Hanmann, Enoch
Anmerckungen In die Teutsche Prosodie
Opitz, Martin
Buch von der Deutschen Poeterey
| 'und haben die Gelehrten/ was sie in den Poeten (welcher schrifften auß einem Göttlichen antriebe und von natur herkommen/ wie Plato hin und wieder hiervon redet) auffgemercket/' | 'Er muß [griech.], von sinnreichen einfällen und erfindungen sein/ muß ein grosses unverzagtes gemüte haben/ muß hohe sachen bey sich erdencken können/ soll anders seine rede eine art kriegen/ und von der erden empor steigen.' | 'Denn ein Poete kann nicht schreiben wenn er wil/ sondern wenn er kan/ und jhn die regung des Geistes welchen Ovidius unnd andere vom Himmel her zue kommen vermeinen/ treibet.' | 'Welches aber alsdenn vollkömlich geschehen kan/ wenn zue dem was hiebevor in diesem buche erzehlet ist worden/ die vornehmlich jhren fleiß werden anlegen/ welche von natur selber hierzue geartet sein/ unnd von sich sagen können was Ovidius: ¶ Est Deus in nobis, agitante calescimus illo. ¶ Es ist ein Geist in uns/ und was von uns geschrieben/ ¶ Gedacht wird und gesagt/ das wird durch jhn getrieben. ¶ Wo diese natürliche regung ist/ welche Plato einen Göttli-[S]chen furor nennet/ zum unterscheide des aberwitzes oder blödigkeit/ dürffen weder erfindung noch worte gesucht werden; unnd wie alles mit lust und anmutigkeit geschrieben wird/ so wird es auch nachmals von jederman mit dergleichen lust und anmutigkeit gelesen.'
Schottel, Justus Georg
Teutsche Vers- oder Reim Kunst
Hadewig, Johann Heinrich
Kurtze und richtige Anleitung
| 'Er muß [griechisch], von sinnreichen Einfällen und Erfindungen seyn; muß ein grosses unverzagtes Gemühte haben/ muß hohe Sachen bey sich erdencken können/ soll anders seine Rede eine art kriegen/ und von der Erden empor steigen/ sind Opitz eygene wörter in seiner Prosodie am 3. cap.' | 'Die Heyden machten auß blindem Eyfer ihren Götzen in ihrer Sprache unterschiedliche Ehrengetichten/ und wir Kristen solten träg seyn unsern Gott/ den wir zu Ehren ohne das höchlich verbunden/ in unser MutterSprache zu ehren? Die heiligen GOttes/ haben so wol im alten als Neuen Testament durch Antreib des H. Geistes in ihrer gewöhnlichen Sprache den Drey-Einigen Gott mit Danck-Psalmen und Ehren-Liedern gepriesen/ die von dem HErrn so wehrt geschätzet/ daß sie uns zur Nachfolge in der Schrifft sind gesetzet worden; und uns solte in unser MutterSprach dergleichen zuversuchen einzig verarget und verüblet werden!'
Harsdörffer, Georg Philipp
Poetischer Trichter
| '5. Etlichen ermangelt es an natürlicher Fähigkeit zu der Poeterey/ daß sie zwar die Wort kunstrichtig zu binden wissen/ aber gezwungen/ hart und mißlautend; ohne poetische Gedancken/ und sinnreiche Einfälle: daß man leichtlich sehen kan/ es sey kein poetischer Geist in ihnen/ und ihre Gedichte mit langer Zeit zusammen genöhtiget.' | '11. Was mit Raht und Verstand vorzunemen ist/ muß nohtwendig zu einer Kunst gezogen werden. Die Natur ist eine Meisterin/ den hurtigen Feuergeist anzubrennen/ die Kunst aber gleichsam das fette Oel/ durch welches solcher Geist weitstralend erhellet/ und Himmelhoch aufflammet.' | 'DAß zu der Poeterey absonderliche seltne Gaben der Natur/ und die Erkundigung fast aller Wissenschaften vonnöhten/ kan aus allen wolverfasten und leswürdigen Gedichten beglaubet werden. Die natürliche Fähigkeit solcher Kunst bestehet in einem darzu gleichsam gewidmeten Verstand: Dann gleichwie nicht ein jeder/ der redet und gehet/ singen oder springen kan/ weil seine Stimme/ und seine Füsse darzu nicht schicklich/ also kan auch nicht ein jeder ein Trauer- oder Freudenlied zu Papier setzen/ daraus Feuer und Geist erhelle/ dadurch er den Namen eines Poeten verdienen möchte.' | 'Dieses aber/ ein Gedicht das Feuer und Geist hat/ zu Papier setzen/ muß von höherer Eingebung herflüssen/ man wolle gleich solches einem reinen und mässigerwärmten Gehirn oder andren Ursachen beymessen/ in welchen die Poëten [S] mit den Mahlern meinsten Theils verglichen werden/ und die Red-Kunst weit übertreffen. ¶ Es finden sich auch viel/ die wolgeborne Poëten zu seyn scheinen/ in dem sie/ ohne Vorbedacht Verse machen/ wie Ovidius/ und alles/ was sie sagen wollen flüsset ihnen nach solchem Kunst-Maß aus dem Munde. Zu dem scheinet/ daß der Mißbrauch der Poëterey (wie dann die Menschen mehr zum Bösen/ als zu dem Guten von Natur geneiget sind) erweise/ daß weniger Kunst/ sonderlich in den Straff-Gedichten/ als selbsteigne Erfindungen erhelle' | 'Die Beredesamkeit an ihr selber ist eine Gabe GOttes und der Natur/ welche durch beharrlichen Fleiß/ und obliegende Arbeit/ muß erhalten und behalten werden.' | 'daß nach Scaligeri Meinung/ zugleich mit der Natur eine zahlbare und mäßrichtige Krafft/ entstanden/ welche zu der Poeterey veranlasst/ und ligen gleichsam die Quel-[S]len derselben in der Natur verborgen/ welche die Kunst nach und nach mit Fleiß untersuchet/ glücklich gefunden und zu dem allgemeinen Nutzen behäglichst abgeleitet/ und wie alle Wasser aus dem Meere kommen und wieder dahin eilen/ wie Salomo zeuget; also sollen auch solche überirdische/ Himmlische Einflüsse sonderlich zu GOttes Ehren/ aufsteigen und sich mit allerhand Lob- und Dankliedern ergeistern. Besihe hiervon den Anfang des Poëtischen Trichters und die Vorreden des I. und II. Theils der Sonntags Andachten.' | 'Nichts wird mit uns gebohren/ ob wir gleich von GOTT mit einer natürlichen Fähigkeit viel zuerlernen begabet sind/ und gleichsam von der Natur zu einer Sache mehr gewidmet scheinen als zu der andern.' | 'Wie nun alle/ so bißhero Bücher geschrieben keines Gewalts oder Befehls von andern benöhtiget gewesen; sondern aus eignen Wolmeinen/ dem Nechsten zu nutzen/ und ihre von GOTT ertheilte Gaben mitzutheilen vermeinet: also stehet annoch einem jeden frey zu schreiben was er andern vorträglich zuseyn vermeinet/ wie jener Kirchenlehrer in dergleichen Begebenheit geantwortet: Die Knechte Gottes pflegen das Pfündlein/ welches ihnen anvertrauet worden/ nicht in die Erden zu vergraben. ¶ 33. Wann die Menschen ihren Sinnbegrief unmittelbar eröffnen könten/ wie die Engel und Himmlischen Geister/ so sollten alle Reden über-[S]flüssig gehalten werden: Weil wir aber irdische Menschen/ so müssen wir das innerliche mit eusserlichen Mitteln vortragen und unsre Gedanken durch vernemliche Worte zu Gehör bringen oder mit sichtbaren Farben für die Augen mahlen.' | 'Es ist ein Tröpflein deß unergründlichen Meers/ ein Finklein der unendlichen Flamen/ und ein geringer Schatten eines Weltgrossen und Himmelhohen Liechtes.' | 'Es kan auch diese Dicht- und Reimkunst niemand verächtlich für kommen/ als verächtlichen und verdächtigen Personen/ welche aus Neid oder Unbedacht hassen/ was sie nicht ergreiffen und gleichständig nachthun können. Ich will nicht sagen von dem Käiser Augusto, Nerone, Aurelio, noch von Mecaenate, Marone und Ovidio in den Ritterstand/ welche alle in der Poererey grosses Belieben gesuchet/ sondern nur von David/* [2. Chr. 23, 18.] Salomone* [1. König 4/32.] Hiskia* [Jesaia 38/20] [S] und den Propheten/* [Ps. 75/1.] die von dem Geist GOTtes getrieben in ihrer Sprache die trefflichsten Lieder verfasset/ die in der Heiligen Schrifft hin und wieder zu lesen.'
Moller, Alhardus
Tyrocinium Poeseos Tevtonicae
| 'Massen ein anders ist kluge Erfindungen haben/ ein anders ist dieselbe in Reim-arten fügen und binden können. Nicht wenige werden gefunden/ die zwar den Geist ihres Verstandes durch die Flügel der Vernunfft/ über die gemeine ersinnungen tragen/ und in wol nachdenkbahren einfallen glükkselig erfunden werden; dennoch aber keinen einfluß der Natuhr/ dieselbe Poetisch darzustellen/ spüren und empfinden können. Im gegentheil werden etzliche gestehen und bekennen müssen: daß sie zwar/ (wie in des sehl. Hans Sachsen zwey und viertzig jähriger Arbeit/ dem Grobiano, Theurdank/ und alt-gesetzten Comm- und Tragaedien auch vielen jüngsthin außgefertigten Gedichten zuersehen/) mit Gaben der Natur/ Biblische Historien/ hochgelehrter Leute Sprüche und Reden/ auch Welt-Geschichte und Gedichte/ Reim-weiß/ doch einsmahl ohne gewißmässige Reim-Glieder und art der Poëterei/ andermahl ohne sinnliche Erfindungen/ einzufügen/ außgerüstet gewesen. Alldieweilen aber von einem Poëten/ nicht allein die lieb- und zierliche einkleidung der Wort-Glieder erfodert; besondern auch wie obbemelt ein/ von GOtt im Hause des Verstandes angestekktes Gnaden-Vernunfft-Licht/ bei demselben gesucht wird; so muß derselbe (wiewol solches ein ungewohnt-seltenes Ding/) welcher den edlen Nahmen eines Poëten zugühren geden-[S]ket mit beiderseits Gnaden-Gaben blühen und außgerüstet stehen.' | 'Die Mittele betreffend/ durch Hülfe deren man zeigern Wissenschafft kan habhafft werden/ sein diese: ¶ I. ¶ DAß zu foderst/ die Geister der ebenbildigen Kreatur Gottes/ welche/ sothane durch ein Singulare bonum intellectuale, aus gantzem Geist/ (Mänschlicher Vollkommenheit nach/) von erleuchteten Gemüthern/ außgearbeitete Wissenschafft/ zuerlehrnen vorhabens/ durch die Gnaden Weißheit-straalen/ deren von Ewigkeit zu Ewigkeit allerheiligst-gethrönten Mayst. Göttlicher Dreifaltigkeit/ müssen umleuchtet und angezündet sein. ¶ II. ¶ DIesem nach/ daß er gleicheinig agendi vim in poeticis, oder die Natuhr/ Gnade und zufliesung habe/ einen sonst durch die Gaben des Verstandes ihm leicht abfassenden Lob- und Macht-spruch oder sonst er-[S]sinnende materia, in lieblich fliesende Verse und endreimung zubringen. ¶ III. ¶ DAß ein solcher/ in allen Theilen der Welt-Weißheit/ auch beides in lengst- und erst-jüngst verstrichenen Welt-geschichten/ ja alles uff einmahl außredend/ in vielen/ so wol Himmel; als Erd-beliebigen Wissenschafften erfahren und belesen sein. ¶ […] ¶ V. ¶ WIe auch daß er dieselbste Kunst/ einen Verß einzukleiden/ wol begriffen: Dann wie der Römische Herold und Mercurius Cicero redet: ist ars dux certior quam natura, daß also Kunst und Natur müssen verehlichet werden/ soll eine herrliche Frucht der Wissenschafft/ in Himmlischer Verß- und Reim Kunst empfangen und erzeuget werden.'
Sacer, Gottfried Wilhelm
Nützliche Erinnerungen Wegen der Deutschen Poeterey
Kempe, Martin
Neugrünender Palm-Zweig Der Teutschen Helden-Sprache und Poeterey
| 'weil ich mich solcher Ehr ¶ Nie habe wehrt geschäzt/ die ei- ¶ nem nur gebühret/ ¶ Der sonderlich begabt/ und klüg- ¶ lich weiß zu sinnen/ ¶ Ja den die Himmels-Huld aus ¶ andern hat erwehlt/ ¶ Wo Witz und grosse Kunst sich ¶ schwesterlich vermählt/ ¶ Die durch beredsamkeit die herzen kan gewinnen.' | "Was war die alte Welt? Ein gar ¶ verwirrtes Wesen/ ¶ Ein nebel-voller Klumpf/ eh sie ¶ der Weisheit Strahl ¶ Erleuchtet/ und als sie zum al- ¶ lerersten mahl ¶ Die Weisen angehört/ und man- ¶ ches Buch gelesen. ¶ Sie ward erst angeblikkt zu Mo- ¶ ses alten Zeiten/ ¶ Der ein Prophete war/ und ¶ gleichfalls ein Poet/ ¶ (Man weiß ja/ wie er GOtt mit ¶ manchem Lied' erhöht/ ¶ Um bei der Heidenschaft ihn wei- ¶ ter auszubreiten.) ¶ In dieses Alter ist die Poesie zu ¶ zehlen: ¶ Sang Salomon und Job und ¶ David nicht ein Lied/ ¶ In dem die Gottesfurcht und ¶ Andacht feurig glüht? ¶ Nach diesem kunte sie Cecropien ¶ erwehlen/ [S.i.O.] ¶ Wo durch beliebten Schein die ¶ Sonn' ist aufgegangen ¶ Der wahren Wissenschafft/ hie ¶ merket man die Spur/ ¶ Als nunmehr Land und Stadt ¶ gesondert die Natur/ ¶ Bei Griechen/ wie man meint/ ¶ hat Weisheit angefangen." | "Hier wurde der Parnaß und A- ¶ ons-Berg geschauet/ ¶ Und rührt die wolken an/ hie stru- ¶ delt' hell und süß ¶ Der Brunn/ üm den ein Pferd ¶ sich wachsam sehen ließ/ ¶ Hier war das Heiligthum der ¶ Musen aufgebauet/ ¶ Und zoge zu sich an die Himmels- ¶ wehrte Tichter/" | "v. 700. Ja ja sie hat fürwahr ein himmlisches Beginnen etc. Cicero p. L[?]archiâ. §. 18. Atque sic à summis hominibus eruditissimisque accepimus, caeterarum rerum studia, & Doctrinâ, & praeceptis, & arte constare: poetam naturâ ipsâ valere, & mentis viribus excitari, & quasi divinô quodam spiritae afflari. Marsil. Ficinus in Plat. Phoed. fol. 443. Tanti est Poesis, ut absque summo favore Dei comparari nequeat. Lege Aeschac. [?] Major. Scrutin. Ingenior. c. 1. p. m. 52. c. XI. p. 286. seqq. ¶ Bartas in der Urania. [S.i.O.] ¶ Tout' art s'apprend par art: la seule Poësie" | 'v. 90. Der ein Prophete war/ und gleichfals ein Poet. Moses Exod. 15. Primum carmen condidisse legitur. Anno Mundi 2453 juxta Alsted. Chronologiam. pag. 485. Ioseph. l. 4. Antiq. Judaic. cap. ult. Vir omnium, quotquot unquam fuêre prudentissimus. Imperator cumprimis bonus, Vates, qualis nemo alius, ut omnia ejus verba oraculorum vim obtinerent. & lib. 1. Divino afflatus numine Carmen Hexametrum invenit, quod in Laudem DEI gratiarumque actionem edidit.'
Kindermann, Balthasar
Der Deutsche Poët
| 'Von oben her entzüntet.' | '§. 2. Der Römische Bürger-Meister Cicero, schreibet in der Rede/ die Er dem Archiae zum besten gehalten/ also: Sic à summis hominibus, eruditissimisque accepimus, caeterarum rerum studia, & doctrinâ, & praeceptis, & arte constare, Poëtam naturâ ipsâ valere, & mentis viribus excitari, & quasi divino quôdam spiritu afflari. Und in dem andern Buche seiner Tusculanischen Fragen gebrauchet Er sich nachgehender Worte/ wann Er spricht: Mihi verò ne haec quidem notiora & illustriora carere vi divinâ videntur, ut ego aut Poétam grave plerumque carmen, sine caelesti aliquo mentis instinctu, putem fundere, &c. ¶ §. 3. Dahero auch der lieblichste/ unter den Lateinischen Poeten/ Ovidius, singet: ¶ Est Deus in nobis, agitante calescimus illo, ¶ Impetus hic sacrae semina mentis habet. ¶ Gott wohnet selbst in uns/ wann der uns regt und treibet/ ¶ Dann brennt ein Feur in uns/ das unverborgen bleibet. ¶ §. 4. Welches dann auch der Fürst der Deutschen Poeten/ Herr Opitz/ in seinen unvergleichlichen Getichten/ öffentlich zugestanden/ wann Er unter andern schreibet: [S] ¶ --- Die trefflichen Poeten ¶ Sind vielmehr/ als man meint: Ihr hoher Sinn und Geist ¶ Ist von des Himmels Sitz in Sie herab gereist.' | 'Also wird auch die unpolirte/ und ihre Krafft noch im verborgen haltende Natur des Dichters/ durch die Kunstgeübte Hirnschleiffer (ich wolte sagen/ die Lehr-Meister) vermittelst der Kunst und Ubung/ dergestalt bemeistert/ daß der verborgene Geist seine Stralen weit von sich wirft/ und Himmelhoch anzuflammen beginnet.'
Buchner, August
Anleitung Zur Deutschen Poeterey
Neumark, Georg
Poetische Tafeln
| '§. III. Die Bild-Kunst eignet ihr ein Himmel-blaues Kleid zu/ damit man aus dem eußerlichen Zeichen ihre innerliche Eigenschafft beurtheilen könne. Keine Farbe stehet ihr besser an als diese/ weil sie ihrem ersten Ursprunge nach himmlisch ist/ und anfänglich zu dem Gottesdienst gebrauchet worden. Der gelehrte Holländer Anton. Rodorn. Scriekkius sagt davon also: Divi- [G: lib. I. adversar. Scal. l d.] nam esse Poeticam antiqui & recentiores omnes crediderunt, & loquuntur. Metri originem suggestam afflatu divino, quod magnum mundum certâ ratione quasi metro dirigat, ipso vero videmus. Und der Phoenix unserer Zeit Casp. Barth. meldet über die Worte Papiae: Theologi Poetae ideò dicebantur, quoniam de Diis carmina faciebant; Sane verò antiqua Theologia humana in [G: V. m. Augustin. l. 6. de C. D. c. 5. p. m. 584.] literis Poeticis & mysteria Numinum introducta ab iisdem, ut exemplo Orphei vides apud Lactantium. Ja auch nach dem Zeugnisse des allerberedesten unter den Römern/ Ciceronis, hat niemals ein Barbarisches und wildes Volck den Nahmen eines Poeten vernachtheiliget/ sondern sie sind allezeit hoch und heilig gehalten worden. Um welcher Ursache willen auch die alten Heyden vor gewiß und unfehlbar gegläubet: Es könte keiner sich mit dieser holdseligen Nymphen befreunden/ wenn ihn nicht die mildreiche Gunst des Himmels vor anderen Leuten [S] beglückseliget/ und seiner Natur eine sondere Fähigkeit eingepräget/ dadurch der Verstand erleuchtet/ und die Sinnen begeistert würden. Welches Socrates andeuten wollen/ wenn er zu dem Jone gesprochen: Wenn er (jo) von dem Homero wohl reden wolte/ so könte ihm hierinn nicht so wohl die Kunst behülfflich seyn/ als eine Göttliche Gewalt/ die ihn bewegen müste; gleich als ein Magnetstein/ welcher nicht allein das Eisen an sich zeucht/ sondern auch demselben eine Ziehungs-Krafft/ mittheilet/ daß ein ander Eisen daran hangen bleibet/ eben als das vorige am Magnet. Als wolt er sagen; man sehe zwar/ daß von dem Magneten das Eisen angezogen würde/ aber die Ursache wäre unbekant: Solche Bewandniß hätte es auch mit der Poeterey/ die sich auf eine unerforschliche Weise in dieses oder jenes Natur befindet. ¶ §. IV. Bey einem ieglichen/ der sich einer Kunst ergeben will/ werden nach Außage der Weltweisen/ dreyerley erfordert: Nemlich die Natur/ die Unterweisung und die Ubung In allen andern Wissenschafften können die zwo letzten Stücke viel verrichten/ In der Poesie aber wird nothwendig die natürliche Neigung vorangesetzet; Wohin des Ciceronis Worte zielen: Sic à summis ho- [G: Orat. pro Arch.] minibus eruditissimisque accepimus, coeterarum rerum studia & doctrinâ, & praeceptis & arte constare; Poetam naturâ ipsâ valere & mentis viribus excitari, & quasi divino Spiritu afflari; Welchen [G: lib. 2.] nicht ungleich seind die in den Tusculanischen Fragen gelesen werden: Mihi verò ne haec quidem notiora & illustriora carere vi divinâ videntur, ut ego aut Poetam grave plerumque carmen sine coelesti aliquo mentis instinctu, putem fundere & c. Und Ovidius hat frey heraus bekant: ¶ Es ist ein Gott in uns/ so bald sich der nur reget ¶ Brennt unser Geist auch an und wird mit ihm beweget.' | 'Hiemit stimmet gar wohl überein/ was der hochgelehrte Buchnerus im 5. cap. seines Wegweisers beybringet: [...] Dennoch ist es bey der Rede noch allezeit so beschaffen/ daß sie neben dem Volke hergehe/ und als von menschlicher Zunge fürbracht wäre; da hingegen der Poet weit ausstreicht/ sich als ein Adler in die Höhe schwingt/ die gemeine Ahrt zu reden weit hinter ihm lässt/ alles kühn/ bunter/ und frölicher setzt; alles was er fürbringt/ neu/ ungewohnt/ gleichsam als mit einer Majestät vermischet/ und mehr einem Göttlichen Ausspruch und Orakel/ als einer Menschenstimm gleich scheinet/ etc. Siehe auch Hn. Harsdorffs Trichter in der I. Stunde §. V. ¶ §. II. Gleicher gestalt hat der grosse Plato nicht ohne Ursach in jone geschrieben: [hebr.] i. e. Poëtae à mellifluis fontibus, ex Musarum hortis, ac viridariis carmina decerpunt, quae nobis offerunt. Die Poeten holen ihre Getichte von den honigfliessenden Brunnen aus den Lustgärten der Musen. Angesehen/ ihre Rede mit einer lieblichen Zierlichkeit beseelet ist.'
Pfefferkorn, Georg Michael
Kurze Anleitung in kurzer Zeit einen reinen teutschen Verß zu machen
Birken, Sigmund von
Teutsche Rede- bind- und Dicht-Kunst
| 'Der fürtreffliche Poet Horatius, hat hierüber diesen ausspruch hinterlassen: ¶ Neque enim concludere versum * [Horat. ad. Pison.] ¶ dixeris esse satis, neque, si quis scribat, uti mos, ¶ sermoni propiora, putes hunc esse Poëtam. ¶ Ingenium cui fit, cui mens divinior atque os ¶ magna sonaturum, do nominis hujus honorem. ¶ Nicht gnug ist/ Zeil und Zeil wol binden/ und wol reimen: ¶ Nicht ist Poetisirn/ all Tages-Reden leimen. ¶ Der Geist und Feuer hat/ der höher denkt und redt ¶ als sonst ein PöbelKopf der heist mir ein Poet. ¶ 127 So folget dann hieraus/ daß ein SylbenKlecker und Reimträumer kein Poet sei/ und daß dieser Name viel ein mehres hinter sich habe/ als die Unwissenden ihnen traumen lassen. Bei [S] den Römern/ gienga das Sprüchwort: Orator fit, Poëta nascitur; Rednere werden gemacht/ nämlich durch die Redkunst-Lehre/ aber Poeten werden gebohren. Solches erkläret Cicero, da er saget: (a [Or. pro. Arch.]) Poëtam naturâ valere, & quasi divino spiritu afflari; ein Poet werde von der Natur zum dichten gefähigt/ und gleichsam von einer Göttlichen Begeisterung angeflammet. Und anderswo (b [I Tuscul. quaest.]) schreibet er: Poëtas gravia carmina coelesti instinctu fundere; Die Poeten dichten aus Antrieb einer himmlischen Regung. Vielleicht hat er von dem Plato also reden gelernet/ welcher schreibet: (c [Pl. in Ion. [griech.]]) Sie/ die Poeten/ reden nicht aus eignem Kunstvermögen/ sondern durch Kraft eines Göttlichen Triebs. Sie sinds nicht/ die da reden/ dann ihr Geist ist entzückt/ sondern Gott ist es/ der durch sie redet. ¶ 128 Diese Kunst/ ist freilich etwas [S] Göttliches oder Englisches: wie dann zu vermuten ist/ daß die Engel im Himmel/ die Gott immer mit Lobgesang ehren/ fürtreffliche Poeten seyn müßen. Man sihet/ daß mancher Gelehrter/ der das ganze Buch der Weißheit hinein geschlucket/ mit aller seiner Wissenschaft keinen guten Vers zu wege bringen kan: da hingegen mancher geistiger Kopf oftmals ein Gedicht hervor gibet/ das so angenehm redet/ als wann es von Himmel herab geflogen wäre. Ovidius/ der wol ein gebohrner Poet heißen mag/ weil sein Reden in der Kindheit lauter Verse gewesen/ (d [l. 4.Trist.]) hat dieses wol gewust/ und daher also hiervon geschrieben: ¶ Est Deus in nobis, agitante calescimus illo: ¶ impetus hic sanae femina mentis habet (e [l. 6. Fast.] ¶ Est Deus in nobis, sunt & commercia coeli: ¶ Sedibus atheriis spiritus ille venit. (f [l. 3 de A. A.] ¶ D.i. ¶ Gott weht und webt in uns/ von dem wir brennend werden: ¶ sein Odem ist die Flamm/ die unsre Sinne speist[S] ¶ Gott wohnt in uns/ vermählt den Himmel mit der Erden: ¶ von seiner Sternenburg steigt dieser Dichter-Geist. ¶ Und um deß willen ist je billig/ daß dieser Göttliche Trieb nicht zu ungöttlichen Sachen verwendet/ und eine so heilige Regung nicht mit den Koht der Eitelkeit bemailigt werde. ¶ 129 Es wird aber/ solcher Göttlichen Begeisterung/ gleichsam durch die Natur der Weg gebahnet/ mit einpflanzung/ sowol eines hurtigen Geistes/ als einer redfärtigen Zunge oder Feder: welches die Griechen die Wolangeborenheit ([griech.]) nennen. Vor allem muß ein Poet seyn Scharfsinnig/ ([griech]) und ihme von einem Dinge mancherlei Bildungen vorstellen können. Dann seine Kunst und das Dichten/ hat den Namen vom Denken/ und fließet aus den Gedanken in die Worte. Die Scharfsinnigkeit/ muß mit der Wolredenheit vereinigt seyn/ welche wol hervorzugeben wisse/ was jene ersonnen: Daher haben die Alten Römer/ aus ihrer Pallas und dem Mercurius/ aus bei-[S]den eine/ Seule gebildet/ und sie auch mit dem Zwidter-Namen Hermathena (g [[griech].] benennet. Die Erfindung aber ist die Seele des Gedichtes/ und dessen Hauptstuck/ daher jener gesagt: mein Gedicht ist färtig/ bis auf die Worte. ¶ 130 Es folget aber hieraus nicht/ daß ein Poet von Natur ein Poet sey/ und ganz keine Belehrung vonnöten habe.' | '131 So muß dann einer/ der ein guter Poet werden will/ sich erstlich prüfen/ ob ihn Gott und die Natur dazu fähig gemacht habe. Diese Gabe [S] aber ligt bisweilen tief verborgen/ und muß der Funke aus der Asche hervor gesucht werden. Man muß nicht gleich ablassen/ wann man im Anfang wenig Fähigkeit spüret.' | '136 Wer wol Poetisiren wil/ der lese erstlich ein gutes Latein- oder Teutsches Gedichte von selbiger Materie: ein Geist/ wird den andern anzünden. Diß thun ja ihrer viele: aber sie holen nicht nur das Feuer/ sondern sie pflegen auch das Holz zu stehlen/ und schreiben oft Plätze aus/ darauf man ein Pferd tummeln könte.' | 'Und daher/ glaubt man nicht ohne Warheit-schein/ hat Jubal anlaß genommen/ wie das Buch der Schöpfung von ihm berichtet/ Geigen zu erfinden/ und aus Rohren/ darein der Wind gepfiffen/ ihme Pfeifen zu schneiden. ¶ 2 Plutarchus nennet die Musik/ eine Göttliche Erfindung: (a [griech.]) gleich als wäre sie/ durch die himmlische Heerschaaren/ die Gott ohn unterlaß lobsingen/ als ein Vorschmack des Himmels/ auf Erden herab gebracht worden/ damit die Menschen etwas hätten/ womit sie ihr [S] Elend trösten mögen. Indem nun/ des Jubals und Jabals Schüler und Schäferei-genoßen/ also aufspielten und sangen/ ward ihre Schwester/ die schöne Naema/ samit ihren Gespielinen damit herzu gelocket: die dann einen Reihen schlossen/ und nach dem Thon ihrer Seiten- und Pfeifenspiele gedanzet. Als nun selbige Feld-Musikanten in diese Dänzerinnen sich verliebet/ wurden sie veranlaßet/ Liebesklagen zu verfassen und in das Seitenspiel zu singen. Und solcher gestalt hat/ die Liebe/ zu erfindung der Poesy/ den ersten anlaß gegeben. So ein Liebgedichte sol vor alters die Erifanis dem Menalcas/ einem berühmten Jäger/ gemacht und gesungen haben. ¶ 3 Dieses thäten die Cainiten. Löblicher aber verfuhren/ die von der Kirche der Erzvätter. Adam/ der Fürst und Vatter unter denselben/ hat ohnezweifel/ mit seiner Eva im Paradeis unter dem Baum des Lebens/ GOtt ihrem Schöp-[S]fer Lob-gesungen. Nachmals/ wann diese heil. Vätter im Grünen lagen/ hatten sie ihre Gedanken zu Gott/ schwebten damit im Himmel/ den sie über und vor sich sahen/ betrachteten in den Geschöpfen den Schöpfer/ auch an der Sternenburg den Ursprung ihrer Seelen/ und/ an stat der eitlen irdischen Liebe raum zu geben/ dichteten sie Lieder zur Ehre GOttes/ und sungen solche bei Verrichtung des Gottesdienstes/ oder ließen sonst Gesänger voll Tugendlehren erklingen. Diß geschahe/ wie zu vermuhten ist/ in der ersten Welt vor der Sündflut: da man ja nicht in der Beehrung GOttes wird gefeiret haben/ sonderlich in des Henochs Schule/ der ein Göttliches Leben geführet. ¶ 4 Nach der Sündflut/ ist/ vor Mose Zeiten/ keiner Poesy oder einiges Lieds gedacht worden: außer daß sich vermuten lässet/ Noah werde/ nach der Sündflut/ beim Opfer/ ein Lob- und Danklied GOtt zu Ehren gesungen/ und [S] der Schäfer Jacob/ zu Haran in Mesopotamien/ auf der Weide bei den Heerden/ seiner schönen Rahel/ die er innigst geliebet und 14 Jahre um sie gedienet/ manches HirtenLied gedichtet haben. Er wohnte nachmals bei den Thurn Eder/ (a [Gen. 23. V. 21]) nahe bei Betlehem/ welcher Ort ohnezweifel von ihm und seiner SchafeTrift/ diesen Namen (Heerde) bekommen: und wird er daselbst seinem GOtte/ der ihn beschirmet und gesegnet/ manches DankLied gesungen haben. Daß aber die Hebreer/ und andre Völker in den Morgenlanden/ Poeten gewesen/ erscheinet aus den vielen in Heil. Schrift aufgeschriebenen Liedern und Psalmen/ wie auch aus des Lügen-Profetens Mahumed Alcoran/ welcher in lauter/ wiewol übel-abgemessenen/ Reimzeilen bestehet: aus welchem letzern abzunehmen ist/ daß die Poeterey bei den Arabern/ der Ebreer Nachbaren/ sehr üblich müße gewesen seyn. [S] ¶ 5 Im Jahr der Welt 2415 ungefähr 800 Jahre nach der Sündflut/ lebte mit 40 Jahren der Poet und Profet Mose/ und wohnte ebensoviel Jahre im Land Midian/ bei einem Brunnen/ dahin er aus Egypten geflohen ware: und daselbst hütetete er der Schafe Jethro/ des Priesters in Midian/ der ihm eine von seeinen sieben Töchtern zum Weibe gegeben. Mit diesen sieben Schäferinnen/ insonderheit mit seiner lieben Zipora/ wird Moses sich oft im Singen auf dem Feld ergetzet haben (b [Ex. 2. V. 15/16/24. C. 2. V. 1]). Dann/ daß er ein Poet gewesen/ ist zu ersehen aus dem schönen DankLied/ damit er Gottes Hülfe gepriesen/ da der Feind seines Volks mit allen seinen in rohten Meer ertrunken: worbei seine Schwester Miriam auch das ihre gethan/ und den andern Frauen/ als Sängerinnen/ vorgesungen (c [Ex. 15. V. 21]). Er sange auch/ kurz vor seinem Tod/ ein langes [S] Lied (d [Deut. 32.)/ darinn er aus Profetischem Geist vorgesaget/ wie das erwehlte Volk von GOtt abfallen würde. Es wird auch der Neunzigste Psalm ihme/ durch die Obschrift/ zugeschrieben/ womit er die in der Wüsten sterbende 600000 Israeliten getröstet. Welchergestalt das Volk an der Gränze von Moab/ über einen Brunn/ ein Liedlein wechselweis gesungen/ hat eben dieser ihr Fürst und Capellmeister nicht unerwehnt lassen können. (e [Num. 21. V 17/18.]) ¶ 6 Ein huntert Jahre nach der Zeit Mose/ thäte sich auch in Griechenland die Poesy herfür/ und zwar erstlich in Bäotien zu Dodona und Delfi: da die Götzen oder vielmehr Teufel/ Jupiter/ und nachmals Apollo/ so in seiner Jugend auch/ wie Mose/ ein Schäfer gewesen/ aus Hölen (aus der Hölle) und zwar allemal in Versen/ geredet/ und den Leuten/ die um künftige Dinge gefragt/ Antwort gegeben/ daher sie Oracula genennt [S] worden: und soll zu Delphi das erste Weib/ durch welche der Geist geredet/ namens Phemonoe/ die Verse-art/ so bei den Griechen und Lateinern Hexametri heißen/ erfunden haben. Es ist aber ohnezweifel Fabelwerk/ wie alle der Griechen erste Geschichten/ und hat der Höllen Fürst/ als jederzeit Gottes Affe solches von dem Profeten Mose und der Miriam abgesehen/ und nachgedichtet. ¶ 7 Im Jahr der Welt 2620 trate im Volke GOttes hervor/ die Heldin/ Richterin/ Profetin und Poetin Debora: welche mit dem Barak/ nachdem sie die Canaaniter geschlagen/ dem Herrn mit einem schönen Lied dafür gedanket (f [B. Richt. 5.]). Von dieser glaubet man/ daß sie eine von den Sibyllen gewesen: welche auch Poetinen gewesen/ und ihre Weissagungen in Versen geschrieben.' | '11 So ist nun klar und wahr/ daß die edle Poesy/ nach der Musik/ die ältste Kunst/ und vor allen andern Künsten am ersten sei erfun-[S]den worden/ da noch keine Gottes-Staats-Verstand-Tugend-oder Natur-Lehre am tag gewesen. Ja es sind/ von dieser/ nach und nach die andere Wissenschaften entsprungen. Es hat ja Orfeus/ der ältsten Griechischen Poeten einer und unter den Heiden der erste Theologus, die Götter mit Hymnis und Liedern verehret/ und nach dem Vorspiel Amfons/ mit seinen Poetischen Sitten- und Tugend-Lehren/ die wilde in Wäldern und auf Bergen herum schweiffende verstreute Leute/ in Dörfer/ Märkte und Städte zuhauf gesammlet/ und in das Band Menschlicher Gesellschaft eingefangen: daher von ihm die Fabel entstanden/ er habe mit seinem Sing- und Seitenspiel/ die Thiere/ Steine und Bäume an sich gezogen. Die Poesy ist freilich die Kunst/ so mit den Gottes-Liedern angefangen. Sie ist die rechte Pallas/ von deren die Griechen gedichtet/ daß Jupiter sie aus seinem Gehirne [S] gebohren habe: wie dann alle Weißheit von GOtt kommet. ¶ 12 Die Heiden wusten dieses: darum haben sie/ nicht nur eine Pallas oder KunstGöttin/ sondern auch einen Apollo oder Vorsteher der neun Musen erdichtet/ ihm eine Cyther in die Hand/ und die Berge Parnassus und Helikon zur Wohnung gegeben/ einen Brunn daraus herabfließen gemacht/ und vorgegeben/ man trinke Geist-Feuer mit selbigem Wasser in sich/ und man erwache ein guter Poet/ wann man auf dieser Berge einem eingeschlaffen. Dieses hat/ der Feind und Affe Gottes/ von David dem König und Poeten abgesehen: welcher viel Sänger und Poeten/ als Musen/ um und unter sich gehabt/ auf dem Berg Sion gewohnt/ daraus der Brunn Siloha gefloßen/ auf der Harffen gespielet/ und in deren Thon viel Psalmen gesungen. Im I SchäferGedichte des II Theils der Pegnesis/ der Norische Parnaß [S] genannt/ wird dieses umständlicher ausgeführet. ¶ 13 Von den Brunnen insonderheit/ ist bei den Heiden viel Aberglaube gewesen/ und haben sie dieselben/ weil sie also unabläßig rinnen und ihren Lauf behalten/ für Göttlich gehalten/ auch ihneu Nymfen und Najaden zu Vorsteherinnen zugeeignet. Daß aber ein Brunn den Geist der Poesy eingießen soll/ scheinet daher entsprungen zu seyn. In der ersten Welt/ wann die Weibspersonen bei den Brunnen/ um Badens willen/ zusammen kamen/ haben sie die Mannspersonen nach sich gezogen/ welche/ ihre Leibsschönheit zu beschauen/ begierig gewesen: dergleichen mit der Diana und ihren Nymfen/ und mit dem Actäon/ sich zugetragen. Weil nun/ durch solche Anschauung/ in den Herzen der Mannspersonen die Liebe angezündet worden/ haben sie mit Gesang-Rede derselben Weibsbilder Schönheit gepriesen/ und [S] um deren Holdschaft angesuchet. Daher entstunde die Sage und Fabel/ man lerne bei den Brunnen ein Poet seyn/ schöpfe und trinke diese Kunst (mit den Augen/ aber nicht mit dem Munde) aus denselben. Also haben die heilige Hirten Jacob und Mose/ bei Brunnen/ ihre Schönen gefunden die sie hernach geliebet und mit Liedern beehret: wie dann auch sonst gemeinlich junge Poeten/ mit Liebssachen/ zu poetisiren anfangen. Sidonius verlachet solche Brunn-Poeten/ und saget/ Ein Gedichte müße/ nicht aus dem Strom/ sondern aus der Stirn hervorschwitzen. (l [Carmen non tàm fonte, quàm fronte Sudari. I. 8. Cp. 3.]) ¶ 14 Es ist aber ein anderes Wasser/ mit welchem die Dicht-fähigkeit einfließet/ nämlich die Feuer-Flut des himlischen Geistes/ von welchem Plato also redet: Das Gemüte kan keine Brut empfangen oder gebähren/ es werde dann durch einen Strom von Himmel herab über-[S]gossen und beschwämmet. Der Himmel/ oder die Wohnung der Herrlichkeit Gottes/ wo nicht nur Neune/ sondern viel 1000000 Musen wohnen und ein LobLied nach dem andern anstimmen/ ist der rechte Parnassus/ daraus diese Geistes-Flut erqwillet und herabschießet. Gleichwie aber das von oben abfallende Wasser/ wann es durch Röhren in ein Brunngefäß geleitet wird/ in demselben wieder empor und hervorspringet: also soll die DichtKunst/ weil sie vom Himmel einfließet/ wieder gen Himmel steigen und Gott zu Ehren verwendet werden. Sind also die Poeten himlische Spring Brunnen/ oder sie sollen solche seyn/ und das Himmels-Flut Feuer nicht Irdisch verwenden: worauf mit dem Titel-Sinnbild gezielet worden/ da die Poesy und Andacht/ als die wahre Uranie in zweyen Personen/ vor einem solchen Brunnen sitzet. Solcher gestalt wird/ die Erde/ zum Echo und Gegenhall des Him-[S]mels/ und GOtt/ wie billig/ droben und hierunten beehret. ¶ 15 Es haben jederzeit Welt-Hohe sich gefunden/ die nicht allein die Poesy geliebt/ sondern auch selber Poeten gewesen. Waren nicht/ wie erwehnt/ David und Salomon große Könige?' | 'Zu wünschen wäre solchen Versesudlern/ daß sie die Kunst der Poesy recht erlernten/ und alsdan Lieder GOtt zu Ehren widmeten? Sie würden erfahren/ daß GOtt/ dem sie auch allein gebühret/ die Ehre erkentlicher von ihnen annehmen/ auch mit Wolthaten/ die sie oft bei Menschen mit Versen vergeblich suchen/ sie reichlich überschütten würde. Rechtschaffene Poeten/ die sich erinnern/ daß ihre Kunst vom Himmel einfließe/ daß diese Kunst-Ergebenen vor alters für [S] die allein-Weißen gehalten/ und von dem Weltweißen-Vatter Plato Vätter und Fürsten der Weißheit/ größer als Menschen und kleiner als Götter/ ja Söhne der Götter und Göttlich genennt worden: werden diese HimmelsTropfen und Perlen viel zu edel achten/ als daß sie solche auf die Erde verschütten sollten. ¶ 25 Gegenwärtige Poesy-Anweisung/ zielet auf der frommen Zweck/ daß diese Edle Kunst zur Ehre dessen/ von dem sie einfliesset/ möchte verwendet werden. Ich schriebe/ fast vor 30 Jahren/ auf gnädiges Ansinnen eines hohen Cavalliers/ ein halb-huntert LehrSätze von dieser Wissenschaft: welche/ als nur in einem paar Bögen bestehend/ ohne mein Wissen/ vielfältig abgeschrieben/ und endlich gar in die Schulen einzuführen mir abgeheischet worden.' | '141 Das Absehen oder der Zweck/ wornach ein Poet zielet/ ware bei den Heiden/ Nutzen und Belusten/ prodesse & delectare, wie Horatius redet/ oder simul jucunda & utilia, vel utilia jucundè dicere, nützliche Sachen lieblich ausreden/ lieblich nutzen und nützlich belustigen. Es haben aber die Heiden/ auch zur Ehre ihrer Götter/ die Poesy mit Lobgesängen verwendet/ daher Horatius saget: [S] ¶ Disceret unde preces, Vatem nisi Musa dedisset? ¶ Woher könt man lernen beten/ ¶ wan nicht wären die Poeten? ¶ So nennen dann wir Christen den dritten Zweck der Poesy/ vielmehr den ersten/ die Ehre Gottes. Die Poetische Dichtfähigkeit/ wie zuvor erwehnt/ und der Geist/ komt von Himmel: so ist ja billig/ daß dessen Wirkung in seinen Ursprung wiederkehre. Aller Thon/ alle Rede und Schrift/ sol Gott loben: weil Gott allein/ das Leben/ die Redfähigkeit/ den Geist und die Kraft/ gibet. Der Heidenlehrer befihlet: Alles/ was ihr thut/ mit Worten oder Werken/ das thut im Namen und zur Ehre GOttes. (a [I Cor. 10 V. 31]) Und wann schon das Absehen nicht eigentlich auf Gott zielet/ soll doch iedes Gedicht also abgehandelt werden/ daß es anmutig zur Gottes-Ehre und Tugend-Lehre gereiche. ¶ 142 Zu einem wahren rechten Poeten/ der da fähig seyn soll/ von allen Dingen zu poetisiren/ gehört notwendig die Wissenschaft aller/ sonderlich [S] himlisch- und natürlicher Dinge.' | '50 Es waltet auch hier die Frage/ ob ein Christlicher Poet/ in seinen Gedichten/ der Heidnischen Götter Namen gebrauchen dörfe? Die/ so es be-[S]haupten wollen/ halten dafür / daß der Poesy gröste Zierde in einführung solcher Namen bestehe. Sie wenden auch vor/ man verstehe darunter/ nicht die Heidnische Götter/ sondern die Tugenden/ Laster und andere Eigenschaften Gottes und der Menschen. Ferner spötteln sie/ es seyen nur Worte/ und keine Gefahr dabei/ daß jemand dadurch zum Heiden gemacht werde: weil man sie nur nenne/ aber nicht anbete. ¶ 51 Es ist aber hiergegen zu sagen/ daß GOtt/ nicht allein in dem Ersten von seinen Donner-Geboten verboten/ keine andere Götter neben ihm zu haben/ sondern auch sonst ausdrücklich befihlet: Anderer Götter Namen solt ihr nicht gedenken/ und aus eurem Mund (Feder) sollen sie nicht gehört werden. (a [2. Buch Mos. 23. V. 13.]) Diese Götter oder Götzen/ sind entweder Menschen/ die den wahren GOtt nicht erkennet/ oder gar Teufel gewesen/ die auch nun in der Hölle beisammen wohnen. Es haben ihnen auch die Heidnsiche Poe-[S]ten allerhand Laster und Bosheiten zugeschrieben/ als daß sie Ehbrecher und Huren/ Diebe/ Mörder/ Säuffer gewesen/ einander geneidet und angefeindet: welches ja die höchste Unvernunft ist/ weil der Gottheit kein Laster eignet/ sondern vielmehr die höchste Unschuld und Tugendvollkommenheit. Deswegen hat auch Plato/ die Poeten/ von seinem Regir-Staat ausgeschlossen. Da nun ein Heide nicht dulten können/ daß man Göttern Bosheit zugeschrieben: wie solte es dan GOtt an seinen Christen nicht misfallen/ wann sie den Dagon neben die Bundslade stellen/ und mit der Hand/ da sie in der H. Taufe ihm gehuldigt und dem Satan abgesaget/ von Teufeln reden und schreiben. ¶ 52 Man wil zwar sagen/ Homerus, unter den Poeten (soviel man weiß) der ältste/ habe nur eine Fabel geschrieben/ wie heutigs tags die Romanzen oder Geschicht-Gedichte sind/ und unter den Namen der Götter/ das Verhängnis/ den Krieg/ die Liebe und anders dergleichen verstanden. Es ist [S] aber solches nicht erweislich/ weil der Götzendienst schon vor ihme üblich gewesen: und hat er damit Virgilio, Ovidio und andren folgenden Poeten/ von Götzen zu reden/ Ordnung und Anlaß gegeben. ¶ 53 Es ist wol die gröste Gottslästerung/ wan man GOtt mit einem Namen nennet/ den vordessen ein Götz oder Teufel geführet. Wie sol GOtt gut heißen/ da man ihn Jupiter nennet: ob es schon juvans pater, ein Helfe-Vatter/ zu Teutsch heißet. So kan er auch nicht vertragen/ da er die Liebe selber ist/ daß man diese Tugend oder Eigenschaft mit den Namen der geilen Venus bekleide. Die Israeliten/ verstunden/ unter den güldnen Kälbern/ und unter dem Namen Baal/ den wahren GOtt: aber GOtt ergrimmte über das Kalb-Fest/ und wolte darum das ganze Volk verderben. Er sagte auch/ durch den Profeten: Du solst mich nimmer Baal nennen/ und ich wil den Namen der Baalim von ihrem Munde weg thun/ daß man deren nicht mehr gedenken soll. (b [Hos. 2. V. 17.]) [S] ¶ 54 Daß Gefahr hierbei sei/ erhellet gnugsam: da manche sich dermaßen in die Heidnische Altertum-Sachen verlieben/ daß sie darüber/ wo nicht zu Heiden/ jedoch zu Atheisten werden. Hubertus Golzius hat sich nicht gescheuet/ nach verrichteter LänderReise/ dem Wander Götzen Mercurio einen Hymnum zu schreiben. Dergleichen GötzenGedichte/ findet man hin und wieder in den Schriften unserer Poeten/ und werden insonderheit die Venus und ihr Cupido fast von allen/ als Götter/ angeruffen. Justus Lipsius hat/ für seinen Garten/ eine Fürbitte an sie geschrieben. (c [Epist. Cent. I 27.]) Also haben Dan. Heinsius und unser Opitz/ den Kriegs- und Wein-Götzen Marti und Baccho, Lobgesänge verfasset. Von solchen Poeten/ kan man mit eines vornehmen GottesLehrer Worten (d [J. V. Andreae Mythol. man. II 35.]) sagen: Es ist zu zweiflen/ ob GOtt deme beiwohne/ der an höllischen Götzen gefallen hat? und ob der an den Himmel recht gedenke/ der öf-[S]ter die Venus als die GottesMutter Maria/ den Cupido als das HimmelKind Immanuel/ den Phoebum, als den H. Geist/ den Berg Parnaß als den Oelberg/ die Elysische Felder als das Paradeis/ und Fabeln als das himlische Wort der Warheit/ in dem Mund seiner Feder führet? ¶ 55 Daß aber nicht eben alle Zier der Gedichte an diesen Heidnischen Götzengewäsche gelegen sei/ zeigen die erste Christliche Poeten Juvencus, Prudentius, Venantius Fortunatus und mehr andere/ die viel schöne Carmina ohne solchen Götzen-kleck hinterlassen. Die H. Schrift hat viel warhafte schöne Geschichten/ die man/ an stat dieser Lügen/ einführen kan. Es ist auch ohnedas/ der Heidnische Götzen-Krempel/ lauter Affenwerk des Satans/ aus H. Schrift genommen. Was sind Jupiter und Juno anders/ als Adam und Eva/ das erste paar Menschen? Jubal, Tubalkain und Naema/ (e [à rad.[hebr.], amoenus, venustus.]) sind Orfeus/ Vulcanus [S] und Venus. Noah/ ist Janus/ Bacchus und Deucaleon. Was sind die Himmelstürmende Riesen anders/ als die Babylonische Thurn-bauer? Was ist gleicher/ als Jacob oder Mose und Apollo/ beiderseits Exulanten und Hirten? Miriam und Diana? Joseph/ und Phryxus mit der Phädra? ¶ 56 Will man das Gedichte mit Historien zieren/ was ist schöner/ als die Welt-Erschaffung/ welche Ovidius fast ganz aus dem Ersten Buch Mose genommen? Was ist trübseliger/ als der Menschen-Fall/ die Sündflut/ der Sodomer-Gegend SchwefelSee? Was ist himlischer/ als die Erscheinung Gottes/ dem Abraham geschehen/ da er warhafter/ als Baucis und Filemon/ den Gott Elohim bewirtet? Was ist annemlicher/ als das Opfer Isaac/ der Traum und Schäferstand Jacobs/ die Verfolg- und Erhöhung Josefs/ die Hinwerfung und Erhebung des Kinds Mose/ die zehen Plagen von Egypten/ der Gang durch Meer und Jordan/ des Josua Sonnestillstellen/ das Manna oder Himmel-[S]Brod/ die Eroberung des Gelobten Landes? Will man von Tyrannen und Riesen reden: hier sind Nimrod/ Og und Goliath. ¶ 57 Und wil man einen Parnaß und Apollo/ einen Delfis-Tempel/ die Musen und ihren Künste-brunn haben: Hier sind/ die Berge Sion/ Hermon/ Carmel/ Thabor und Libanon; der König David/ mit der Harffe und dem Lieder-Psalter/ mit dem Goliaths-Sieg; der Tempel Salomons mit seiner BundsLade; die gelehrte andächtige Weibspersonen Miriam/ Debora/ zwo Hannen/ die Tochter Jephtha/ die Arabische Königin Maqueda/ die Hulda und Judith/ die H. Gottes Mutter Maria/ und mehr andere; der Jordan/ der Bach Kidron/ und der Brunn Siloha/ so aus dem Berg Sion entqwollen. Und hat nicht JEsus Christus/ der rechte Föbus und Sonne der Gerechtigkeit/ den höllischen Python erwürget/ die Menschheit angenommen/ die Gemeine/ wie Salomon seine Sulamith/ geliebet/ und sie/ wie Perseus die [S] Andromeda/ von dem höllischen Drachen erledigt? Da haben wir/ an stat des Hercules/ den Löwenzwinger Simson und viel andere Helden; an stat der Venus/ die keusche Gottesgebärerin/ da ein Christlicher Poet wol sagen und dichten kan: ¶ Weg mit eurer Huren-Göttin/ Heide/ Mahler und Poet! […] ¶ 58 Aus besagtem wil nun erhellen/ daß auf unsere Frage mit Nein zu antworten sei. Dieses ist zwar erlaubt/ daß man eine Tugend/ oder ein Laster in der person eines Engels oder Knabens/ einer Jungfrauen oder Matron/ oder einen Baum/ wie Jothan in H. Schrift/ einen Fluß/ Stadt oder Land/ und dergleichen/ unter erdichteten Namen/ mit einführet: nur daß es nicht [S] solche seyen/ die von den Heiden angebetet worden. Also kan man dichten/ wie den Paulus ein Engel aus dem Schiffbruch gezogen/ dem Judas Maccabeus ein Schwerd in der Schlacht zugestellt/ und den Tobias in Menschengestalt begleitet; wie ein Gottloser die böse Geister zu Hülfe beruffen. Und hierinn hat man zum Vorgänger den Italischen Poeten Torquato Tasso, welcher solches in seinem Erlösten Jerusalem meisterlich zu werk gerichtet. ¶ 59 Es erscheinet auch hieraus/ was von Schau- und Danz-Spielen zu halten sei/ da Heidnische Götter redend oder sigend eingeführet werden: wovon hier/ um kürze willen/ nur noch diese ehmals hierüber verfasste Verse reden. ¶ Sind sie es dann alleine/ die Walonen/'
Morhof, Daniel Georg
Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie
Männling, Johann Christoph
Europäische Parnassus, Oder kurtze und deutliche Anweisung Zu der Deutschen Dicht-Kunst
Stieler, Kaspar von
Die Dichtkunst des Spaten 1685
| 'Umsonst ists, d[aß man schwitzt, Anm. i.O.] [S.i.O.] ¶ üm einen saubern Vers, wann nicht die Himmelsgüße ¶ sich senken auf die Brust, durch milde Sternenflüße.¶ Drüm ist ein Föbus nur den edlen Dichtern hold, ¶ und der schießt in ihr Herz sein unbeflecktes Gold, [S] ¶ das her- von oben -rührt. Was quälstu dich vergebens ¶ und sagst den Reimen zu die Ewigkeit des Lebens, ¶ wenn du zur Erde kreuchst, bist starr und kalt und schwach, ¶ und wo du Kraft bedarfst, die Kräfte geben nach?' | 'Gott tuht kein Wunderwerk ¶ Durchaus. Dem gibt er Muht und bildet ihn zum Helden, ¶ dem schenkt er Stateswitz, und dem die Kraft zumelden, ¶ was niemand melden kan, als einer von Arpin: ¶ der wehrt der letzten Noht, ruft rückwärts, die schon ziehn ¶ [noch, Anm. i.O.] ihre Lehte zu: Der forscht des Himmels Kräfte, ¶ [-, Anm. i.O.] mehr als Atlas selbst, durchgeht die Sterngeschäfte, ¶ [-, Anm. i.O.] [f, Anm. i.O.]ährt zur Heimlichkeit der Gottheit gar hinauf; ¶ [N, Anm. i.O.]ur ein Poet wird nicht nach dem gemeinen Lauf.' | 'Ein neuer Schöpfer kan ¶ ein Dichter scheltohn seyn, doch anders nicht, als wann ¶ darunter eine Lust und sinnreich Gleichnüß stecket ¶ und solcher Larfen Schäm die Wahrheit künstlich decket.' | "Daß, weil der Himmel ihn zu solchem Amt' ernennet, ¶ sey ihm auch Stärk' und Kraft von oben zuerkennet." | 'Es ruht ein Gott in uns, ein Gott, wenn der sich regt, ¶ wird warm und frisch der Sinn, und zu der Lust bewegt. ¶ Diß schilt man leichtlich nicht: Doch will ichs darmit halten, ¶ wenn, die mehrsylbig seyn, sich so mang ander schalten: ¶ Was Göttlichs ruht in uns, wann solche Kraft sich regt ¶ wird feurig unser Sinn, ermuntert und bewegt.' | "Es sey die dichter Red' ¶ Orakels sprüchen gleich, ein Dichter ein Profet, ¶ deß Geist vom himmel rührt und himmlisch wesen treibet, ¶ von irdnen losgezehlt, wenn er mit federn schreibet ¶ die unvergänglich sind." | "Gott hat Poeten lieb. Ihr Geist wird aufgelüftet ¶ durch mehr als Menschenwitz. Wenn Moses dicht und stiftet ¶ ein hohes Heldenlied, Debora sieghaft singt, ¶ und Davin einen Reim in seine harfe zwingt ¶ hört ihnen merksam zu das himmelheer und schallet ¶ ein schönstes Echo nach. Also, wenn nachtigallet ¶ das Ständlein Salomos üms Bett der Sulamit, ¶ brennt ihres Freundes herz, erwallet, hitzt und glüht, ¶ mit Flammen, die mehr stark sind, als der Tod und helle. ¶ Wer stürzt ein Trähnen Meer nicht aus der Augenquelle ¶ wenn er das winseln hört, das Jeremias treibt, ¶ in dem er Salems Sturz und Mauerfall beschreibt ¶ mit einem kiel, den ihm recht in Parnaßen Mitten, ¶ (Ich meine Sions Burg) Melpomene geschnitten? [S.i.O.] ¶ kein Redner, möcht er auch Demostenen bestehn, ¶ und deme von Arpin an Nachdruck übergehn, ¶ gleicht ie dem donnermund' aus dem ein hiob wittert ¶ und Gottes Recht verficht, daß Unschuld drob auch zittert. ¶ Fällt schon ein Zweyfel vor, wie der und jener denkt, ¶ die Schriften wären nicht in Versen eingeschrenkt! ¶ macht doch der große Geist, wär' auch die Red' unbündig, ¶ den Himmelstrieb verklärt und den Poeten kündig, ¶ der sich nicht bergen kan, wie tief er gleich sich deckt:"
Spengler, Johann Friedrich
Wittenbergischer Poeten-Steig
| 'Die aber aus einem andern Wesen etwas herfürgebracht haben/ haben Sie [griech.] genennet. Ovidius selber hat dafür gehalten/ daß der Poeten Einfälle von einem Göttlichen Getriebe und Einflusse herrühren/ wann Er gesungen: ¶ Est Deus in nobis, agitante calescimus illo: ¶ Es ist ein Gott in uns / ein Geist/ wenn ¶ der sich reget/ ¶ Brennt unser Geist auch an/ und sich wie ¶ Gott beweget. ¶ Gleichwol ist ein solcher Poetischer Feuer=Geist nicht genugsam zu einem Gedichte' | 'so soll sich doch ein Poet noch höher schwingen/ die gemeine Red-Art unter sich tretten/ und alles höher/ kühner/ verblümter und frölicher sezzen/ also/ daß seine Worte eine sonderbare Majestät mit sich führen/ und mehr einem Göttlichen Ausspruche oder Orakkel (wie der Seel. Buchner/ aus dem Petronius hiervon redet) als einer Menschen-Stimme gleich scheinen.'
Weise, Christian
Curiöse Gedancken Von Deutschen Versen
Hofmann, Johann
Lehr-mässige Anweisung/ Zu der Teutschen Verß- und Ticht-Kunst
| '4. Und ist demnach kein Wunder/ daß denen Poeten sonderliche Nahmen beygeleget werden/ welche bedeuten/ daß Sie von den Musen oder Göttinnen der freyen Künste gleichsam angefeuret werden/ und daß Phoebus selbst ihr Gemüth entzünde/ indem sie sagen: (e. [= Ovidius Lib. VI. Fastorum. vers. 5.]) ¶ Est Deus in nobis, agitante calescimus illo, ¶ Impetus hic sacrae femina mentis habet. ¶ Welches ich dorten (f. [In Viridario meo Poëtico Parte II. p. m. 35.]) also teutsch gegeben. ¶ Es ist ein GOtt in uns/ so sagen die Poeten/ ¶ Wann der sich in uns regt/ so wird uns warm gemacht; ¶ Und was durch dessen Trieb von uns wird vorgebracht/ ¶ Ist anders nicht/ als wanns herkäm von den Propheten. ¶ 5. Und ist dieses Orts nicht zu verschwei-[S]gen/ daß etzliche von denen alten Vättern und Lehrern der ersten Christlichen Kirchen die Poeten anders nicht genennt haben als Propheten-Diebe: Weil sie nemlich viel aus der H. Schrifft gestohlen oder genommen haben/ wie fürnemlich in des Ovidii Buch/ Metamorphosis genannt/ oder die Verwandelung/ aus welchem es scheint/ daß er viel mit unter sein Fabelwerck/ und erdichtete Schrifft mit eingemenget habe. ¶ 6. Sonst werden sie auch Brüder der Natur genennt; Weil sie nemlich nicht allein ein Ding klug und sinn-reich erfinden und fürstellig machen/ als wann sichs in der That und Wahrheit also befände; sondern auch/ weil sie der Zeuge-Mutter aller Dinge/ der Natur/ dergestalt nachahmen/ daß sie alles eigentlich u. natürlich vorstellen/ wie es an sich selbst ist' | '6. Daher sagt jener berühmte Poet (c. [= Hr. Schottelius in der ausführlichen Arbeit über die Teutsche Sprache Lib. IV. cap. 1. p. m. 300.] gar nachdencklich also: ein Poetischer Geist ist vor sich selbst von sinnreichen/ anmuthigen Einfällen/ voll Feuerssteigt unnachfolgig keckes Unternehmens/ flügelt sich [S] mit göttlicher Vernunfft/ übertrifft die alltags-Erfindungen/ und übersteiget das/ was nur erlernet wird. Dieses aber wird nur allhier durch die Wissenschafft verstanden/ wie ein munteres geistreiches Gemüth/ das seinen Gedancken die süsse Musen zu Begleiterinnen beyfügen kan/ jeden seinen SinnBegriff/ und jede Erfindungen in Teutsche Wort/ nach Poetischer Kunst/ Zierde und Art einzukleiden/ und also die Teutsche Haupt-Sprache kunst-gründlich/ und Grund-richtiglich/ nach aller beliebenden Manigfaltigkeit/ auf Poetische Weise anwenden/ aufsuchen und gebrauchen könne.' | '2. Und ist allhier nicht vorbey zu gehen/ daß der weise Heyd (b. [= Plato.]) die Tichter oder Poeten/ Söhne der Götter nennt. Dahin zielt der Poet (c. [= Ovidius.]) ¶ Est Deus in nobis, sunt & commercia coeli, ¶ Sedibus aethereis Spiritus ille venit. ¶ Das ist: ¶ Es ist ein GOtt in uns/ wir spühren Himmels-Kräfften/ ¶ Und hilfft der Himmels-Geist/ in unsern Ticht-Geschäfften. ¶ 3. Wie aber das [griech.], das ist: der Himmels-Geist/ oder überirrdisches Wesen in denen Ticht-Geschäfften seine Regierung habe/ das wird von einem hochberühmten Mann anderswo (d. [= Videatur Clariss. Morhofius in Polyhist. Lib. I. c. 12. p. m. 116. seqq.] umständiger ausgeführet'
Omeis, Magnus Daniel
Gründliche Anleitung zur Teutschen accuraten Reim- und Dicht-Kunst
| 'EIne gute Erfindung ist die Seele des Gedichtes/ welches ohne jene ganz todt und leblos/ und nur ein eitles Geschwätz zu nennen ist. Die Alten haben sich/ um gewiße Regeln von der Poetischen Erfindung zu geben / wenig bekümmert; weil sie vermeynten/ die Poeten reden nicht aus eigenem Kunst=Vermögen/ sondern durch einen Göttlichen Triebe. Daher singet Ovidius: ¶ Est Deus in nobis, agitante calescimus illo: ¶ impetus hic sanae semina mentis habet. ¶ Est Deus in nobis, sunt & commercia coeli: ¶ sedibus aethereis spiritus ille venit. [S] ¶ Es ist auch vor Alters unter den Gelehrten diese Streit-Frage entstanden: Utrum Poëta nascatur, an fiat? welche Horatius de Arte Poët. folgender maßen entschieden: ¶ Natura fieret laudabile carmen an arte? ¶ quaesitum est. Ego nec studium sine divite vena, ¶ nec rude quid prosit, video, ingenium. Alterius sic ¶ altera poscit opem res, & conjurat amice. ¶ Nemlich / gleichwie es in der Sitten- und Tugend-Lehre heißet: Natura incipit, Ars dirigit, Exercitatio perficit; also gehöret auch zu der Dicht Kunst (1) eine fähige Natur/ (2) die Kunst=Lehre/ und (3) die Ubung im Lesen und Schreiben. Es muß sich erstlich iemand prüfen / ob er einen sonderbaren Lust zur Poësie / einen muntern Geist und hurtige Einbildungs-Krafft habe?' | 'Ingenium cui sit, cui mens divinior, atque os magna sonaturum, do nominis hujus (Poëtae) honorem; sagt Horatius.' | 'Wann Horatius singet Lib. I. Od. 3: ¶ Nec quicquam Deus abscidit ¶ prudens, Oceano dissociabili ¶ terras, si tamen impia ¶ non tangenda rates transiliunt vada. ¶ Wie schicklich nennet er Deum prudentem, in hac marium & terrarum distinctione? Impias rates, quod divinae providentiae leges violare quodammodo videantur. Non tangenda vada, maria scilicet, quae Deus videtur infinitis propemodum Syrtium, scopulorum & procellarum cinxisse periculis, ne unquam homines mari se committere, illudve attingere auderent.' | 'Die Poesie in einem bunten Rock voller Blumen oder Sternen/ mit einem Lorbeer-Kranz bekrönet/ sitzend in tiefen Gedanken / und gleichsam in einem enthusiasmo oder Verzuckung/ mit offnen und aufgeblasenen Brüsten/ um welche etliche Genii mit Leyern/ Pfeifen und allerhand Instrumenten herum fliegen; zu den Füssen kan ein Schwahn sitzen.'
Hunold, Christian Friedrich
Die Allerneueste Art/ Zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen
| 'Wenn sich wenige Philosophi zu Poeten/ so schicken sich alle rechtschaffene Poeten hauptsächlich Philosophi zu seyn/ wegen ihres vor andern vor Natur empfangenen durchdringenden und zur Er-[S]kentniß verborgener Warheit fähigen Geistes. Denn diese Göttliche Wissenschafft hat/ ich weiß nicht was geheimes und verborgenes in sich/ welches allen nicht gegeben noch offen stehet/ sondern nur dem ¶ Ingenium cui fit, cui mens divinior. ¶ der einen gleichen Verstand/ und ein erleuchtetes Gemüht hat. Sind nicht meine sondern des Flacci Worte; wie auch Plato an vielen Orten nicht undeutlich lehret/ ob er gleich den Mißbrauch verwirfft. ¶ Will einer vielleicht einwenden/ die Weißheit in der Poesie habe nicht das Absehen/ noch die Wirckung in Erbauung der Menschen/ als die andere eigentlich genannte Philosophie; dem antworte: bey manchen Poeten vielleicht beydes nicht/ und bey manchen auch mehr; oder in Lesung der Poesie hat die darinnen begriffene Weißheit offt mehr heilsame Wirckung bey manchen Leuten/ als die andere Scholastische Philosophie. Des vortrefflichen alten und jungen Herrn Grüphien geistliche Lieder und Gedichte/ wie auch des Hrn. Hofmanns-Waldau seine/ etc. nebst dieser beyden und des Herrn von Lohensteins höchst-schätzbaren Sit-[S]ten-Lehre. Ja des Herrn Ober-Hof-Predigers Neumeisters an dem Reichs-Gräflichen Promnitzischen Hofe/ Geist-reich bewegende geistliche Cantaten, anderer itzo nicht zu erwehnen/ könten zu einiger Behauptung meiner Meinung angezogen werden.' | 'Wollen sie einwenden/ sie verlangen den Ruhm der Poeten nicht/ und wenn sie auch keine grosse/ würden dennoch ihre Regeln mittelmäßige Poeten gemacht haben/ die einen reinen Vers und dergleichen scheiben könten. So dienet ihnen zur Antwort: ¶ Mediocritus esse poetis, ¶ Non homines, non Di, non concessere columnae. [S] ¶ Das ist: Wer auf die Höhe des Parnasses steigen will/ und von dem Himmel kaum halbe Kräffte darzu bekommen/ dem kan es/ sans Comparaison, nicht anders als jenem guten Bereiter gehen/ der auf den bekanten hohen Blockels- oder Hexen-Berg bey Wolfenbüttel wolte/ und deswegen einen Esel mitnahm/ um wo er nicht weiter gehen könte/ zu reiten. [...] ¶ Mittelmäßige Poeten lieben also weder der Himmel noch die Menschen/ und man muß/ es sey welche Art zu schreiben man sich erwählet/ einen hohen Geist sehen lassen.' | 'Und wo ein schöner Einfluß des Himmels oder der Sterne keinen Poeten macht/ die Menschen thun es wol nicht.' | 'XLVIII. Wir wollen aber eben nicht eine neue Division des Styli, und eine Distinction zwischen dem Stylo Ecclesiastico und Politico machen/ weil doch jener mit diesem eine grosse Verwandschafft hat/ ohne nur/ daß er sich mit seinen Realien auf die heilige Schrifft und Glaubens-Lehre gründet/ und in Worten/ und Phrasibus seine Richtschnur gemeiniglich nach unserer Teutschen Bibel nimmet. [S] ¶ XLIX. Und dannenhero muß man sich in geistl. Liedern vor allen Dingen an Biblis. Worte und Phrases binden und halten/ wo es sich thun läst/ und dergleichen zur vorhabenden Materie vorhanden sind. Man redet doch lieber mit dem heiligen Geiste/ als aus Menschlicher Weißheit und eigner Speculation. So dann wird es auch an Kern und Nachdruck nicht fehlen. ¶ L. Hiernächst schreibe man so deutlich und geistlich-einfältig/ als man immer kan/ und setze sich Lutherum/ Bartholomäum Ringwalden/ Johann Francken/ Simon Dachen/ Johann Herrmannen/ Paul Gerharden/ und andere geistreiche Männer/ zur Imitation vor/ nehmlich qua dictionem & realia, nicht aber/ zu mahl bey den Alten/ qua constructionem & Rhytmos, welche hier eben so rein/ wie in andern Gedichten seyn müssen. ¶ LI. Man machet sonst einen grossen Staat von Johann Risten. Allein mein Judicium, ohne jemanden zum Praejudiz von ihm zugeben/ so finde ich in dem zehenden Gesange kaum ein bisgen Safft und Krafft/ welches ein andächtiges Hertze recht vergnügen könne. Wie konte es aber auch anders kommen? Indem er den Buchführern alle Lieder/ und derer gantze Lasten voll/ ums Geld ausfertigte. Gleichwol waren sie in grosser Estime, das macht/ er hatte einen Mantel um/ welcher Opinio heisset.' | 'Doch ist ihm [E.N., J.T.] auch nicht unbewust/ das Er in einem Stande nunmehro lebet/ darinnen man der Leute Wahn viel zu Gefallen thun müsse/ und ein Priester auch zur Gesundheit seines Leibes keine Pfeiffe Toback/ den doch GOtt zum rechten Gebrauch so wohl als andere Kräuter erschaffen/ in Gegenwart solcher Leute rauche/ die aus blinden Irrthum sich daran ärgern. ¶ Aus diesen und keinen andern Ursachen enthalte mich seiner besondern Benennung der Weltlichen Gedichte wegen/ weil er/ wie mir bekandt/ seine Muse nunmehro zu Gottes Ehren allein/ und trefflich hören läst; und wende mich zu dem Herrn Ober-Hof-Prediger bey dem Reichs-Grafen von Promnitz/ Hrn. Erdmann Neumeister/ dessen geistlicher Cantaten wir oben bereits erwehnet. Ich will sie nicht rühmen/ sondern solche zu lesen/ oder sie in denen vielen Kirchen/ wo man sie mit der Music eingeführt/ zu hören bitten/ so werden Seufftzer/ Thränen oder eine innerliche Tugendhaffte Bewegung ihre besten Lob-Reden seyn. Was die Poesie [S] anbelangt/ so ist solche desto schöner/ weil sie der Schrifft-gemäß/ und von keinen hochtrabenden Menschlichen Gedancken ist. Will man sagen/ weil sie so natürlich geistlich/ so habe er nur in wohlfliessende Reime gebracht/ was in der Schrifft in ungebundener Rede stünde? O nein/ man siehet die Züge und die Gänge seiner edlen Genie und Poesie gar wohl/ und ist desto vortrefflicher/ daß er sie durch den Heil. Geist aus seinem Geiste genommen. ¶ Nach diesem Muster habe mich bemühet/ meine wenige geistliche Gedichte zu verfertigen/ und nach solchem werde auch meine übrigen/ deren der Himmel viel wolle seyn lassen/ einrichten. Die Music nun solcher geistlichen Cantaten, legt der Würdigkeit der Poesie keine Unehre/ sondern eine nicht gemeine Krafft zu andächtiger Bewegung vollends bey/ und wird solches zu glauben genug seyn/ wenn man weiß/ daß es der berühmte und in Kirchen-Stücken besonders vortreffliche Herr Capell-Meister Krüger am Hochfürstlichen Weissenfelßischen Hofe gemacht;' | "Der hochgelehrte Hr. Doctor und Professor Mencke/ in Leipzig/ führet mit einer zierlichen und in der Poesie geschickten Feder in dem Gratulations Carmine auff den Herrn Ober-Hof-Prediger Neumeister/ oder in der Frage: Ob ein Poete wohl Superintendens seyn könne? unter andern an: daß Marcus Antonius Flaminius einer [S] von den Frömsten und Gelehrtsten gewesen/ von dem Monsieur Bayle saget: Sa pieté n'empecha pas, qu'il ne fit un tres grand nombre de Vers amoureux, & tres-amoureux, quoi qu'il fût Ecclesiastique. Conf. Menage Anti-Baillet T. I, p. 337. Ob er gleich im geistlichen Stande/ und dabey von besonderer Frömmigkeit war/ so verhinderte dieses dennoch nicht/ daß er eine grosse Menge verliebter/ und zwar sehr verliebter Verse machte. Und Mademoiselle de Scudery, welche den Affect der Liebe in ihren Gedichten und Romanen vortrefflich ausgedruckt/ soll gleichwohl selbst davon frey geblieben seyn. ¶ An welchen und vielen andern angeführten Poeten wohlgedachter Herr Professor Mencke nicht die Liebe/ sondern nur den Mißbrauch dieser edlen Passion in der Poesie getadelt; Und darinnen bin ich so wohl mit ihm eins/ als mit mir selber uneins bin/ in meinen ersten und vor 5. Jahren heraus gegebenen Gedichten/ einige schlüpffrige Gedancken durch die Feder fliessen zu lassen. Sie sollen Virtualiter darinnen ausgelöscht seyn; und wiederhol ich hier zum Beschluß: [S] Daß keine vergnügtere und dabey edlere Beschäfftigung ist/ als seine Poesie dem Himmel/ sich selber/ oder seiner Gemühts-Zufriedenheit/ und hohen/ wie auch andern tugendhafften oder Tugend bedürfftigen Personen zu Gefallen und Ruhm verfertigen. ¶ Was den Himmel und die Zufriedenheit anbelangt/ so hat/ wie der Herr Doctor Mencke in gedachten gelehrt-geschickten Carmine anführet/ Gregorius Nazianzenus, welcher den Poetischen Geist/ den Geist Gottes genannt/ sein Ertz-Bischoffthum zu Constantinopel im 55sten Jahres seines Alters aufgegeben/ üm die Poesie besser abzuwarten."
Grüwel, Johann
Hochteutsche kurze/ deutliche und gründliche Vers- Reim- Und Dicht-Kunst
| 'Wer nun den Namen und die Taht eines Poeten haben wil/ an dem erfodern dy Weltweisen dreyerley/ nemlich: die natürliche Zuneigung zur Dichterey/ die Unterweisung/ und die Ubung. Darüm sagt Cicero pro Archia: Si à summis hominibus eruditissimisque accepimus, caeterarum rerum Studia & Doctrina, & Praeceptis & arte constare; Poëtam naturâ ipsâ valere & mentis viribus excitari, & quasi divino Spiritu afflari. Die Natur aber mag so guht seyn als sie kan/ so muß doch dy Unterweisung durch die Vers- und Reim-Kunst darzu kommen. Denn dise macht den Geist vollkommen/ den die Natur inn dem Poeten gewirket hat/ und wird er nichts tüchtiges ohn die Hülf-Leistung der Kunst am Tage legen.' | 'Dahingegen der Poët weit außstreichet/ sich als ein Adler inn dy Höhe schwinget/ dy gemeine Ahrt zu reden weit hinter sich läßet/ alles bunter/ und fröliger setzt: Alles was er vôrbringt/ neu/ ungewohnt/ gleichsam als mit einer Majestät vermischet/ und mehr einem Göttlichen Außspruch ch und Orakel/ als einer Menschen Stimme gleich scheinet etc. Plato hat zu seiner Zeit gesâgt/ daß dy Poëten den Binen gleich wären. Denn wy dise iren Honigsaft auß den Blumen der Gärten und wisen holeten; also nemen dy Poëten ire Honigsüße Gedichte auß den Lust-Gärten der Musen.'
Wahll, Johann Samuel
Poetischer Wegweiser
Neumeister, Erdmann
Die Allerneueste Art/ Zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen
| 'Wenn sich wenige Philosophi zu Poeten/ so schicken sich alle rechtschaffene Poeten hauptsächlich Philosophi zu seyn/ wegen ihres vor andern vor Natur empfangenen durchdringenden und zur Er-[S]kentniß verborgener Warheit fähigen Geistes. Denn diese Göttliche Wissenschafft hat/ ich weiß nicht was geheimes und verborgenes in sich/ welches allen nicht gegeben noch offen stehet/ sondern nur dem ¶ Ingenium cui fit, cui mens divinior. ¶ der einen gleichen Verstand/ und ein erleuchtetes Gemüht hat. Sind nicht meine sondern des Flacci Worte; wie auch Plato an vielen Orten nicht undeutlich lehret/ ob er gleich den Mißbrauch verwirfft. ¶ Will einer vielleicht einwenden/ die Weißheit in der Poesie habe nicht das Absehen/ noch die Wirckung in Erbauung der Menschen/ als die andere eigentlich genannte Philosophie; dem antworte: bey manchen Poeten vielleicht beydes nicht/ und bey manchen auch mehr; oder in Lesung der Poesie hat die darinnen begriffene Weißheit offt mehr heilsame Wirckung bey manchen Leuten/ als die andere Scholastische Philosophie. Des vortrefflichen alten und jungen Herrn Grüphien geistliche Lieder und Gedichte/ wie auch des Hrn. Hofmanns-Waldau seine/ etc. nebst dieser beyden und des Herrn von Lohensteins höchst-schätzbaren Sit-[S]ten-Lehre. Ja des Herrn Ober-Hof-Predigers Neumeisters an dem Reichs-Gräflichen Promnitzischen Hofe/ Geist-reich bewegende geistliche Cantaten, anderer itzo nicht zu erwehnen/ könten zu einiger Behauptung meiner Meinung angezogen werden.' | 'Wollen sie einwenden/ sie verlangen den Ruhm der Poeten nicht/ und wenn sie auch keine grosse/ würden dennoch ihre Regeln mittelmäßige Poeten gemacht haben/ die einen reinen Vers und dergleichen scheiben könten. So dienet ihnen zur Antwort: ¶ Mediocritus esse poetis, ¶ Non homines, non Di, non concessere columnae. [S] ¶ Das ist: Wer auf die Höhe des Parnasses steigen will/ und von dem Himmel kaum halbe Kräffte darzu bekommen/ dem kan es/ sans Comparaison, nicht anders als jenem guten Bereiter gehen/ der auf den bekanten hohen Blockels- oder Hexen-Berg bey Wolfenbüttel wolte/ und deswegen einen Esel mitnahm/ um wo er nicht weiter gehen könte/ zu reiten. [...] ¶ Mittelmäßige Poeten lieben also weder der Himmel noch die Menschen/ und man muß/ es sey welche Art zu schreiben man sich erwählet/ einen hohen Geist sehen lassen.' | 'Und wo ein schöner Einfluß des Himmels oder der Sterne keinen Poeten macht/ die Menschen thun es wol nicht.' | 'XLVIII. Wir wollen aber eben nicht eine neue Division des Styli, und eine Distinction zwischen dem Stylo Ecclesiastico und Politico machen/ weil doch jener mit diesem eine grosse Verwandschafft hat/ ohne nur/ daß er sich mit seinen Realien auf die heilige Schrifft und Glaubens-Lehre gründet/ und in Worten/ und Phrasibus seine Richtschnur gemeiniglich nach unserer Teutschen Bibel nimmet. [S] ¶ XLIX. Und dannenhero muß man sich in geistl. Liedern vor allen Dingen an Biblis. Worte und Phrases binden und halten/ wo es sich thun läst/ und dergleichen zur vorhabenden Materie vorhanden sind. Man redet doch lieber mit dem heiligen Geiste/ als aus Menschlicher Weißheit und eigner Speculation. So dann wird es auch an Kern und Nachdruck nicht fehlen. ¶ L. Hiernächst schreibe man so deutlich und geistlich-einfältig/ als man immer kan/ und setze sich Lutherum/ Bartholomäum Ringwalden/ Johann Francken/ Simon Dachen/ Johann Herrmannen/ Paul Gerharden/ und andere geistreiche Männer/ zur Imitation vor/ nehmlich qua dictionem & realia, nicht aber/ zu mahl bey den Alten/ qua constructionem & Rhytmos, welche hier eben so rein/ wie in andern Gedichten seyn müssen. ¶ LI. Man machet sonst einen grossen Staat von Johann Risten. Allein mein Judicium, ohne jemanden zum Praejudiz von ihm zugeben/ so finde ich in dem zehenden Gesange kaum ein bisgen Safft und Krafft/ welches ein andächtiges Hertze recht vergnügen könne. Wie konte es aber auch anders kommen? Indem er den Buchführern alle Lieder/ und derer gantze Lasten voll/ ums Geld ausfertigte. Gleichwol waren sie in grosser Estime, das macht/ er hatte einen Mantel um/ welcher Opinio heisset.' | 'Doch ist ihm [E.N., J.T.] auch nicht unbewust/ das Er in einem Stande nunmehro lebet/ darinnen man der Leute Wahn viel zu Gefallen thun müsse/ und ein Priester auch zur Gesundheit seines Leibes keine Pfeiffe Toback/ den doch GOtt zum rechten Gebrauch so wohl als andere Kräuter erschaffen/ in Gegenwart solcher Leute rauche/ die aus blinden Irrthum sich daran ärgern. ¶ Aus diesen und keinen andern Ursachen enthalte mich seiner besondern Benennung der Weltlichen Gedichte wegen/ weil er/ wie mir bekandt/ seine Muse nunmehro zu Gottes Ehren allein/ und trefflich hören läst; und wende mich zu dem Herrn Ober-Hof-Prediger bey dem Reichs-Grafen von Promnitz/ Hrn. Erdmann Neumeister/ dessen geistlicher Cantaten wir oben bereits erwehnet. Ich will sie nicht rühmen/ sondern solche zu lesen/ oder sie in denen vielen Kirchen/ wo man sie mit der Music eingeführt/ zu hören bitten/ so werden Seufftzer/ Thränen oder eine innerliche Tugendhaffte Bewegung ihre besten Lob-Reden seyn. Was die Poesie [S] anbelangt/ so ist solche desto schöner/ weil sie der Schrifft-gemäß/ und von keinen hochtrabenden Menschlichen Gedancken ist. Will man sagen/ weil sie so natürlich geistlich/ so habe er nur in wohlfliessende Reime gebracht/ was in der Schrifft in ungebundener Rede stünde? O nein/ man siehet die Züge und die Gänge seiner edlen Genie und Poesie gar wohl/ und ist desto vortrefflicher/ daß er sie durch den Heil. Geist aus seinem Geiste genommen. ¶ Nach diesem Muster habe mich bemühet/ meine wenige geistliche Gedichte zu verfertigen/ und nach solchem werde auch meine übrigen/ deren der Himmel viel wolle seyn lassen/ einrichten. Die Music nun solcher geistlichen Cantaten, legt der Würdigkeit der Poesie keine Unehre/ sondern eine nicht gemeine Krafft zu andächtiger Bewegung vollends bey/ und wird solches zu glauben genug seyn/ wenn man weiß/ daß es der berühmte und in Kirchen-Stücken besonders vortreffliche Herr Capell-Meister Krüger am Hochfürstlichen Weissenfelßischen Hofe gemacht;' | "Der hochgelehrte Hr. Doctor und Professor Mencke/ in Leipzig/ führet mit einer zierlichen und in der Poesie geschickten Feder in dem Gratulations Carmine auff den Herrn Ober-Hof-Prediger Neumeister/ oder in der Frage: Ob ein Poete wohl Superintendens seyn könne? unter andern an: daß Marcus Antonius Flaminius einer [S] von den Frömsten und Gelehrtsten gewesen/ von dem Monsieur Bayle saget: Sa pieté n'empecha pas, qu'il ne fit un tres grand nombre de Vers amoureux, & tres-amoureux, quoi qu'il fût Ecclesiastique. Conf. Menage Anti-Baillet T. I, p. 337. Ob er gleich im geistlichen Stande/ und dabey von besonderer Frömmigkeit war/ so verhinderte dieses dennoch nicht/ daß er eine grosse Menge verliebter/ und zwar sehr verliebter Verse machte. Und Mademoiselle de Scudery, welche den Affect der Liebe in ihren Gedichten und Romanen vortrefflich ausgedruckt/ soll gleichwohl selbst davon frey geblieben seyn. ¶ An welchen und vielen andern angeführten Poeten wohlgedachter Herr Professor Mencke nicht die Liebe/ sondern nur den Mißbrauch dieser edlen Passion in der Poesie getadelt; Und darinnen bin ich so wohl mit ihm eins/ als mit mir selber uneins bin/ in meinen ersten und vor 5. Jahren heraus gegebenen Gedichten/ einige schlüpffrige Gedancken durch die Feder fliessen zu lassen. Sie sollen Virtualiter darinnen ausgelöscht seyn; und wiederhol ich hier zum Beschluß: [S] Daß keine vergnügtere und dabey edlere Beschäfftigung ist/ als seine Poesie dem Himmel/ sich selber/ oder seiner Gemühts-Zufriedenheit/ und hohen/ wie auch andern tugendhafften oder Tugend bedürfftigen Personen zu Gefallen und Ruhm verfertigen. ¶ Was den Himmel und die Zufriedenheit anbelangt/ so hat/ wie der Herr Doctor Mencke in gedachten gelehrt-geschickten Carmine anführet/ Gregorius Nazianzenus, welcher den Poetischen Geist/ den Geist Gottes genannt/ sein Ertz-Bischoffthum zu Constantinopel im 55sten Jahres seines Alters aufgegeben/ üm die Poesie besser abzuwarten."