologi[/aq] gemeiniglich Poëten gewesen/ und [aq]Cicero[/aq] der allerberedeste Römer bezeuget/ das kein barbarisches und wildes Volk den Namen eines Poëten verachtet/ sondern ihn allezeit hôch und heilig gehalten habe. *[[aq]Tacitus libr. 2. Annal[/aq].] Die alten Teutschen selbst haben ire Druiden und Barden nicht allein für ire Prîster gehalten/ sondern ire Meister-Gesänge/ darinn sie die grôssen Taten der damaligen Teutschen gesungen/ so heilig gehalten/ daß sie nicht haben müssen beschriben und gemein gemacht werden.'
'Nun aber da mit den besten Versen wenig Guht zu gewinnen ist/ müssen sie die [aq]Musae[/aq] daran genügen lassen daß inn den Kirchen und auf den Canzeln mit geistreichen Lidern GOtt gedinet wird. Die weltlichen [S] [aq]Carmina[/aq] dinen zu disen Zeiten sonst wenig/ als daß man einen grôssen Herrn/ und [aq]Patro[/aq]nen damit Ere antuhe/ oder den Hochzeitern eine Lust machche/ und ire Gäste damit ergetze/ oder der verstorbenen Tugend preise/ und die Betrübte mit Trôst erquikke.'
'Da teilen sich dy Verse/ Reime und Gedichte nûn bald inn Geistliche und Weltliche/ wy auch im Anfange diser Kunst angefüret ist. ¶ I. Dy Geistliche haben auf nichts/ als auf GOtt ihr Absehen/ wy sy denselben loben und preisen/ und ihm Dank sagen wollen für alle Guhttaten Leibes und der Selen. Imgleichen daß sy ihn üm himmlische oder zeitliche Güter bitten. Oder daß sy ihn anrufen inn Kreuz/ Unglükk und Verfolgung. Oder daß sy Vergebung der Sünden suchen durch andächtige Buß-Gesänge. Diser Ahrt nûn sind inn der Evangelischen teut-[S]schen Kirche vîl verhanden/ und werden von Christlichen Poëten noch immer mehr zu Tage geleget. Dergleichen hihr anzufüren achte ich nicht nötig zu seyn; sondern wil den verlangenden Leser hinngewisen haben zu dem Teil dises Buches da meine geistliche Lîder/ Gedichte/ Seufzer/ Wünsche und Sprüche bey einander gefunden werden.'
'[aq]§. 3[/aq]. ¶ Von geistlichen Gedichten. ¶ GEistliche Gedichte sind so wohl die Christlichen Kirchen-Gesänge, als alle diejenigen, so eine geistliche oder [aq]Theologi[/aq]sche Materie abhandeln: ¶ Wie solche auszuführen, wollen wir ietzo nicht berichten. Denn weil doch iedweder Poete zum wenigsten den Grund seines Christenthum aus dem Catechismo wird erlernet haben, als wird sich alles leichtlich von selbsten ergeben. ¶ [aq]§. 4[/aq]. ¶ Von weltlichen Gedichten. ¶ WEltliche Gedichte sind diejenigen, welche kein [aq]Theologi[/aq]sches [aq]objectum[/aq] haben, sondern nur eine weltliche Materie abhandeln'
'Daher hat der weise [aq]Plato[/aq] nicht unrecht gethan, wenn er die Poesie [griech.] genennet/ weil sie ja in ihren Umfange alle andere Künste und Wissenschafften beschliesset. Eben dieses will [aq]Marsilius Ficinus[/aq], wenn er an einem Orte schreibet: [aq]Grammaticus sit Poeta meus, Philologus, nempe Antiquarius, Polyhistor, Philosophus & Politicus, praesertim autem Theologus, & in moribus politus, & in virtutibus multiplex[/aq]. Welches einem ieden als eine nützliche Lehre zu fleißiger Ausübung bestens [aq]recommendire[/aq] und also vor dieses mahl das gantze Werckgen im Nahmen GOttes beschliesse. ¶ [aq]SOLI DEO GLORIA[/aq]!'
'Einige sonst gantz galante [aq]Poëtische[/aq] Schrifften müssen auch der Jugend fast aus den Händen gespielet werden, weil sonst bey Erlernung der [aq]Poësie[/aq] bey einigen das Christenthum möchte verlernet werden, weil ihre [S] Seelen begieriger sind die Sirenen zu hören, als ehemahls [aq]Ulysses[/aq].'
'(3.) Wer sich nun will mit unter die Zahl der [aq]Poeten[/aq] zählen/ der muß vor allen Dingen [aq]Capacität[/aq] haben/ beydes Göttliche/ als auch menschliche Dinge geschickt vorzustellen.'
'Der Hr. Harsdörffer ist auch der Meynung/ wenn er an einem Orte spricht: Die [aq]Poesie[/aq] ist gleich einer keuschen Jnngfrauen/ die allem unreinen Wesen feind ist. Aber leyder! zu unserer Zeit wird sie als eine [aq]liederliche Dame[/aq] prostituiret/ und zu allerhand Uppigkeit und Unfläterey von vielen angewendet. Dem sey aber/ wie ihm wolle/ so bleibet doch diß ein richtiger und vernünfftiger Satz: [aq]Abusus non tollit usum[/aq]. Und wer demnach aufs Fleisch säet/ der wird vom Fleische erndten/ [aq]Galath. VI. 7[/aq].'
'Ein Redner hat dieses [aq]Enthusiasmi[/aq], oder dieser Kunst sich aufzubringen so nöthig als ein Poet, und das Göttliche, das in der Poesie gefunden wird trifft man auch in guten Reden an.'