Sie [die Oden, J.T.] gehören unter die allerältesten Gedichte, und sind ohne Zweiffel eine Erfindung der ersten Patriarchen, welche damit den wahren GOtt geehret. Weil man aber mit GOtt auf zweyerley Art zu reden pfleget; entweder daß man ihm vor seine Wohlthaten danckt; oder daß man ihn in Noth und Trübsal um seine Hülffe anruffet: so erhellet hieraus, daß zweyerley Oden bald bey den ersten Patriarchen im Brauch gewesen, theils Lob-Gesänge, theils geistliche Lieder, darinnen man GOtt im Geist und in der Wahrheit anruffet. Der Heilige Geist bekräfftiget diese Eintheilung selbst durch Paulum an die Epheser am 5. v. 19. Redet untereinander von Psalmen und Lob-Gesängen und geistlichen Liedern. Psalmen aber ist überhaupt der Nahme al-[S]ler heiligen Lieder. Nun wissen wir, daß sich die Psalmen alle in ein Halleluja, das ist, Lob-Gesang, oder in ein Hosianna, das ist, Bitt-Lied theilen. Die Heyden brauchten sie zu Anruffung der falschen Götter, folglich zum Lobe der Helden, und endlich zu Ausbildung ihrer [aq]Bacchus[/aq]- und [aq]Venus[/aq]-Gedancken. Heutiges Tages thun wir es ihnen ziemlich nach. ¶ §. 3. Wo etwas Krafft und Feuer braucht, so ist es eine Ode. Der Poet muß sich offt ausser sich selbsten schwingen, er muß Dinge sagen, die er ihm vorhero kaum eingebildet, und er muß mit solcher Bewegung sprechen, daß er den Leser oder Zuhörer gleich gefangen nimmt. ¶ §. 4. Daß die Biblischen Lieder von solcher Stärcke seyn, wird niemand läugnen, absonderlich wer sie in Hebräischer Sprache lieset. GOtt würcket auch noch heutiges Tages in seinen Kindern. Die Lieder des sel. Lutheri, Opitzens, Hermanns, Dachens, Gehards, Neunhertzes, Schmolckens, Neumanns und anderer mehr können dessen allen ein Beweiß und Zeugniß seyn. In der Lateinischen Kirchen war [aq]Prudentius[/aq] mit seinen [aq]Hymnis[/aq] sehr berühmt. Zu unsern Zeiten [S] hat man die besten geistlichen Lieder in Teutschland geschrieben, und vornehmlich in Schlesien. Neunhertzes in Hirschberg geistliche Lieder auf alle Sonntage sind flüssend und ungezwungen: Schmolckens zu Schweidnitz übertreffen fast jene an Geist und Nachdruck; beyden aber hat es gewiß, sowohl an schönen Worten, als auch an Geist-reichen Gedancken der seel. Neumann in Breßlau zuvorgethan; zu wünschen wäre nur, daß er auch beyde an der Zahl übertroffen. Franckens und [aq]Menantes[/aq] geistliche Oden sind auch voller Geist. (Q7777)

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Deutsch
Sie [die Oden, J.T.] gehören unter die allerältesten Gedichte, und sind ohne Zweiffel eine Erfindung der ersten Patriarchen, welche damit den wahren GOtt geehret. Weil man aber mit GOtt auf zweyerley Art zu reden pfleget; entweder daß man ihm vor seine Wohlthaten danckt; oder daß man ihn in Noth und Trübsal um seine Hülffe anruffet: so erhellet hieraus, daß zweyerley Oden bald bey den ersten Patriarchen im Brauch gewesen, theils Lob-Gesänge, theils geistliche Lieder, darinnen man GOtt im Geist und in der Wahrheit anruffet. Der Heilige Geist bekräfftiget diese Eintheilung selbst durch Paulum an die Epheser am 5. v. 19. Redet untereinander von Psalmen und Lob-Gesängen und geistlichen Liedern. Psalmen aber ist überhaupt der Nahme al-[S]ler heiligen Lieder. Nun wissen wir, daß sich die Psalmen alle in ein Halleluja, das ist, Lob-Gesang, oder in ein Hosianna, das ist, Bitt-Lied theilen. Die Heyden brauchten sie zu Anruffung der falschen Götter, folglich zum Lobe der Helden, und endlich zu Ausbildung ihrer [aq]Bacchus[/aq]- und [aq]Venus[/aq]-Gedancken. Heutiges Tages thun wir es ihnen ziemlich nach. ¶ §. 3. Wo etwas Krafft und Feuer braucht, so ist es eine Ode. Der Poet muß sich offt ausser sich selbsten schwingen, er muß Dinge sagen, die er ihm vorhero kaum eingebildet, und er muß mit solcher Bewegung sprechen, daß er den Leser oder Zuhörer gleich gefangen nimmt. ¶ §. 4. Daß die Biblischen Lieder von solcher Stärcke seyn, wird niemand läugnen, absonderlich wer sie in Hebräischer Sprache lieset. GOtt würcket auch noch heutiges Tages in seinen Kindern. Die Lieder des sel. Lutheri, Opitzens, Hermanns, Dachens, Gehards, Neunhertzes, Schmolckens, Neumanns und anderer mehr können dessen allen ein Beweiß und Zeugniß seyn. In der Lateinischen Kirchen war [aq]Prudentius[/aq] mit seinen [aq]Hymnis[/aq] sehr berühmt. Zu unsern Zeiten [S] hat man die besten geistlichen Lieder in Teutschland geschrieben, und vornehmlich in Schlesien. Neunhertzes in Hirschberg geistliche Lieder auf alle Sonntage sind flüssend und ungezwungen: Schmolckens zu Schweidnitz übertreffen fast jene an Geist und Nachdruck; beyden aber hat es gewiß, sowohl an schönen Worten, als auch an Geist-reichen Gedancken der seel. Neumann in Breßlau zuvorgethan; zu wünschen wäre nur, daß er auch beyde an der Zahl übertroffen. Franckens und [aq]Menantes[/aq] geistliche Oden sind auch voller Geist.
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