[aq]XVI[/aq]. Aber lasset uns ein wenig weiter gehen/ und den vorigen Zustand der Poeterey mit dem heutigen in etwas genauer überlegen: Vorzeiten ward diese keusche Jungfrau in großen Ehren gehalten/ und von allerhand Stands-Personen bedienet. Da schämeten sich nicht die klügsten Leute/ die durch das Orakel zu Delphos vor weise ausgeruffen worden/ mit ihr Gemeinschafft zu halten. Ich will nicht von dem [aq]Orpheus, Linus, Musaeus, Thales, Cleobulus, Pittacus, Periander, Chilo, Bias, Socrates, Plato[/aq], und [aq]Aristoteles[/aq] weitläufftig melden/ wie sie so wohl die Poeterey geliebet/ als auch viel darinnen verrichtet. Von dem letzten wird gelesen/ daß er mehr als fünff undn viertzig tausend Gedichte verfer- [[aq]Vid. Alexand. Donatus, Instit. Poëtic. lib. I. p. 36[/aq].] tiget; worinn ihm der berühmte Sternkündiger [aq]Zoroaster[/aq], der [aq]Bactrianer[/aq] König vorgegangen/ als der nach [aq]Plinii[/aq] Bericht im [aq]30[/aq]. Buch [aq]cap. I[/aq]. zwantzig mahl hundert tausend Vers von der [aq]Philosophie[/aq] soll gemachet haben. [aq]Conf. Augustin. de Civ. D. lib. XXI. p.m. 981. T. 2[/aq]. Was bey den Römern darauf gehalten worden/ ist fast unnöthig zuerzehlen; [aq]Varro[/aq] hat dadurch nicht den geringsten Preiß verdienet. Ja Käyser/ Fürsten und andere vornehme Herren/ haben ihre Würde durch den unverwelcklichen Lorbeer-Krantz viel herrlicher und scheinbarer gemachet. Was [aq]Augustus, Tiberius, Germanicus, Claudius, Nero[/aq] und andere nach ihm/ dieser Kunst zu Ehren gethan/ ist der beständigen Unvergessenheit [S] längst einverleibet. Was soll ich von den alten Kirchenlehrern sagen/ unter denen die niemals genug gelobte Poeterey/ als in einem köstlichen Pallast gewohnet? [aq]Cyprianus, Hilarius, Ambrosius, Fulgentius, Nazianzenus, Juvenculus, Venantius, Licentius, Sedulius, Prudentius, Paulinus[/aq] u.a.m. haben ingesamt allerhand schöne Poetische Schrifften hinterlassen/ und werden mit höchster Beliebung auch auf den heutigen Tag durchgesuchet. Diese aber wird nach Hochverständiger Leute Gutdüncken keiner zur Gnüge verstehen/ wo er nicht von der lieblichen Poeterey eine Wissenschafft und Vorschmack hat. Dannenher es auch keinem [aq]Studioso Theologiae[/aq] zur Schande oder Schaden gereichet/ daß er diese Kunst in einer und andern Sprache verstehet/ wie etliche frühzeitige Klüglinge meinen; sondern es ist vielmehr nöthig/ daß der jenige/ so einmahl der Kirchen Gottes mit Nutzen vorzustehen gedencket/ nebst den Grundsprachen auch auf die Deutsche Muttersprache acht habe/ und darin ein geschickliches Lied aufsetzen lerne. Man bläuet sich viel Jahre/ voran im Griechischen/ ein wenig weiter im Lateinischen/ endlich aber ist es unsere Deutsche Sprache/ davon man sich ernähret/ und die so wohl den Geistlichen/ als Weltlichen/ ihr Brodt verdienen muß/ und gleichwohl ist man so wenig darum bekümmert. Schreibet der Edle Hr. [aq]Schottelius[/aq] in seiner SprachKunst/ in der ersten Lobrede. Ein Hocherleuchteter Lehrer der H. Schrifft zu Straßburg/ hat gar verständog gerathen/ Es soll ein ieglicher/ der zu Kirchen-Diensten befördert werden will/ zu seiner erbaulichen Ergetzlichkeit deutsche Poeten lesen/ und ein Gedicht zu Papier bringen lernen: Weil man dadurch zierlich und beweglich reden/ eine Sache mit dringenden Worten vorbringen/ und zu Erweckung brünstoger Andacht/ nach Begebenheit auch ein Geistliches Lied werde verabfassen können. (Harsdorff im Sendschreiben vor die Welt- Feld- und Garten-Betrachtungen.) Auf gleichen Zweck zielet auch die Vermahnung des [aq]Laurentu à Villa Vincentio[/aq], (welcher sich sonsten nicht gescheuet/ fast sein gantzes Buch aus des [aq]Andreae Hyperu[/aq] zu schreiben/ ohne daß er was weniges geendert/ wie [aq]Enoch[/aq] [S] [aq]Hannman[/aq] über [aq]Opitii Prosodie[/aq] errinert am [aq]125[/aq]. Blat) an die Prediger/ wenn er sie zu Ausübung der reinen Muttersprach reitzet [aq]lib. 3. de Ratione Stud. Theolog. c. 8. p. 429. Nam quò quis sermonis patrii est peritior, & in eodem disertior, eò judicatur ad docendum populum magis idoneus. Ac decet omninò concionatorem aliquid supra vulgus praestare in Sermonis patrii munditie ac puritate: Et non modò verbis quibusdam elegantibus & acquisitis, verùm etiam copiâ eorundem locupletatum prodire. Puritatem sermonis patrii non haurias, nisi vel ex convictu familiari eorum, qui tersissimè & nitidissimè illum sonant, vel ex libris commendatissimâ dialecto editis: qualis multorum judicio censetur in Italiâ dialectus Tuscanica: in Galliâ Turonesis: in Germaniâ Misnensis, in Britanniâ Londinensis[/aq]. Dannenher der Seel. Herr [aq]Lutherus[/aq] sich so sehr um die Reinigkeit der Teutschen Sprache bemühet/ daß er billich von fremden [aq]Nationen[/aq] gelobet wird. (Q2749)

Keine Beschreibung vorhanden
Sprache Bezeichnung Beschreibung Auch bekannt als
Deutsch
[aq]XVI[/aq]. Aber lasset uns ein wenig weiter gehen/ und den vorigen Zustand der Poeterey mit dem heutigen in etwas genauer überlegen: Vorzeiten ward diese keusche Jungfrau in großen Ehren gehalten/ und von allerhand Stands-Personen bedienet. Da schämeten sich nicht die klügsten Leute/ die durch das Orakel zu Delphos vor weise ausgeruffen worden/ mit ihr Gemeinschafft zu halten. Ich will nicht von dem [aq]Orpheus, Linus, Musaeus, Thales, Cleobulus, Pittacus, Periander, Chilo, Bias, Socrates, Plato[/aq], und [aq]Aristoteles[/aq] weitläufftig melden/ wie sie so wohl die Poeterey geliebet/ als auch viel darinnen verrichtet. Von dem letzten wird gelesen/ daß er mehr als fünff undn viertzig tausend Gedichte verfer- [[aq]Vid. Alexand. Donatus, Instit. Poëtic. lib. I. p. 36[/aq].] tiget; worinn ihm der berühmte Sternkündiger [aq]Zoroaster[/aq], der [aq]Bactrianer[/aq] König vorgegangen/ als der nach [aq]Plinii[/aq] Bericht im [aq]30[/aq]. Buch [aq]cap. I[/aq]. zwantzig mahl hundert tausend Vers von der [aq]Philosophie[/aq] soll gemachet haben. [aq]Conf. Augustin. de Civ. D. lib. XXI. p.m. 981. T. 2[/aq]. Was bey den Römern darauf gehalten worden/ ist fast unnöthig zuerzehlen; [aq]Varro[/aq] hat dadurch nicht den geringsten Preiß verdienet. Ja Käyser/ Fürsten und andere vornehme Herren/ haben ihre Würde durch den unverwelcklichen Lorbeer-Krantz viel herrlicher und scheinbarer gemachet. Was [aq]Augustus, Tiberius, Germanicus, Claudius, Nero[/aq] und andere nach ihm/ dieser Kunst zu Ehren gethan/ ist der beständigen Unvergessenheit [S] längst einverleibet. Was soll ich von den alten Kirchenlehrern sagen/ unter denen die niemals genug gelobte Poeterey/ als in einem köstlichen Pallast gewohnet? [aq]Cyprianus, Hilarius, Ambrosius, Fulgentius, Nazianzenus, Juvenculus, Venantius, Licentius, Sedulius, Prudentius, Paulinus[/aq] u.a.m. haben ingesamt allerhand schöne Poetische Schrifften hinterlassen/ und werden mit höchster Beliebung auch auf den heutigen Tag durchgesuchet. Diese aber wird nach Hochverständiger Leute Gutdüncken keiner zur Gnüge verstehen/ wo er nicht von der lieblichen Poeterey eine Wissenschafft und Vorschmack hat. Dannenher es auch keinem [aq]Studioso Theologiae[/aq] zur Schande oder Schaden gereichet/ daß er diese Kunst in einer und andern Sprache verstehet/ wie etliche frühzeitige Klüglinge meinen; sondern es ist vielmehr nöthig/ daß der jenige/ so einmahl der Kirchen Gottes mit Nutzen vorzustehen gedencket/ nebst den Grundsprachen auch auf die Deutsche Muttersprache acht habe/ und darin ein geschickliches Lied aufsetzen lerne. Man bläuet sich viel Jahre/ voran im Griechischen/ ein wenig weiter im Lateinischen/ endlich aber ist es unsere Deutsche Sprache/ davon man sich ernähret/ und die so wohl den Geistlichen/ als Weltlichen/ ihr Brodt verdienen muß/ und gleichwohl ist man so wenig darum bekümmert. Schreibet der Edle Hr. [aq]Schottelius[/aq] in seiner SprachKunst/ in der ersten Lobrede. Ein Hocherleuchteter Lehrer der H. Schrifft zu Straßburg/ hat gar verständog gerathen/ Es soll ein ieglicher/ der zu Kirchen-Diensten befördert werden will/ zu seiner erbaulichen Ergetzlichkeit deutsche Poeten lesen/ und ein Gedicht zu Papier bringen lernen: Weil man dadurch zierlich und beweglich reden/ eine Sache mit dringenden Worten vorbringen/ und zu Erweckung brünstoger Andacht/ nach Begebenheit auch ein Geistliches Lied werde verabfassen können. (Harsdorff im Sendschreiben vor die Welt- Feld- und Garten-Betrachtungen.) Auf gleichen Zweck zielet auch die Vermahnung des [aq]Laurentu à Villa Vincentio[/aq], (welcher sich sonsten nicht gescheuet/ fast sein gantzes Buch aus des [aq]Andreae Hyperu[/aq] zu schreiben/ ohne daß er was weniges geendert/ wie [aq]Enoch[/aq] [S] [aq]Hannman[/aq] über [aq]Opitii Prosodie[/aq] errinert am [aq]125[/aq]. Blat) an die Prediger/ wenn er sie zu Ausübung der reinen Muttersprach reitzet [aq]lib. 3. de Ratione Stud. Theolog. c. 8. p. 429. Nam quò quis sermonis patrii est peritior, & in eodem disertior, eò judicatur ad docendum populum magis idoneus. Ac decet omninò concionatorem aliquid supra vulgus praestare in Sermonis patrii munditie ac puritate: Et non modò verbis quibusdam elegantibus & acquisitis, verùm etiam copiâ eorundem locupletatum prodire. Puritatem sermonis patrii non haurias, nisi vel ex convictu familiari eorum, qui tersissimè & nitidissimè illum sonant, vel ex libris commendatissimâ dialecto editis: qualis multorum judicio censetur in Italiâ dialectus Tuscanica: in Galliâ Turonesis: in Germaniâ Misnensis, in Britanniâ Londinensis[/aq]. Dannenher der Seel. Herr [aq]Lutherus[/aq] sich so sehr um die Reinigkeit der Teutschen Sprache bemühet/ daß er billich von fremden [aq]Nationen[/aq] gelobet wird.
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