Der fürtreffliche Poet [aq]Horatius[/aq], hat hierüber diesen ausspruch hinterlassen: ¶ [aq]Neque enim concludere versum * [Horat. ad. Pison.][/aq] ¶ [aq]dixeris esse satis, neque, si quis scribat, uti mos,[/aq] ¶ [aq]sermoni propiora, putes hunc esse Poëtam.[/aq] ¶ [aq]Ingenium cui fit, cui mens divinior atque os[/aq] ¶ [aq]magna sonaturum, do nominis hujus honorem[/aq]. ¶ Nicht gnug ist/ Zeil und Zeil wol binden/ und wol reimen: ¶ Nicht ist Poetisirn/ all Tages-Reden leimen. ¶ Der Geist und Feuer hat/ der höher denkt und redt ¶ als sonst ein PöbelKopf der heist mir ein Poet. ¶ 127 So folget dann hieraus/ daß ein SylbenKlecker und Reimträumer kein Poet sei/ und daß dieser Name viel ein mehres hinter sich habe/ als die Unwissenden ihnen traumen lassen. Bei [S] den Römern/ gienga das Sprüchwort: [aq]Orator fit, Poëta nascitur[/aq]; Rednere werden gemacht/ nämlich durch die Redkunst-Lehre/ aber Poeten werden gebohren. Solches erkläret [aq]Cicero[/aq], da er saget: ([aq]a[/aq] [[aq]Or. pro. Arch.[/aq]]) [aq]Poëtam naturâ valere, & quasi divino spiritu afflari[/aq]; ein Poet werde von der Natur zum dichten gefähigt/ und gleichsam von einer Göttlichen Begeisterung angeflammet. Und anderswo ([aq]b[/aq] [I [aq]Tuscul. quaest.[/aq]]) schreibet er: [aq]Poëtas gravia carmina coelesti instinctu fundere[/aq]; Die Poeten dichten aus Antrieb einer himmlischen Regung. Vielleicht hat er von dem Plato also reden gelernet/ welcher schreibet: ([aq]c[/aq] [[aq]Pl. in Ion[/aq]. [griech.]]) Sie/ die Poeten/ reden nicht aus eignem Kunstvermögen/ sondern durch Kraft eines Göttlichen Triebs. Sie sinds nicht/ die da reden/ dann ihr Geist ist entzückt/ sondern Gott ist es/ der durch sie redet. ¶ 128 Diese Kunst/ ist freilich etwas [S] Göttliches oder Englisches: wie dann zu vermuten ist/ daß die Engel im Himmel/ die Gott immer mit Lobgesang ehren/ fürtreffliche Poeten seyn müßen. Man sihet/ daß mancher Gelehrter/ der das ganze Buch der Weißheit hinein geschlucket/ mit aller seiner Wissenschaft keinen guten Vers zu wege bringen kan: da hingegen mancher geistiger Kopf oftmals ein Gedicht hervor gibet/ das so angenehm redet/ als wann es von Himmel herab geflogen wäre. [aq]Ovidius[/aq]/ der wol ein gebohrner Poet heißen mag/ weil sein Reden in der Kindheit lauter Verse gewesen/ ([aq]d[/aq] [l. 4.[aq]Trist.[/aq]]) hat dieses wol gewust/ und daher also hiervon geschrieben: ¶ [aq]Est Deus in nobis, agitante calescimus illo:[/aq] ¶ [aq]impetus hic sanae femina mentis habet (e[/aq] [l. 6. Fast.] ¶ [aq]Est Deus in nobis, sunt & commercia coeli:[/aq] ¶ [aq]Sedibus atheriis spiritus ille venit. (f[/aq] [l. 3 de A. A.] ¶ D.i. ¶ [aq]Gott weht und webt in uns/ von dem wir brennend werden:[/aq] ¶ [aq]sein Odem ist die Flamm/ die unsre Sinne speist[/aq][S] ¶ [aq]Gott wohnt in uns/ vermählt den Himmel mit der Erden:[/aq] ¶ [aq]von seiner Sternenburg steigt dieser Dichter-Geist.[/aq] ¶ Und um deß willen ist je billig/ daß dieser Göttliche Trieb nicht zu ungöttlichen Sachen verwendet/ und eine so heilige Regung nicht mit den Koht der Eitelkeit bemailigt werde. ¶ 129 Es wird aber/ solcher Göttlichen Begeisterung/ gleichsam durch die Natur der Weg gebahnet/ mit einpflanzung/ sowol eines hurtigen Geistes/ als einer redfärtigen Zunge oder Feder: welches die Griechen die Wolangeborenheit ([griech.]) nennen. Vor allem muß ein Poet seyn Scharfsinnig/ ([griech]) und ihme von einem Dinge mancherlei Bildungen vorstellen können. Dann seine Kunst und das Dichten/ hat den Namen vom Denken/ und fließet aus den Gedanken in die Worte. Die Scharfsinnigkeit/ muß mit der Wolredenheit vereinigt seyn/ welche wol hervorzugeben wisse/ was jene ersonnen: Daher haben die Alten Römer/ aus ihrer Pallas und dem Mercurius/ aus bei-[S]den eine/ Seule gebildet/ und sie auch mit dem Zwidter-Namen [aq]Hermathena[/aq] ([aq]g[/aq] [[griech].] benennet. Die Erfindung aber ist die Seele des Gedichtes/ und dessen Hauptstuck/ daher jener gesagt: mein Gedicht ist färtig/ bis auf die Worte. ¶ 130 Es folget aber hieraus nicht/ daß ein Poet von Natur ein Poet sey/ und ganz keine Belehrung vonnöten habe. (Q3209)

Keine Beschreibung vorhanden
Sprache Bezeichnung Beschreibung Auch bekannt als
Deutsch
Der fürtreffliche Poet [aq]Horatius[/aq], hat hierüber diesen ausspruch hinterlassen: ¶ [aq]Neque enim concludere versum * [Horat. ad. Pison.][/aq] ¶ [aq]dixeris esse satis, neque, si quis scribat, uti mos,[/aq] ¶ [aq]sermoni propiora, putes hunc esse Poëtam.[/aq] ¶ [aq]Ingenium cui fit, cui mens divinior atque os[/aq] ¶ [aq]magna sonaturum, do nominis hujus honorem[/aq]. ¶ Nicht gnug ist/ Zeil und Zeil wol binden/ und wol reimen: ¶ Nicht ist Poetisirn/ all Tages-Reden leimen. ¶ Der Geist und Feuer hat/ der höher denkt und redt ¶ als sonst ein PöbelKopf der heist mir ein Poet. ¶ 127 So folget dann hieraus/ daß ein SylbenKlecker und Reimträumer kein Poet sei/ und daß dieser Name viel ein mehres hinter sich habe/ als die Unwissenden ihnen traumen lassen. Bei [S] den Römern/ gienga das Sprüchwort: [aq]Orator fit, Poëta nascitur[/aq]; Rednere werden gemacht/ nämlich durch die Redkunst-Lehre/ aber Poeten werden gebohren. Solches erkläret [aq]Cicero[/aq], da er saget: ([aq]a[/aq] [[aq]Or. pro. Arch.[/aq]]) [aq]Poëtam naturâ valere, & quasi divino spiritu afflari[/aq]; ein Poet werde von der Natur zum dichten gefähigt/ und gleichsam von einer Göttlichen Begeisterung angeflammet. Und anderswo ([aq]b[/aq] [I [aq]Tuscul. quaest.[/aq]]) schreibet er: [aq]Poëtas gravia carmina coelesti instinctu fundere[/aq]; Die Poeten dichten aus Antrieb einer himmlischen Regung. Vielleicht hat er von dem Plato also reden gelernet/ welcher schreibet: ([aq]c[/aq] [[aq]Pl. in Ion[/aq]. [griech.]]) Sie/ die Poeten/ reden nicht aus eignem Kunstvermögen/ sondern durch Kraft eines Göttlichen Triebs. Sie sinds nicht/ die da reden/ dann ihr Geist ist entzückt/ sondern Gott ist es/ der durch sie redet. ¶ 128 Diese Kunst/ ist freilich etwas [S] Göttliches oder Englisches: wie dann zu vermuten ist/ daß die Engel im Himmel/ die Gott immer mit Lobgesang ehren/ fürtreffliche Poeten seyn müßen. Man sihet/ daß mancher Gelehrter/ der das ganze Buch der Weißheit hinein geschlucket/ mit aller seiner Wissenschaft keinen guten Vers zu wege bringen kan: da hingegen mancher geistiger Kopf oftmals ein Gedicht hervor gibet/ das so angenehm redet/ als wann es von Himmel herab geflogen wäre. [aq]Ovidius[/aq]/ der wol ein gebohrner Poet heißen mag/ weil sein Reden in der Kindheit lauter Verse gewesen/ ([aq]d[/aq] [l. 4.[aq]Trist.[/aq]]) hat dieses wol gewust/ und daher also hiervon geschrieben: ¶ [aq]Est Deus in nobis, agitante calescimus illo:[/aq] ¶ [aq]impetus hic sanae femina mentis habet (e[/aq] [l. 6. Fast.] ¶ [aq]Est Deus in nobis, sunt & commercia coeli:[/aq] ¶ [aq]Sedibus atheriis spiritus ille venit. (f[/aq] [l. 3 de A. A.] ¶ D.i. ¶ [aq]Gott weht und webt in uns/ von dem wir brennend werden:[/aq] ¶ [aq]sein Odem ist die Flamm/ die unsre Sinne speist[/aq][S] ¶ [aq]Gott wohnt in uns/ vermählt den Himmel mit der Erden:[/aq] ¶ [aq]von seiner Sternenburg steigt dieser Dichter-Geist.[/aq] ¶ Und um deß willen ist je billig/ daß dieser Göttliche Trieb nicht zu ungöttlichen Sachen verwendet/ und eine so heilige Regung nicht mit den Koht der Eitelkeit bemailigt werde. ¶ 129 Es wird aber/ solcher Göttlichen Begeisterung/ gleichsam durch die Natur der Weg gebahnet/ mit einpflanzung/ sowol eines hurtigen Geistes/ als einer redfärtigen Zunge oder Feder: welches die Griechen die Wolangeborenheit ([griech.]) nennen. Vor allem muß ein Poet seyn Scharfsinnig/ ([griech]) und ihme von einem Dinge mancherlei Bildungen vorstellen können. Dann seine Kunst und das Dichten/ hat den Namen vom Denken/ und fließet aus den Gedanken in die Worte. Die Scharfsinnigkeit/ muß mit der Wolredenheit vereinigt seyn/ welche wol hervorzugeben wisse/ was jene ersonnen: Daher haben die Alten Römer/ aus ihrer Pallas und dem Mercurius/ aus bei-[S]den eine/ Seule gebildet/ und sie auch mit dem Zwidter-Namen [aq]Hermathena[/aq] ([aq]g[/aq] [[griech].] benennet. Die Erfindung aber ist die Seele des Gedichtes/ und dessen Hauptstuck/ daher jener gesagt: mein Gedicht ist färtig/ bis auf die Worte. ¶ 130 Es folget aber hieraus nicht/ daß ein Poet von Natur ein Poet sey/ und ganz keine Belehrung vonnöten habe.
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