§. 2. Die Natur hat sich am ersten hervor gethan, und hat sich vielerley Mittel darzu bedienet: der Andacht, der Ergötzung, der Liebe und der Danckbarkeit. §. 3. Die Andacht würckte die ersten Lieder in den Hebräern: und es ist vermuthlich, daß man nicht allein zu den Zeiten Noä, sondern auch vor der Sündfluth schon Lieder gehabt, mit welchen die Gläubigen ihren Schöpffer gelobet. Denn, ob es gleich unstreitig eine Fabel der Talmudisten ist, daß Adam den 92. Psalm verfertiget, und am ersten Sabbath [aq]componiret[/aq] und gesun-[S]gen; so scheint doch des Lamechs Anrede an seine Weiber [aq]Genes. 4. V. 24. 25. [/aq]nicht uneben ein Stücke von einem [aq]Carmine antediluviano [/aq] zu seyn, weil darinnen viele [aq]Rythmi[/aq] und Poetische Ausdrückungen befindlich. Ja weil Jubal schon das Spielzeug erfunden hatte, so werden die Formmen vermuthlich auch etwas erfunden haben, womit sie ihren GOtt gepriesen. Zum wenigsten saget es die Schrifft schon zu Mosis Zeiten. Der berühmte Opitz stehet in seiner [aq]Prosodia Germanica[/aq] in den Gedancken: daß die Poesie Anfangs nicht anders als eine verborgene [aq]Theologie[/aq] und Unterricht von göttlichen Sachen gewesen. Denen Gläubigen folgten hierinnen die Heyden. Ovidius zeigt genug, daß ihre Priester das Gebeth beym Opffer in Versen verrichtet, wenn er an einem gewissen Orte also schreibet: [aq]Exorant magnos carmina saepe DEos.[/aq] Und scheinet nicht so gar unwahrscheinlich zu seyn, daß die Heyden ihre Poetische Fabeln von dem [aq]Apollo[/aq] mit seinen neun [aq]Mus[/aq]en auf dem Berge [aq]Parnassus[/aq], von dem David und seinen Hof-[aq]Musicanten[/aq], dem Assaph, Ethan, Heman etc. entlehnet. So findet man auch, daß die [aq]Drui[/aq]ten bey denen Celten und Teutschen, (welche eben das waren, [S] was bey den Hebräern die Hohen-Priester, bey den Babyloniern und Persern die [aq]Magi[/aq], bey den Egyptiern und Griechen die [aq]Hierophantae[/aq], bey den Indianern die [aq]Brachmaner[/aq], bey den Römern die [aq]Pontifices[/aq].) die Lehre von ihrem Glauben und ihrer Weißheit in viel tausend Verse verfasset, und denen, welche [aq]Druiden[/aq] werden wollten, so beygebracht, daß sie solche auswendig lernen musten, worüber offt mancher 20. Jahr zugebracht; denn sie liessen solche nicht abschreiben, damit ihre Weißheit nicht gemein werden möchte. Besiehe [aq]Cluver. Serm. antiqu. it.[/aq] Lohenstein in seinem [aq]Arminio[/aq]. [aq]Strabo[/aq] schreibt in seinem ersten Buche: daß die Poesie die erste [aq]Philosophie[/aq] gewesen, eine Erzieherin des Lebens, welche die Art der Sitten, der Bewegung, des Gemüths und alles Thuns und Lassens gelehrt: ja die [aq]Stoici[/aq] hätten davor gehalten, daß ein Weiser allein ein Poete sey. So kan man es auch daher abnehmen, daß die Poeten eher als die [aq]Philosophi[/aq] gewesen, weil ein jeder [aq]Scribent[/aq], je älter er ist, desto näher der Schreib-Art der Poeten kömmt. Daher sagt [aq]Causabonus[/aq]: so offt er des [aq]Herodotus[/aq] Historien lese, bedüncke ihn, daß er den [aq]Homerum[/aq] lese. [S] § 4. Die eigene Ergötzung, sich die Zeit angenehm bey Weydung der Heerde zu vertreiben, ist ohnfehlbar der andere Trieb zur Poesie gewesen. Denn weil gleich nach Jabal, der eben die Viehzucht aufgebracht, die meisten Ertz-Väter Hirten waren, so werden sie nicht allein mit der [aq]Music[/aq], welche von Jubal war erfunden worden, die müßige Zeit haben suchen zu verkürtzen, sondern werden Zweiffels ohne allerhand Lieder zur Ergötzung haben drein gestimmet; (Q6846)

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Sprache Bezeichnung Beschreibung Auch bekannt als
Deutsch
§. 2. Die Natur hat sich am ersten hervor gethan, und hat sich vielerley Mittel darzu bedienet: der Andacht, der Ergötzung, der Liebe und der Danckbarkeit. §. 3. Die Andacht würckte die ersten Lieder in den Hebräern: und es ist vermuthlich, daß man nicht allein zu den Zeiten Noä, sondern auch vor der Sündfluth schon Lieder gehabt, mit welchen die Gläubigen ihren Schöpffer gelobet. Denn, ob es gleich unstreitig eine Fabel der Talmudisten ist, daß Adam den 92. Psalm verfertiget, und am ersten Sabbath [aq]componiret[/aq] und gesun-[S]gen; so scheint doch des Lamechs Anrede an seine Weiber [aq]Genes. 4. V. 24. 25. [/aq]nicht uneben ein Stücke von einem [aq]Carmine antediluviano [/aq] zu seyn, weil darinnen viele [aq]Rythmi[/aq] und Poetische Ausdrückungen befindlich. Ja weil Jubal schon das Spielzeug erfunden hatte, so werden die Formmen vermuthlich auch etwas erfunden haben, womit sie ihren GOtt gepriesen. Zum wenigsten saget es die Schrifft schon zu Mosis Zeiten. Der berühmte Opitz stehet in seiner [aq]Prosodia Germanica[/aq] in den Gedancken: daß die Poesie Anfangs nicht anders als eine verborgene [aq]Theologie[/aq] und Unterricht von göttlichen Sachen gewesen. Denen Gläubigen folgten hierinnen die Heyden. Ovidius zeigt genug, daß ihre Priester das Gebeth beym Opffer in Versen verrichtet, wenn er an einem gewissen Orte also schreibet: [aq]Exorant magnos carmina saepe DEos.[/aq] Und scheinet nicht so gar unwahrscheinlich zu seyn, daß die Heyden ihre Poetische Fabeln von dem [aq]Apollo[/aq] mit seinen neun [aq]Mus[/aq]en auf dem Berge [aq]Parnassus[/aq], von dem David und seinen Hof-[aq]Musicanten[/aq], dem Assaph, Ethan, Heman etc. entlehnet. So findet man auch, daß die [aq]Drui[/aq]ten bey denen Celten und Teutschen, (welche eben das waren, [S] was bey den Hebräern die Hohen-Priester, bey den Babyloniern und Persern die [aq]Magi[/aq], bey den Egyptiern und Griechen die [aq]Hierophantae[/aq], bey den Indianern die [aq]Brachmaner[/aq], bey den Römern die [aq]Pontifices[/aq].) die Lehre von ihrem Glauben und ihrer Weißheit in viel tausend Verse verfasset, und denen, welche [aq]Druiden[/aq] werden wollten, so beygebracht, daß sie solche auswendig lernen musten, worüber offt mancher 20. Jahr zugebracht; denn sie liessen solche nicht abschreiben, damit ihre Weißheit nicht gemein werden möchte. Besiehe [aq]Cluver. Serm. antiqu. it.[/aq] Lohenstein in seinem [aq]Arminio[/aq]. [aq]Strabo[/aq] schreibt in seinem ersten Buche: daß die Poesie die erste [aq]Philosophie[/aq] gewesen, eine Erzieherin des Lebens, welche die Art der Sitten, der Bewegung, des Gemüths und alles Thuns und Lassens gelehrt: ja die [aq]Stoici[/aq] hätten davor gehalten, daß ein Weiser allein ein Poete sey. So kan man es auch daher abnehmen, daß die Poeten eher als die [aq]Philosophi[/aq] gewesen, weil ein jeder [aq]Scribent[/aq], je älter er ist, desto näher der Schreib-Art der Poeten kömmt. Daher sagt [aq]Causabonus[/aq]: so offt er des [aq]Herodotus[/aq] Historien lese, bedüncke ihn, daß er den [aq]Homerum[/aq] lese. [S] § 4. Die eigene Ergötzung, sich die Zeit angenehm bey Weydung der Heerde zu vertreiben, ist ohnfehlbar der andere Trieb zur Poesie gewesen. Denn weil gleich nach Jabal, der eben die Viehzucht aufgebracht, die meisten Ertz-Väter Hirten waren, so werden sie nicht allein mit der [aq]Music[/aq], welche von Jubal war erfunden worden, die müßige Zeit haben suchen zu verkürtzen, sondern werden Zweiffels ohne allerhand Lieder zur Ergötzung haben drein gestimmet;
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